Südpfälzer Bundestagskandidaten liefern sich lebhafte Diskussion: Kommunales Wahlrecht für Ausländer – ja oder nein?

2. September 2013 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Politik regional, Regional

 

Podiumsdiskussion der südpfälzer Bundestagskandidaten zum Thema „kommunales Wahlrecht für Alle“.
Fotos: Licht
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Landau – Wer darf den Bürgermeister mitwählen in der Gemeinde, in der er lebt? Den Stadtrat? Und damit die vielen Entscheidungen, die das alltägliche Leben prägen? Nur Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft oder auch Nicht-EU-Bürger, die jedoch ihren Lebensmittelpunkt in der jeweiligen Stadt haben?

Darüber diskutierten am 29. August die Migrationsbeiräte Ziya Yüksel (Beirat Kreis Germersheim) Aydin Taș (Beirat Landau) und Metin Istanbullu (Beirat Wörth) mit den Bundestagsdirektkandidaten der Südpfalz.

Die Migrationsbeiräte sind Initiatoren der Kampagne „Demokratie braucht jede Stimme“, mit der sie sich für das Wahlrecht für Ausländer, die nicht der Europäischen Union angehören, stark machen.

Zur Diskussion stellten sich Sebastian Frech (Linke) Christian Kopp (FDP, Kreisverband Kaiserslautern), Kim Orth (Piraten), Thomas Hitschler (SPD), Dr. Tobias Lindner (Grüne) und Dr. Thomas Gebhart (CDU). Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Prof. Ulrich Sarcinelli.

Ziya Yüksel gab einen kurzen Überblick zum Stand der Kampagne. Demnach wurden insgesamt etwa 1.000 Unterstützer-Unterschriften gesammelt. Yüksel rief die Parteien dazu auf, das Thema in der nächsten Kommunalwahl mitaufzunehmen. Man habe auch bereits Schreiben in die Städte und Gemeinden geschickt, berichtete Yüksel, jedoch aus Wörth und Germersheim sowie von Landrat Dr. Fritz Brechtel keine Antwort erhalten.

Hingegen würden Landrätin Theresia Riedmaier, Landaus OB Schlimmer, Jockgrims Verbandsgemeindebürgermeister Schwind und ganz besonders der Offenbacher Bürgermeister Axel Wasyl das Vorhaben unterstützen. Letzterer hatte sogar einen aufmunternden Brief an die Beiräte geschrieben, den Yüksel öffentlich verlas.

Stellungnahmen der Parteienvertreter

Den Anfang zur Stellungnahme für die Parteien machte Sebastian Frech als Vertreter der Linken. „Wir wollen diese Teilhabe an der Gesellschaft auf jeden Fall“, sagte Frech. „Wer hier seinen Lebensmittelpunkt hat, soll auch wählen dürfen.“ Für die Linke erstreckt sich dies sogar auf das allgemeine und nicht nur auf das kommunale Wahlrecht. Ein Familiennachzug solle ohne bürokratische Hürden jederzeit möglich sein, ebenso die doppelte Staatsbürgerschaft.

Christian Kopp von der FDP sprach sich ebenfalls für die doppelte Staatsbürgerschaft aus. „Wir sind stolz darauf, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist“, sagte Kopp. „Und wir müssen der Bevölkerung die Angst vor Überfremdung nehmen.“ Allerdings favorisiert die FDP ein Wahlrecht nach einem Mindestaufenthalt von fünf Jahren. Und: „Die deutsche Sprache sollte man kennen“, so der FDP-Politiker.

Kim Orth von den Piraten stellte klar: „Wir wollen das Wahlrecht für alle. Wir gehen sogar noch weiter: Die Teilhabe soll sich auch auf Bürgerentscheide, Petitionen etc. erstrecken. Kostenlose Lernkurse werden und spezielle Lehrkräfte werden gebraucht“, bekräftigte Orth. Zudem solle auch die Muttersprache der Migranten anerkannt und gefördert werden.

