Thomas Hitschler in der Türkei: Flüchtlingslager und deutsche Soldaten besucht – Gespräche mit Regierungsvertretern

23. Dezember 2014 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Politik regional, Regional

Mit dem “Gelben Band” überreichte Thomas Hitschler Grüße aus dem Bundestag an die Soldaten der Bundeswehr vor Ort.
Fotos: v. privat

Südpfalz/Türkei – Die Frage der Flüchtlinge aus den Kriegs- und Krisengebieten beschäftigt die Republik, Bundesländer und Kommunen. Überfüllte Heime, zu wenig Personal, Vorbehalte in Teilen der Bevölkerung – versagt Deutschland bei der Flüchtlingspolitik? Wer sind die Menschen, die nach Deutschland kommen, um hier Schutz vor Krieg und Zerstörung zu suchen?

Thomas Hitschler, SPD-Bundestagsabgeordneter der Südpfalz, der auch Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestags ist, hat sich vor Ort in der Türkei ein Bild von der Lage gemacht. Er mache „ungern Politik vom Schreibtisch aus“, sagte Hitschler.

So besuchte er ein Flüchtlingslager in Kahramanmaraş an der türkisch-syrischen Grenze und die an der „Operation Active Fence“ beteiligten Bundeswehrsoldaten, führte Gespräche mit Vertretern der türkischen Regierung und Opposition und der deutschen Entwicklungszusammenarbeitsorganisation GIZ.

In Ankara traf Hitschler im türkischen Außenministerium den Generaldirektor Naher Osten, Can Dizdar, mit dem er sich intensiv über die Situation austauschte.

Die Lage sei sicherheitspolitisch bedrohlich, sagt Hitschler: „An den Grenzen tobt der Bürgerkrieg. Trotzdem hat die Türkei 1,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Das ist sowohl innenpolitisch wie auch außenpolitisch eine große Herausforderung.“ Zum Vergleich: Die Bundesrepublik beherbergt derzeit etwa 55.000 Flüchtlinge.

Die Türkei wünsche sich mehr Unterstützung von Europa: „Eine Forderung, die übrigens auch von der oppositionellen Partei HDP gestellt wird. Vor allem in der Flüchtlingsfrage fühlt sich die Türkei allein gelassen, trotz der 500 Millionen Euro Sachleistungen, die Deutschland an die syrischen Nachbarstaaten leistet.“

Die Türkei selbst hat bereits 4,5 Milliarden investiert, um die vom Krieg Vertriebenen zu unterstützen und zu versorgen.

Trister Lageralltag: Über 3 Millionen Syrer sind auf der Flucht.

Die Eindrücke im Flüchtlingslager am Rand von Kahramanmaraş seien bedrückend gewesen, so Hitschler. 17.000 Menschen leben dort, die meisten in Zelten. Das Lager sei dennoch professionell und gut organisiert.

Es gebe ein Supermarktsystem mit Chipkarten, auf die jeweils Beträge gebucht werden. So könnten sich die Flüchtlinge selbst versorgen und in einer Gemeinschaftsküche kochen, berichtet Thomas Hitschler. „Das klappt sehr gut.“

Die Worte Flüchtlinge oder Asylbewerber würden dort übrigens nicht verwendet: „Man nennt die Menschen Gäste.“

Der Alltag sei dennoch trist: „Es herrscht eine große Hoffnungslosigkeit, in absehbarer Zukunft wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Viele haben Nahestehende im Bürgerkrieg verloren oder bangen um ihre Verwandten. Viele Menschen im Lager sind kaum älter ich es bin. Mir eine ähnliche Situation für mich, meine Freunde oder Verwandten vorstellen zu müssen, hat mich da schon sehr mitgenommen.“

Besonders tief ins Gedächtnis gegraben habe sich eine verzweifelte Frau und  die Zeichnungen syrischer Kinder: „Kurz nach meiner Ankunft drängte sich die Frau in meine Nähe und übergab mir einen Zettel mit den Daten ihres Mannes, der sich wohl in Deutschland befände“, berichtet Hitschler.

„Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt versuchen wir nun, die Hoffnungen dieser Frau erfüllen und die Trennung dieser Menschen zu überwinden.“

Die Zeichnungen der Kinder seinen von Kämpfen, Blut und Tod geprägt. Aber auch Wünsche drückten die Kinder zeichnerisch aus. Statt kriegerischer Elemente seien oft auch friedliche Landschaften und Arbeiter auf dem Land zu sehen.

