Stimmen zu Unions-Innenminister-Forderung: Burka-Verbot, Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, Kontrolle von Moschee-Finanzen

10. August 2016 | Kategorie: Nachrichten, Politik
Muslimische Frau mit Burka: Für Viele mittlerweile störender Anblick. Foto: dts Nachrichtenagentur

Muslimische Frau mit Burka: Für Viele mittlerweile störender Anblick.
Foto: dts Nachrichtenagentur

Berlin  – Die Innenminister der Union wollen die Sicherheitsgesetze in Deutschland zur Terrorbekämpfung verschärfen.

Das geht aus dem Entwurf für die „Berliner Erklärung“, hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Die eingeforderten Maßnahmen reichen von der Aufstockung der Polizeikräfte über ein Burka-Verbot und die strengere Kontrolle von Moschee-Finanzen bis hin zur Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, unterstützt das von den Unionsinnenministern geforderte Burka-Verbot.

Schuster sagte am Mittwoch im rbb-Inforadio, dass er eine Vollverschleierung der Frau für kein Zeichen einer offenen demokratischen Gesellschaft halte. Er kenne auch keinen namhaften Islamwissenschaftler, der erklären könne, „aufgrund welcher zwingenden religiösen Vorschrift eine Burka zu tragen ist“.

Angesichts der vielen Flüchtlinge, die seit dem vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen sind, ist ein Teil der deutschen Bevölkerung nach Ansicht Schusters aus Verunsicherung nach rechts abgedriftet. Der Zulauf zu rechtspopulistischen Gruppen überrasche ihn nicht.

Der Präsident des Zentralrats der Juden warnt zudem vor einem neuen Antisemitismus, der auch von den Flüchtlingen ausgehen könne. Die Menschen, die nach Deutschland geflohen seien, müssten integriert werden und dürften nicht in Ghettos untergebracht werden: „Wir sehen das ja in Südfrankreich recht deutlich, inwieweit es durch eine Ghettobildung zu einer Radikalisierung kommt.“

Jüdische Gemeinden könnten dann zum Ziel von feindlichen Äußerungen und Taten werden. Gerade auch die muslimischen Verbände müssten im Rahmen der Integration auf eine offene Gesellschaft hinwirken. „Da sehe ich allerdings Defizite, insbesondere bei Moscheegemeinden und Imamen, die nicht in Deutschland ausgebildet wurden und auch einer anderen Kultur entstammen.“

Gabriel dagegen

Ablehnend äußerte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel zu der Forderung nach einem Burka-Verbot: „Da bin ich einer Meinung mit dem Bundesinnenminister: Man kann nicht alles verbieten, was einem nicht gefällt“, sagte Gabriel.

Die Pläne der Unions-Innenminister für eine Abschaffung des Doppelpasses stoßen auf den entschiedenen Widerstand der SPD: „Die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft ist mit der SPD nicht zu machen“, sagte Gabriel im Interview der „Berliner Zeitung“. „Das wäre das völlig falsche Signal.“ Wer beispielsweise seit Jahrzehnten hier lebende Deutsch-Türken unter Generalverdacht stelle, spiele ungewollt das Spiel des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan: „Wer nicht für mich, ist gegen mich“, sagte Gabriel.

Die deutsche Gesellschaft brauche jedoch nicht weniger, sondern mehr Integration: „Wir dürfen uns durch die Ereignisse in der Türkei nicht kaputtmachen lassen, was wir hier in jahrzehntelanger Arbeit an Integration und Dialog erreicht haben.“

Oppermann: Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft wäre „Riesenfehler“

Natürlich lehnt auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft ab: „Wer jetzt die Inhaber zweier Pässe unter Generalverdacht stellt, macht einen Riesenfehler“, sagte Oppermann der „Süddeutschen Zeitung“ mit Blick auf entsprechende Überlegungen der CDU-Landesinnenminister.

Damit werde „die Loyalität dieser Menschen zum deutschen Staat“ untergraben, so Oppermann weiter. „Deutsch-Türken etwa, die seit Jahrzehnten bei uns leben, treibt ein solcher Vorschlag in die Arme von Erdogan.“

Die doppelte Staatsbürgerschaft helfe „vor allem den jungen Menschen, die in Deutschland aufgewachsen und voll integriert sind“, sagte der SPD-Politiker. „Sie müssen sich nicht mehr für Deutschland und gegen ihre Eltern oder umgekehrt entscheiden. Das haben wir zusammen mit der Union beschlossen und es bleibt auch richtig.“

Auch eine Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht lehnt Oppermann ab. „Abgesehen von verfassungsrechtlichen Grenzen erreichen wir damit auch nicht mehr Sicherheit. Es ist wichtig, dass traumatisierte Flüchtlinge ärztlich behandelt werden. Wer aber kein Vertrauen zum Arzt hat, geht nicht hin. Und wer nicht betreut wird, ist ein höheres Sicherheitsrisiko.“

Hofreiter: Anti-Terror-Pläne der Union „infam und verantwortungslos“

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat die Anti-Terror-Plänen der Unions-Innenminister als „infam und verantwortungslos“ kritisiert.

„Die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft hat mit Terrorbekämpfung nichts zu tun“, sagte Hofreiter den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Derartige Vorschläge zielen aber auch gar nicht auf mehr Sicherheit, sondern auf den Wahlkampf mit der AfD“, sagte der Grünen-Politiker. „Die Unions-Innenminister betätigen sich einmal mehr als Verunsicherungsminister.“

Hofreiter forderte mehr Präventionsarbeit sowie eine bessere Ausstattung und mehr Personal für die Polizei.

Bundesvorsitzender der türkischen Gemeinde kritisiert de Maizière

Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzender der türkischen Gemeinde, hat die geforderte Verschärfung der Sicherheitsgesetze kritisiert. „Thomas de Maizière wird langsam für die Innenpolitik nicht mehr tragbar“, sagte Sofuoglu der „Heilbronner Stimme“ und dem „Mannheimer Morgen“.

Der Bundesinnenminister solle lieber für die Sicherheit aller Menschen in Deutschland sorgen. „Er wird jedoch immer mehr ein Innenminister für die Minderheiten“, so Sofuoglu weiter. „Das Problem von CDU und CSU ist, dass sie in der Innenpolitik immer auf das falsche Pferd setzen.“

Immer schärfere Gesetze zu fordern, helfe der deutschen Politik jedoch nicht, findet Sofuoglu. Vor allem, dass in dem Entwurf auch die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft diskutiert werde, findet Sofuoglu untragbar.

„Mit solchen Debatten senden die Unionspolitiker klare Signale an die AfD. Es muss endlich Schluss damit sein, dass die AfD und die Politik Erdogans in der Türkei die deutsche Innenpolitik prägen“, sagte Sofuoglu, der selbst eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzt.

Würden an türkischstämmige Menschen immer mehr solcher politischer Signale gesendet, schaffe die Politik damit Parallelgesellschaften. „Man zeigt den Türken damit, dass man sie nicht haben will, so wie sie sind.“

Auch das in dem Entwurf vorgesehene Burka-Verbot findet der Bundesvorsitzende der türkischen Gemeinde nicht zielführend. „Wie will man das denn umsetzen? Burkas werden doch höchstens noch von Touristinnen aus Saudi-Arabien getragen“, erklärte Sofuoglu. Die Forderung nach einem Burka-Verbot nannte er „populistisch“.

(dts Nachrichtenagentur/red)

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