Symposium Bürgerbeteiligung als „Lernort“ und fortschreitender Prozess: Ideensammlung und Reflexion

18. Oktober 2014 | Kategorie: Allgemein, Landau, Politik regional, Regional

Wie könnte Bürgerbeteiligung im Fall Landaus aussehen? Darüber machte man sich im Alten Kaufhaus Gedanken.
Foto: stadt-landau

Landau. Der Stadtrat der Stadt Landau hatte am 25. Februar 2014 nach politischen Anträgen der CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen einstimmig beschlossen, dass ein Symposium zum Thema Bürgerbeteiligung stattfinden solle. Dieses Symposium  wurde nun umgesetzt und fand kürzlich  im Alten Kaufhaus statt.

„Landau ist eine starke Stadt, die sich über die Jahre hinweg immer weiter positiv entwickelt hat, auch weil sich Bürger innerhalb außerhalb der politischen Gremien beteiligt haben“, so Oberbürgermeister Hans-Dieter Schlimmer, der damit einhergehend beispielsweise die Kinderstadtpläne, die Beteiligungsprozesse zur Stadtentwicklung wie zur Ostbahnstraße, dem Ober- und Untertorplatz, der Landauer Fußgängerzone, aber auch das Integrationskonzept und den Prozess zur Familiengerechten Kommune nannte.

OB Schlimmer: „Symposium als Lernort“.
Foto: stadt-landau

Schlimmer und der Politik insgesamt ist jedoch auch klar, dass die Bürgerbeteiligung „in ihrem Begriffsverständnis nicht nur erweitert, sondern auch als fester Bestandteil Kommunaler Willensbildung fest verankert werden muss“, so der Oberbürgermeister, der die Veranstaltung vor allem als „Lernort“ verstanden wissen wollte.

So sei  Ziel des Symposiums, mögliche Beteiligungsfelder und –methoden in Form einer öffentlichen Podiumsdiskussion zu erörtern und Anregungen für Landau zu erhalten.

Nach einem Impulsreferat von Prof. Dr. Ulrich Sarcinelli  moderierte Prof. Dr. Ursula Stein, Büro Stein+Schultz, die Podiumsdiskussion. An der Diskussion beteiligten sich Christine Baumann (Landtagsabgeordnete a. D., Vorsitzende Seniorenbüro), Prof. Dr. Manuela Glaab (Universität Koblenz-Landau),Dr. Fritz Marz (Mehr Demokratie e.V.), Dr. Wolfgang Neutz (Hauptgeschäftsführer des Städtetags Rheinland-Pfalz), Hanns-Jörg Sippel (Stiftung Mitarbeit),Marcel Solar (Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) und Theresa Steffens (Wer denkt was GmbH).

Prof. Dr. Ulrich Sarcinelli stellte fest, dass einige schon bestehende gesetzlich normierte Formen der Bürgerbeteiligung hohe Hürden haben. Vor diesem Hintergrund müsse man Leitlinien erarbeiten, die eine langfristige Strategie der Bürgerbeteiligung bedeute und einen niederschwelligen Zugang  ermöglicht sowie projektbezogen sind.

Dabei stellte er fest, dass Bürgerbeteiligung kein Zustand, sondern ein Prozess sei der immer weiter voranschreitet und daher auch immer wieder Veränderungen mit sich bringen wird. Außerdem solle man sich nicht der Illusion hingeben, dass Bürgerbeteiligung ein Garant für die Befriedung von Konflikten sei.

Dem stimmten auch die Podiumsteilnehmer zu und waren sich im Laufe der Diskussion einig, dass für eine wirkungsvolle Bürgerbeteiligung Informationen schon zu einem frühen Zeitpunkt des Prozesses für alle vorhanden sein müssten. Gleichzeitig ist jedoch auch allen klar, dass Bürgerbeteiligung in einem transparenten und ernst gemeinten Prozess nicht kostenlos zu haben sei und Geld koste.
Oberbürgermeister Schlimmer kündigte an, dass die in diesem Symposium gesammelten Ideen, Anregungen und Erkenntnisse gesammelt wurden und anschließend ausgewertet werden. In einer weiteren Veranstaltung werden diese dann reflektiert und der „Fahrplan“ für die weitere Vorgehensweise  wird vorgestellt werden.