Unter anderem hat Hitschler im Lager einen Mediziner, einen Nierenspezialisten, kennengelernt, der seit über einem Jahr mit seiner Familie in einem Zelt lebt. Die ehemals bürgerliche Existenz ist verloren: „Die Menschen möchten natürlich so schnell es geht in ihre Heimat zurück und das Land wieder aufbauen.“

Gelbes Band für die die deutschen Soldaten

Hitschler besuchte auch die deutschen Soldaten, die für die „Operation Active Fence“ im Einsatz sind. Seit Januar 2013 beteiligt sich Deutschland an einem defensiven Einsatz, der syrische Raketenangriffe abwehren soll.

Mit dabei ist ein Lustadter, Angehöriger des Luftwaffenausbildungsbataillons Germersheim. Die deutsche Beteiligung werde von türkischer Seite als wichtigen Beitrag für die Sicherheit des Landes gesehen, so Hitschler. Auch das deutsch-türkische Verhältnis profitiere davon, die Türkei sei froh über diese Unterstützung.

Die Bundeswehr sei gut integriert und die Zusammenarbeit mit dem türkischen Militär laufe hervorragend, sei ihm von den Soldaten vor Ort versichert worden. Es gebe einen regen Austausch. Anfängliche Probleme etwa im sanitären Bereich seien mittlerweile behoben und mit Unterbringung sowie mit der Versorgung habe sich die Truppe sehr zufrieden gezeigt. Auch wenn der „Islamische Staat“ schwächer zu werden scheine, sei die Sicherheitslage dennoch weiterhin angespannt.

Als eine „besondere Ehre“ bezeichnete Hitschler die Überreichung des Gelben Bands, die Solidaritätsgrüße aus dem Deutschen Bundestag. Gerade zur Weihnachtszeit sei die Trennung von ihren Familien für die Truppenangehörigen besonders hart. „Da wir Parlamentarier auch darüber entscheiden, die Bundeswehr in solche Auslandseinsätze zu schicken, ist ein solches Zeichen des Danks mehr als angebracht.“

Ein kleines Stück Heimat: Pfälzer Leckereien für die Bundeswehrangehörigen an der türkisch-syrischen Grenze.

Ein paar besondere Weihnachtsgrüße hatte Hitschler zusätzlich dabei: Dosen-Hausmacher mit pfälzer Leberwurst und Christstollen waren mehr als willkommen.

Syrienkrise und Flüchtlingsfrage: „Das wird uns noch lange beschäftigen“

Bei seiner Rückkehr habe er nach der Landung als erstes vom Brand im Nürnberger Flüchtlingsheim erfahren: „Wenn man gerade die Situation der betroffenen Menschen in den Krisengebieten erlebt hat, ist das ziemlich beschämend.“ Meist werde in Deutschland zudem wenig unterschieden zwischen der Migrations- und Flüchtlingsdebatte.

Eine schnelle Lösung sei in der Syrien- und damit in der Flüchtlingsfrage sei nicht in Sicht, so die Einschätzung Hitschlers.

Man könne versuchen, die IS einzudämmen, die Peschmerga zu schulen, Initiativen und Unterstützung anzubieten, aber: „In den nächsten Jahren werden wir in der Region keinen einfachen Frieden erreichen können. Was wir tun können, ist den Flüchtlingen zu helfen. Und eines Tages, sollte einmal wieder Frieden eingekehrt sein,  Aufbauhilfe leisten“, so Hitschler.

Auch Europa solle ein größeres Engagement zeigen: „Das wäre nicht nur ein Zeichen von Menschlichkeit und Solidarität, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Nahen und Mittleren Osten.“ (cli)

 

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Ein Kommentar auf "Thomas Hitschler in der Türkei: Flüchtlingslager und deutsche Soldaten besucht – Gespräche mit Regierungsvertretern"

  1. W. Earp sagt:

    Warum müssen 400 deutsche Soldaten die Großtürkische Armee mit 750.000 Mann beschützen, die über tausende Panzer, Kampfhubschrauber und modernste Kampfflugzeuge verfügt? Haben diese 750.000 türkische Soldaten die Hosen voll vor den 50.000 syrischen Soldaten die es gibt und die mit den Terroristen im Land genug zu tun hat? Und blickt die deutsche Regierung nicht durch, dass der Anlaß zu der Stationierung ein „false flag“ Unternehmen der Türkei war mit Nato Granaten das eigene Land beschossen und eigene Leute getötet hat? Was haben wir nur für Politiker?