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Westerwelle in Landau: Mit Herzblut für Europa – und Kultur

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Guido Westerwelle und Volker Wissing (re) waren sich einig: Kultur ist ein entscheidender gesellschaftlicher Baustein. Fotos: Licht/Ahme

Landau – Einen ganz besonderen Gast konnte Dr. Volker Wissing, Vorsitzender der rheinland-pfälzischen FDP und stellvertretender FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzender, zum Kulturfrühstück der FDP in Landau begrüßen. Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle war angereist, um über Europa, Kultur und am Rande auch über Europa- und Weltpolitik zu referieren.

Zur Begrüßung der etwa 400 Gäste betonte Wissing die Bedeutung Landaus als Kulturstadt, die geprägt sei von privaten und öffentlichen Initiativen. Beide sollten gleichermaßen Förderung erfahren.

Leidenschaftlicher Appell

Westerwelle selbst wollte an diesem Tag nicht parteipolitisch werden. Wer Wahlkampf erwartet hatte, wurde eines Besseren belehrt: Das Motto des Tages lautete schließlich: “Europa als Kulturraum“. Das Kulturfrühstück  sei weit mehr als eine Veranstaltung mit einem politischen Hintergrund, sagte Westerwelle, denn die Gesellschaft sei abhängig von dem, was sie kulturell zusammenhalte. Innerhalb der Globalisierung sieht Westerwelle Europa als Kultur- und Schicksalsgemeinschaft: “Die europäische Idee ist mehr als Markt und Währung.“

Wer von außen komme oder aus Ländern zurückkehre, die weniger demokratisch seien, der merke erst, dass Europa Heimat sei, die Völker verbunden wären. In einem nachdrücklichen Plädoyer wandte sich Westerwelle gegen Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit. Nicht zur Wahlurne zu gehen sei eine Ohrfeige für die vielen Millionen Menschen, die keinen Zugang zu freien Wahlen hätten oder aber ihre Stimme mit Gefängnis oder gar dem Leben bezahlten.

„Europa ist die Antwort auf die Globalisierung

Nachdenklich wurde manch Europa-Skeptiker, als Westerwelle – nun kurz doch nicht mehr gänzlich unpolitisch – einen flammenden Appell an die Zuhörer richtete: „Wer sich über Brüssel ärgert, sollte trotzdem nicht der Versuchung erliegen, die EU in Frage zu stellen. Es muss ein besseres Europa, aber immer ein `ja` zu Europa sein. Es wird uns auf Dauer nicht gut gehen, wenn es unseren europäischen Nachbarn schlecht geht.“ Westerwelle sieht Deutschland als stärksten Partner in Europa, aber: “Immer auf Augenhöhe. Wir wollen niemanden bevormunden und uns über niemand erheben.“

Am Beispiel Chinas, noch vor 30 Jahren Entwicklungsland, heute der größte Handelspartner Deutschlands, verwies Westerwelle auf die Verschiebung der Gewichte in der Welt. In wenigen Jahren würden in China drei Mal mehr Menschen leben als in der gesamten EU. „Europa ist die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft“, sagte Westerwelle. Deutschland sei zwar in der EU groß, aber in der Welt – auf sich allein gestellt – dennoch klein.

Der deutsche Vorsprung liegt für den FDP-Politiker durchaus in den produktiven Stärken: „Wir vermarkten Vorsprung – schneller, pfiffiger, zuverlässiger, kreativer.“ Dieses Gedankengut werde jedoch nicht in „graumäusigen Gesellschaften“ erfunden, sondern nur dort, wo ethische und demokratische Werte herrschten. „Da gedeihen Kreativität durch Freiheit und den Wettbewerb der Gedanken.“

Dementsprechend bezog Westerwelle auch Stellung zum neuen Leistungsschutzgesetz. Geistiges Eigentum dürfe nicht in Frage gestellt werden, nur weil im Internet alles verfügbar sei. „Wie wollen wir uns gegen Produktpiraterie beispielsweise in China wehren, wenn wir das zuhause nicht schätzen.“ Der Schutz des geistigen Eigentums solle nicht schlechter organisiert sein als der Schutz des sachlichen Eigentums. Jede Form der Kunst sei vor Diebstahl schützenswert, betonte der Außenminister, der sich selbst als leidenschaftlichen Kunstinteressierten und Sammler outete.