Eindeutig äußerte sich auch Thomas Hitschler von der SPD: „Kommunales Wahlrecht: Ein klares `Ja`. Doppelte Staatsbürgerschaft: Ebenfalls ein klares `Ja`.“ Er stehe generell aus voller Überzeugung dazu. „Die hier lebenden Migranten dürfen zwar Steuern bezahlen, aber nicht mitbestimmen, welche Farbe der Blumentopf in ihrer Straße hat“, sagte Hitschler. „Das kann nicht sein.“ Zudem müsse man die Anerkennung von Berufsabschlüssen im Ausland dringend erleichtern und das Förderprogramm „Soziale Stadt“ ausbauen.

Auch Dr. Tobias Lindner von den Grünen sprach sich für ein kommunales Wahlrecht aus. Beim allgemeinen Wahlrecht solle man jedoch am besten auf EU-Ebene mit den dafür zuständigen Parlamenten beginnen, sagte der Grünen-Politiker. Wie bei der SPD befürwortet  Lindner die Abschaffung des Optionszwangs der Staatsbürgerschaft und das Modell „Soziale Stadt“. Und: „Berufsabschlüsse aus dem Ausland müssen anerkannt werden“, so der Bundestagsabgeordnete. „Zum Glück ist ja bereits in Rheinland-Pfalz die Residenzpflicht für Asylbewerber Geschichte.“ Lindner wünscht sich auch eine „faire Verantwortungsaufteilung für Flüchtlinge“.

Dr. Thomas Gebhart sieht das anders. Klar und deutlich bekannte er sich als Vertreter der CDU gegen ein Wahlrecht ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Er halte davon wenig: „Das Wahlrecht muss gekoppelt sein an die Staatsbürgerschaft“, unterstrich Gebhart. Nichtsdestotrotz liege ihm gelungene Integration sehr am Herzen, betonte er. Die Bundesregierung habe schon einiges getan, so beispielsweise die verbesserte Anerkennung von Berufsabschlüssen: „66 Prozent der Anträge werden anerkannt, ca. 30 Prozent teilanerkannt.“ Gute Berufschancen, eine fundierte Ausbildung und Anerkennung in der Gesellschaft seien vorerst wichtigere Punkte als das kommunale Wahlrecht. Auch verfassungsrechtliche Bedenken nannte Gebhart und berief sich auf Artikel 20 des Grundgesetzes.

Was bedeutet Integration?

Was von Menschen gemacht sei, könne auch wieder geändert werden, argumentierte Aydin Taș. Es sei allein eine Frage des Wollens. Metin Istanbullu warf die Frage auf, was genau denn unter Integration zu verstehen sei.

Integration sei jedenfalls nicht gleich Assimilation, antwortete Thomas Hitschler, sondern ein Ankommen in der hiesigen Gesellschaft, bei dem durchaus kulturelle Eigenschaften bewahrt bleiben könnten.

Sebastian Frech kritisierte, Integration würde allzu oft gleichgesetzt mit wirtschaftlicher Verwertbarkeit.

Für Thomas Gebhart bedeutet die Kenntnis der deutschen Sprache den Schlüssel zur Integration genauso wie das Einbringen in die Gesellschaft z. B. in Vereinen. Auch eine berufliche Stabilität sei ein wichtiges Standbein.

Zu einem kleinen Eklat kam es, als Orth und Frech der CDU vorwarfen, „Hass gegen Ausländer zu schüren“. Gebhart verwahrte sich aufs Schärfste dagegen und verlangte die Rücknahme der Äußerung. Während Kim Orth die Bemerkung leicht relativierte, blieb Frech bei seiner Behauptung. Thomas Gebhart betonte: „Hass gegenüber Ausländern oder auch anderen Gruppen ist mit meinem Menschenbild und dem der Union absolut nicht vereinbar.“

Einer war immer ruhig und gelassen: Prof. Sarcinelli, der Politikwissenschaftler, bündelte Fragen aus dem Publikum und moderierte humorvoll und übersichtlich die Diskussion.  Bei ca. 80 Prozent der Teilnehmer bestünden nur graduelle, weniger prinzipielle Unterschiede, so das Fazit Sarcinellis.  (cli)

 

 

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