Stimmen aus dem Landauer Stadtrat zur Veranstaltung:

Maximilian Ingenthron, Fraktionsvorsitzender der SPD im Landauer Stadtrat: „Hätte mir konkretere Beispiele gewünscht“

Dr. Maximilian Ingenthron.
Foto: red

Das Symposium sei ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer Stärkung und einem Ausbau der Beteiligung von Bürgern an der politischen Willensbildung. „Niemand durfte die Erwartung haben, dass an dem Abend alle Probleme einvernehmlich gelöst und die dabei gegebenen Anregungen unmittelbar am nächsten Tag umgesetzt werden können“, macht Ingenthron klar.

„Wobei man vielleicht hätte noch stärker auf konkrete Beispiele hätte eingehen können, an denen sich Landau orientieren könnte.“

„ Es war zunächst einmal hilfreich, dass wir einige grundsätzliche Fragen erörtern konnten, die uns helfen werden, die nächsten Schritte zu gehen und wir uns ein Stück weit überhaupt bewusst gemacht haben, was Bürgerbeteiligung eigentlich ist und welche Ausprägungen sie haben kann.“

Besonders interessant empfand Ingenthron  die Aussage, dass es nicht in erster Linie darauf ankomme, dass die Ergebnisse repräsentativ seien, sondern dass es vor allem um die Möglichkeit gehe, sich zu informieren und an Prozessen mit eigenen Ideen zu beteiligen.

„Bürger können sich also informieren und selbst einbringen. Es wird dann aber auch an ihnen liegen, wie erfolgreich der Prozess ist. Ich bin durchaus nicht der Meinung, dass es nicht nur um eine „Bringschuld“ der Verwaltung geht, sondern auch darum, dass die Menschen sich als aktive Staats-und Stadtbürger verstehen, die ihren Beitrag zu einer Weiterentwicklung Landaus leisten. Bürgerbeteiligung muss also auf beides hinauslaufen: mehr Offenheit der Verwaltung und eine aktivere Bürgerschaft.“

Es gehe dabei nicht alleine um eine netzbasierte Beteiligung, sondern auch um den direkten Austausch und die Frage, ob Bürgerbeteiligung auch in festeren Strukturen erfolgen könne oder solle. Ingenthron denkt dabei  an die Arbeit von Interessenvertretungen wie Senioren-oder Jugendbeiräte oder die Erfahrungen von Büros, die Beteiligungsprozesse in Kommunen planen und durchführen. „Wir brauchen noch mehr Informationen zu Formen der dauerhaften und zur projektbezogenen Beteiligung. Das sollte unbedingt in einem nächsten Schritt erfolgen.

Wir müssen aber auch sehen, was ein Mehr an Bürgerbeteiligung tatsächlich kostet. Es wurde ja beim Symposium deutlich, dass das nicht zum Nulltarif zu haben ist. Wir müssen also den Aufwand und den möglichen Ertrag abwägen.

Wie gesagt: die Erfahrungen anderer Städte werden uns hier aber sicher weiterhelfen und künftige Entscheidungen auf eine sicherere Grundlage stellen. Alles ist allem werden wir aber unseren eigenen Weg, eine Landauer Lösung, erarbeiten müssen.

Wenn alle, die daran Interesse haben, aktiv mitwirken, dann bin ich zuversichtlich, dass das gelingen wird.

Peter Lerch, CDU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat: „Anregungen ja, aber zu theorielastig und wenig praktische Hinweise“

Peter Lerch.
Foto: red

„Alle reden von Bürgerbeteiligung, aber konkret tut sich wenig“ so CDU-Fraktionschef Peter Lerch und sein Fraktionskollege Cyrus Bakhtari. Und beide legen nach: „So richtig das Symposium zu diesem Thema war, so richtig auch eine Grundsatzdebatte hierzu ist, so wichtig ist es aber, nun in eine konkrete Umsetzung zu kommen“. Deshalb will die CDU-Stadtratsfraktion, Bewegung in die Diskussion bringen.

