Wie sind Aktien von Wettanbietern zu bewerten?

18. Juli 2016 | Kategorie: Finanzen, Wirtschaft
Frankfurter Börse. Foto:dts Nachrichtenagentur

Frankfurter Börse.
Foto:dts Nachrichtenagentur

Der europäische Markt für Sportwetten ist für die Wettanbieter ein Milliardengeschäft.

Der Markt für Wettanbieter zählte in den vergangenen Jahren zu den am stärksten wachsenden Online Business Modellen überhaupt. Wachstumsraten um 15 % waren keine Seltenheit. Ebenso stieg die Zahl der Wettanbieter in der Vergangenheit.

Gewettet wird auf fast alles. Ob auf Sieg, Niederlage oder Platzierungen bei den verschiedensten Sportarten, auf den Ausgang politischer Entscheidungen wie dem Brexit oder reine Finanzwetten, der Vielfalt der angebotenen Wetten sind scheinbar kaum Grenzen gesetzt. Aktuell dürfte den Wettanbietern zudem das Ausscheiden der Favoriten bei der Fußball Europameisterschaft ein sattes Plus beschert haben.

Doch wie sind die Aktien der Wettanbieter zu bewerten? Welchen Einfluss haben zum Beispiel der Brexit und politische Entscheidungen über die Regulierung für die weitere Entwicklung der Wettanbieter und deren Aktien?

Ein Unternehmen aus Österreich sorgt für Schlagzeilen

Der im österreichischen Linz ansässige und an der Frankfurter Börse notierte Anbieter Bet at Home ist einer der „Highflyer“ am deutschen Aktienmarkt. Große Aufmerksamkeit erregte man zum Beispiel durch den Einstieg als Hauptsponsor beim Bundesligisten Hertha BSC.

Der Anbieter bereitet zurzeit den Sprung in die „Aktien-Oberliga“ vor und will eine Aufnahme in den TechDax bzw. den SDAX erreichen. Der aktuell 4,3 Millionen Kunden zählende Konzern ist in den Bereichen Online-Gaming und Online-Sportwetten aktiv und zählt zu den erfolgreichsten Glücksspielanbietern in Europa.

Um den Sprung nach ganz oben zu schaffen, haben die Linzer eine Art Masterplan entworfen. So werden derzeit alle formellen Voraussetzungen für die Aufnahme in den Primestandard der Börse geschaffen. Das obligatorische Wertpapierprospekt dazu wurde gerade bei der BaFin zur Prüfung eingereicht.

Weiterhin wurde ein Aktien-Split vorgenommen, mit dem verhindert werden soll, dass die Aktie kurzfristig eine dreistellige Notiz an der Börse nimmt. Damit wurde auf einen Schlag die Anzahl der Aktien verdoppelt. Der Aktiennennwert wurde allerdings gleichzeitig halbiert.

Hintergrund dieser Maßnahme ist vor allem, dass potentiellen Investoren insbesondere Kleinanlegern die psychologische Hemmschwelle beim Einstieg wegen einer dreistelligen Börsennotierung genommen werden soll. Damit wurden also wesentlich bessere Voraussetzungen für die Handelbarkeit der Aktie geschaffen.

Neukundengewinnung als Wachstumstreiber

Für die Bewertung der Aktie spielen jedoch eher die zukünftigen Einnahmen und Ausgaben des Unternehmens und damit die Gewinnaussichten für die Aktionäre eine Rolle.

Für die zukünftige Entwicklung der Einnahmen kommt es entscheidend darauf an, ob in der Zukunft weiterhin neue Kunden gewonnen werden können. Die meisten Analysten gehen allerdings davon aus, dass der Markt diesbezüglich noch lange nicht gesättigt ist. Viele Neukunden kommen erst durch sportliche Großereignisse, wie die gerade beendete Fußball Europameisterschaft auf den Geschmack und platzieren erstmals eine Wette.

Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro in diesem Jahr sowie die Fußball Weltmeisterschaft in Russland in 2018 stellen für die Wettanbieter die nächsten wichtigen Etappenziele für die sprunghafte Neukundengewinnung dar.

Konzentration auf breiteres Investorenspektrum

Allerdings ist für das Wachstum auch ein gewaltiger Werbeaufwand notwendig. Schließlich schläft die Konkurrenz nicht und jeder der Wettanbieter versucht, den größten Teil des Kuchens für sich zu gewinnen. Dazu müssen erhebliche Investitionen in die Infrastruktur des Online-Angebotes getätigt werden, um der wachsenden Kundenzahl einen leichten Zugang, ein einwandfrei funktionierendes Wettangebot sowie eine störungsfreie Zahlungsabwicklung zu gewährleisten.