Kultur-Talk

Nach den kulturpolitischen Betrachtungen Westerwelles kamen die Teilnehmer der Gesprächsrunde zu Wort. Interviewt wurden sie von Kulturjournalist Vladimir Balzer.

Jan Fleischhauer, Spiegel-Journalist und Autor, die Malerin Sabina Sakoh, Schauspielerin Julia Beerhold und der kulturpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reiner Deutschmann, gingen in „media res“ und sprachen über die tägliche Kultur-Praxis und ihren diesbezüglichen Erfahrungsbereich.

Die Schauspielerin Julia Beerhold ist seit Februar 2009 im Vorstand des Bundesverbands der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) und möchte die Kollegen vor allem in den Themenbereichen “Soziale Absicherung” und “Verbesserung der Arbeitsbedingungen” unterstützen. Sie sprach engagiert und gab etliche Beispiele, wie schlecht eben diese Arbeitsbedingungen eines Schauspielers aussehen. Der Wechsel zwischen abhängiger und freier Tätigkeit sei gerade in der Schauspielbranche gang und gäbe. „Unser Mindestlohn beträgt unter Umständen 0 Euro“ sagte Beerhold. „Ich könnte viele Beispiele bekannter Schauspieler nennen, die im BFFS Mitglied sind.“ Namen wollte Beerhold allerdings keine nennen. „Ich sage nur soviel: „Keine Rente bekommen, aber toller Tatortkommissar sein“.

Auch die Malerin Sabina Sakoh outete sich als Idealistin mit geringem Gehalt. „Du musst bereit sein, mit wenig auszukommen“, sagte sie. „Trotzdem könnte ich mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen“. Der Kunstmarkt sei aufregend zu beobachten. Dessen Preise wiederum seien unberechenbar und nicht zu steuern. In ihren altmeisterlichen, großformatigen Werken, von denen das eine oder andere auch bei Guido Westerwelle hängt, gibt sie Themen Raum wie Toleranz und Religion, sucht nach „Vision und Wirklichkeit“.

Jan Fleischhauer, gerade von einer Reise aus Ägypten zurückgekommen, brach eine Lanze für den Tourismus, der in Ägypten völlig daniederliege. „Die Leute sind verzweifelt, weil jeder achte Arbeitsplatz vom Tourismus abhängt.“ Bislang sei dort aber noch kein Tourist zu Schaden gekommen. „Die Deutschen werden bewundert und respektiert in der Welt“.

Fleischhauer sprach offen darüber, wie es ist, als Journalist konservativ zu denken. „Im Journalismus denken 80 Prozent der Journalisten links“. Auch das neu verabschiedete Leistungsschutzrecht, in dem geistiges Eigentum geschützt werden soll, kam zur Sprache. „Es ist ein Versuch, Antworten zu finden“, so Fleischhauer. Die meisten Menschen hätten von Haus aus Gefühl dafür, Eigentum, ob materiell oder geistig vorhanden, zu respektieren.

„Man müsste dieses Gesetz in einen weltweit gültigen Rahmen bringen“ meinte Reiner Deutschmann dazu. „Journalisten wie Kunstschaffende oder Schauspieler müssen von ihren Erzeugnissen leben können“.

Lange hätte man der Diskussion noch zuhören können – die Thematik wäre noch ausbaufähig gewesen. Die knapp bemessene Zeit monierte auch Schauspielcoach Martin Leitzinger, der extra aus Stuttgart angereist war. Schauspielerin Julia Beerhold lud ihn deshalb nach der Veranstaltung zu weiteren konstruktiven Gesprächen ein. (Licht/Ahme)

 

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