Lerch persönlich hat das Einstiegsreferat von Prof. Sarcinelli am meisten überzeugt. „Es hat mir am  meisten gebracht“, so Lerch.

„Wie Sarcinelli erwähnte, bedarf es einer wohl abgewogenen Überlegung, welche Themen wann für eine Bürgerbeteiligung geeignet sind und welche nicht. Dann könnte dies in eine zu erstellende Ablaufstruktur aufgenommen und beschlossen werden.“

Um die Sache auf einen ersten konkreten Punkt zu bringen habe die CDU-Fraktion konkret vorgeschlagen zu der Entscheidung über die Aufstellung von Windkrafträdern im Landauer Wald die Bürger zu beteiligen.

„Wir halten die Themen Windenergie und hier speziell Windräder im Pfälzer Wald für geeignet um eine breite Bürgerbeteiligung herbeizuführen, weil jeder Landauer sich ohne große Mühe hierzu eine eigene Meinung bilden kann“, so Bakhtari.

Bei der Windenergie auf städtischem Gebiet (hauptsächlich am Taubensuhl) wäre zuerst zu klären, dass dadurch das Prädikat „Biosphärenreservat“ für den Pfälzer Wald nicht gefährdet würde. Wenn ja, hätte sich das Thema für die CDU-Fraktion eh erledigt.

Wenn nein, sollten die Landauer Bürger, wie dies schon Bürgermeister Thomas Hirsch gefordert hat, zu einem Bürgerentscheid aufgerufen werden. „Da für eine solche Entscheidung nicht nur rationale Argumenten, sondern auch die emotionalen Einstellung von Bedeutung ist, würde sich dieses Thema geradezu für eine Entscheidung durch alle Landauer aufdrängen“, so Lerch.

Wie bei der Entwicklung des Boulevards Ostbahnstraße sollte vor wichtigen, weitreichenden Entscheidungen, immer die Frage der adäquaten Bürgerbeteiligung aufgeworfen werden. „Dazu sehen wir uns als CDU-Fraktion in der Pflicht, fordern aber auch die Verwaltung auf hierzu Vorschläge und Themen zu unterbreiten, welche hierfür geeignet sind“, sieht Lerch alle in der Verantwortung.

„Nicht, dass die CDU-Stadtratsfraktion zu diesen Themen nicht in der Lage wäre sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Wenn wir das Thema Bürgerbeteiligung jedoch wichtig nehmen, dann müssen wir vor weitreichenden Entscheidungen nun ernst machen und unsere Bürger in die Entscheidungsfindung stärke einbeziehen.

Die CDU-Fraktion jedenfalls hätte kein Problem die Ergebnisse dieser Beteiligung dann auch zu akzeptieren und umzusetzen – gleich, ob uns dies dann passt oder nicht“ so unisono Bakhtari und Lerch.

Lukas Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat: „Glaab und Solar überzeugten mich“

Lukas Hartmann.
Foto: red

„Das Symposium hat klargestellt, dass breit angelegte und umfassende Information der Bürger eine Grundvoraussetzung für Beteiligung darstellt. Dieses Ziel ist aber nur mit einer angemessenen Berücksichtigung durch politische Akteure ebenso wie durch die Verwaltung und mit ausreichenden Mitteln im Haushalt zu erreichen.

Mich überzeugten vor allem Professor Manuela Glaab und Marc Solar. Beide hielten Bürgerbeteiligung als eine Ergänzung unserer repräsentativen Demokratie fest, die für mehr Zufriedenheit und Beteiligung sorgen kann.

Der Rat muss deshalb seine Verantwortung bei schwierigen Entscheidungen wahr nehmen – und seine eigene Legitimation durch eine höhere Wahlbeteiligung sicherstellen.

Die Ratsfraktionen waren sich einig an einem weiteren Abend gemeinsam Möglichkeiten erweiterter Bürgerbeteiligung auszuloten. Auch wenn wir kein Teil der Mehrheitskoalition aus CDU, SPD und Freien Wählern sind, stehen wir dafür selbstverständlich zur Verfügung. Dabei werden wir uns für ein umfassendes Bürgerinformationssystem einsetzen.