Die für das bisherige Wachstum notwendigen Ausgaben bei dem Linzer Anbieter wurden in der Vergangenheit im Wesentlichen durch Darlehen bestritten. Der Schuldenstand wuchs allein in den vergangenen drei Jahren von 32 Mio. Euro auf 55 Mio. Euro. Hauptgläubiger ist der französische Großaktionär Betclic Everest Group, der zugleich 10 % der Aktien am Unternehmen hält.

Die Suche nach neuen Investoren, um das weitere Wachstum zu bewältigen und den Darlehensstand bei einzelnen Großinvestoren zurückführen zu können, erscheint daher folgerichtig. Mit der Erweiterung des Streubesitzes durch das Angebot der Aktien an zahlreiche Kleinanleger ist mit frischem Geld zu rechnen, mit denen die ehrgeizigen Ziele wohl umgesetzt werden können.

Marketing- und Finanzierungskosten können sich als Hürde erweisen

Wie das Beispiel der Österreicher zeigt, spielen bei der Beurteilung einzelner Aktientitel der Wettbranche die zukünftigen Aussichten des Wettmarktes eine wesentliche Rolle. Allerdings ist mit dem schnellen Wachstum auch immer ein hoher Preis in Form von Werbeausgaben und Investitionen in die Infrastruktur verbunden, um möglichst eine Vielzahl von Kunden für sich verbuchen zu können.

Allein der Marketingaufwand macht nicht selten 50% und mehr vom Gesamtumsatzerlös aus. Kürzungen beim Werbebudget haben unmittelbare Auswirkungen und treiben Neukunden schnell zur Konkurrenz. Zudem müssen stetig Investitionen in die technische Infrastruktur, zum Beispiel in die Bereitstellung ausreichender Serverkapazität vorgenommen sowie Dienstleistungsverträge, etwa für die Zahlungsabwicklung mit entsprechendem Provisionsaufwand stetig auf den bevorstehenden Kundenstrom angepasst werden. Gerade wenn das Wachstum in der Vergangenheit mit Hilfe von Krediten finanziert wurde, werden nicht unerhebliche Zinszahlungen fällig.

Zudem müssen die Darlehen zur Finanzierung zurückgeführt werden. Neben der Betrachtung der bisherigen Finanzergebnisse wie dem EBITDA oder dem Cash Flow des Unternehmens, lohnt sich daher für Anleger ein genauer Blick auf die Finanzierungstruktur und die Fälligkeiten der Darlehen.

Nicht alle Wettanbieter schaffen es, die Gratwanderung zwischen den mit dem Wachstum verbundenen hohen Ausgaben und einer soliden Finanzierung ausgewogen zu gestalten, wie das Beispiel des Weiteren österreichischen Anbieters Bwin zeigt.

Rechtliche Unwägbarkeiten

Hinzu kommen rechtliche Regulierungen. Gerade bei in Großbritannien gelisteten Wettanbieter, wird es darauf angekommen, ob sie es schaffen, das wichtige Standbein im europäischen Markt behalten und ausbauen zu können. Für den europäischen Markt sind auch eine europäische Lizenzierung und die Unterwerfung unter die europäischen Regulierungsvorschriften, insbesondere zur Bekämpfung von Geldwäsche und Suchtgefahren notwendig.

Dies dürfte einigen Anbietern in Großbritannien aktuell Schweißperlen auf die Stirn treiben, da deren zukünftiges Wachstum hauptsächlich auf dem europäischen Markt stattfinden kann.

Zudem hat die Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen recht schnell ändern können und sich immer wieder Grauzonen hinsichtlich der Rechtssicherheit für die Wettanbieter auftun können. Dies verunsichert auch Kunden und Investoren.

Möglicherweise geplante Rechtsänderungen und erweiterte Regulierungsvorschriften können sehr schnell wie ein Damoklesschwert über den Wettunternehmen schweben. So brachen die Aktien der wichtigsten britischen Anbieter vor kurzem um 20 % ein, als die Regierung eine stärkere Regulierung ankündigte.

Ausblick

Mit Spannung werden zurzeit insbesondere die Ergebnisse eines für den Herbst dieses Jahres angekündigten Berichts erwartet, der die Auswirkungen des Glücksspiels auf die Gesellschaft zum Untersuchungsgegenstand hat und welche politischen Auswirkungen daraus resultieren.

Die Ergebnisse der britischen Studie könnten auch Auswirkungen auf die Anbieter innerhalb der europäischen Union haben. Jedoch, trotz einiger rechtlicher Unwägbarkeiten, dürfte dennoch reichlich weiter gewettet werden und es ist davon auszugehen, dass auch Wettaktien allgemein wenig an Attraktivität einbüßen.

Vielmehr kommt es darauf an, wie sich einzelne Anbieter aufgrund ihrer Finanzkraft im umkämpften Wettmarkt positionieren können. So könnten auch Übernahmen einzelner Anbieter Impulse auf die Bewertung von Einzeltiteln setzen.

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