Westwall wird Friedensmahnmal – Großes Geschenk an die Region

5. Januar 2013 | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Politik Rheinland-Pfalz, Regional, Rheinland-Pfalz

Ministerpräsident Kurt Beck und Staatssekretär Werner Gatzer unterzeichnen die Vereinbarung. Mit dabei: Landrätin Riedmaier, Bürgermeister Bratz, Verbandsbürgermeister Bohrer und der rheinland-pfälzische Staatssekretär Dr. Barbaro. Fotos: pfalz-express.de/Licht

Bad Bergzabern – Medien, Politik, Institutionen: Alle waren bei einer kleinen Feierstunde in der Verbandsgemeindeverwaltung Bad Bergzabern Zeuge eines „großen Geschenkes an die Region“ (Landrätin Riedmaier). Anlass war die Unterzeichnung der Vereinbarung zur Übertragung des Eigentums an Anlagen des ehemaligen Westwalls zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Rheinland-Pfalz.

„Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, im Einvernehmen mit Umweltschutzverbänden, der Denkmalpflege, örtlichen Initiativen und Einrichtungen der politischen Bildung eine neue Konzeption für die Zukunft der Westwallanlagen in Rheinland-Pfalz zu entwickeln. Ich freue mich und danke der Bundesregierung, dass Rheinland-Pfalz und die Bundesrepublik heute mit einer entsprechenden Vereinbarung die Grundlage schaffen, dass wir unser Ziel realisieren können,“ sagte Ministerpräsident Kurt Beck sichtlich bewegt.

Die Aufbauten genießen eigene Rechte und so war bisher der Bund als Eigentümer für die Bunkeranlagen zuständig. Man habe beim Bund nur sicherheitstechnische Belange verfolgt und hat nicht unbedingt die historische Bedeutung gesehen, sagte Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen. Mit der neuen Vereinbarung gehen die Anlagen in den Besitz des Landes Rheinland-Pfalz über. Ein langwieriger Verhandlungsprozess habe damit seinen Abschluss gefunden, so Gatzer.

Als „gigantischen Wahnsinn sondergleichen“ bezeichnete Kurt Beck das, was der Nationalsozialismus seinerzeit zur Sicherung seiner Grenzen errichtet hatte. 650 Kilometer Wall, 20.000 Bunkeranlagen, 250 Kilometer Höckerlinien (Panzersperren); Häuser hinter dem Westwall wurden abgerissen, Dörfer zu Wehrdörfern entwickelt. Die Existenz der ländlichen Bevölkerung war durch Evakuierungen bedroht.

Die Südpfälzer hätten Krieg und Naziherrschaft gleich zu Beginn von der schlimmsten Seite erlebt, sagte Beck.  „In meinem Heimatort Steinfeld, durch den Hitler den Westwall erbauen ließ, mussten bereits am 1. September 1939 Einwohner ihre Häuser verlassen und wurden obdachlos. Die Bilder einer verwüsteten Landschaft habe ich noch aus meiner frühen Kindheit im Kopf. Wir haben in den gesprengten Bunkern gespielt.“

Nie habe er verstehen können, dass die Bunker gesprengt wurden. Beck erinnerte an seine langjährigen Bemühungen, die Ruinen des Westwalls als Friedensmahnmal für nachkommende Generationen zu erhalten. Zwar sei 1949 der Westwallbereich als besondere Förderzone anerkannt worden, man habe aber trotzdem viele Jahrzehnte gespürt, dass „Benachteiligungen da waren“.

„Wir müssen die Erinnerung daran wach halten mit dem Ziel, politischen und ideologischem Fanatismus nie wieder eine Chance zu geben“, so Ministerpräsident Kurt Beck. „Wir wollen einen falschen Zungenschlag vermeiden“, sagte er der Presse.

Er verwies aber auch auf die naturschutzfachliche Bedeutung des Westwalls. Beck: „Dies ist zugleich ein Beitrag zum Naturschutz, denn die Anlagen haben sich zu einem wichtigen Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten wie Fledermausarten oder seltene Flechten entwickelt“. Beck betonte auch den touristischen Aspekt des Westwalls und forderte die Bürger auf, auch selbst konstruktive Anregungen zu geben. „Wir wollen auch Landkreise und Kommunen mit in die Entscheidungsfindung einbinden“.

Auch Werner Gatzer begrüßte die einvernehmliche Vereinbarung. Sie leiste nicht nur einen Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung und Entflechtung der politischen Entscheidungsräume, sondern ermögliche es dem Land, eine neue, eigenständige Konzeption für die Anlagen zu entwickeln.

„Die Anlagen des ehemaligen Westwalls sind Kulturdenkmäler des Landes Rheinland-Pfalz. Für Pflanzen und Tiere, für  zahlreiche gefährdete Arten bilden die Relikte der ehemaligen Bunker- oder Stollenanlagen wertvolle Lebensräume. Das sind Gründe genug, uns für den Erhalt einzusetzen“, betonte der rheinland-pfälzische Finanzstaatssekretär Dr. Salvatore Barbaro. Über die zukünftige Rechtsform muss noch beraten werden, favorisiert wird eine Stiftung.

Der Bund zahlt dem Land außerdem als Ausgleich für die Anlagen 25 Millionen Euro. Somit steht der Neukonzeption des Westwalls nichts mehr im Wege. Im Gegenzug ist der Bund künftig nicht mehr für Sicherungsmaßnahmen der Anlagen verantwortlich. (cli)

 

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