Für die Zukunft halte ich Abstimmungen und Befragungen über äußerst wichtige und neu aufkommende Themen für wichtig – vor allem dann,  wenn sie bei der letzten Kommunalwahl kein Thema waren.“

Myriam Kern, AfD-Stadtratsfraktion: „Die Bürger sind der Stadtchef“

 

Myriam Kern.
Foto: red

„Immer mehr Menschen sind parteienmüde, aber nicht politikverdrossen! Lediglich 15 bis 20 Prozent der Bürger haben noch Vertrauen in die Parteien“, sagte Marc Solar, einer der Referenten, der Myriam Kern an diesem Abend beeindruckt hat.

Für Kern ist klar: Die Politik muss endlich handeln und die Bürger stärker in den politischen Prozess mit einbeziehen. Mehr Mitbestimmung durch Volksbegehren und Volksentscheide nach Schweizer Vorbild sind für sie das Herzstück im AfD Parteiprogramm.

Kern: „Die Schweiz ist für mich hier Vorbild. Sie ist durch ihre Volksentscheide eine Direktdemokratie und für mich somit die einzig wirkliche Demokratie auf der Welt. 50 Prozent der Volksentscheide weltweit kommen aus der Schweiz.“

Auch in Deutschland sei dies möglich, so Kern. Das Grundgesetz verbiete direktdemokratische Partizipationsfpormen keineswegs. Vielmehr besage Artikel 20 (2) ausdrücklich: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen…ausgeübt“ „Leider haben wir dies nie verwirklicht“, so Kern, „es gibt keine bundesweiten Volksentscheide. Damit fehlt uns ein tragfähiges Gegengewicht zum Parteienstaat, der uns ja in vielen Bereichen in die Misere gebracht hat.“

Die Frage sei, bei welchen Themen die Bürger ein Mitspracherecht erhalten sollten. Hier zeigt Kern sich offen für die zahlreichen Anregungen des Symposiums: Zum einen könne die Stadt eine Vorgabenliste erstellen, auf der rechtzeitig die Bürger über neue Themen informiert werden. Es gälte, die Bürger rechtzeitig in die Prozesse einzubinden.

Zum anderen sollten auch Bürger Themen vorschlagen können, hierfür könnte man eine Art „Ideenfabrik“ als Onlinedatenbank abbilden, in der die Bürger die Gelegenheit erhalten, ihre Themen direkt an die Stadt mitzuteilen. Natürlich sollte es hierfür auch eine Postadresse und einen telefonischen Ansprechpartner geben.

Kern: “Es gibt viele Themen die die Bürger in Landau bewegen. In der Vergangenheit beispielsweise hätte die Stadt ihre Bürger darüber mitentscheiden lassen können, ob Landau bei der Landesgartenschau mitwirken soll.

Aktuell könnte Landau die Bürger befragen, ob man das Festungswerk 38 retten wolle. Speziell bei diesem Fall könnte man die Bürger nach ihren Ideen für eine Rettung des Baudenkmals befragen. „Ich bin der Meinung, die Menschen in unserer Stadt sind sehr kreativ und ideenreich. Wir nutzen wertvolle Ressourcen nicht.“

Ein Bürger sei vor ein paar Tagen auf sie zugekommen und habe vorgeschlagen, einen „Werk 38 Fonds“ einzurichten. Seine Idee: Jeder Bürger könnte eine Art „Werk 38 Aktie“ kaufen und wäre somit Teilhaber. „Natürlich muss man solche Ideen hinsichtlich ihrer Machbarkeit prüfen, doch ich halte nichts davon, solche Ideen vorab zu verwerfen. Die Grundidee finde ich schlicht genial.“

Bürgerbeteiligungen und –entscheide könnten nur erfolgreich sein, wenn die Betroffenen mobilisiert und zu Beteiligten werden, so Kern. Die AfD werde dieses Thema in Zukunft weiter vorantreiben und  diverse Konzeptvorschläge entwickeln. (desa/stadt-landau/red)

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