Umbenennung Sponeck-Kaserne: Wie soll sie künftig heißen? Lebhafte Diskussion um Vorschläge

8. April 2014 | Kategorie: Allgemein, Kreis Germersheim, Regional

Militärhistoriker Oberstleutnant Thomas Schmitz sprach über die Problematik der Benennung der Hans-Graf-von-Sponekc-Kaserne.
Fotos: pfalz-express.de
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Der Wehrmachtsgeneral Hans Graf von Sponeck ist der Namensgeber der Germersheimer Kaserne, in der heute das Luftwaffenausbildungsbataillon stationiert ist.

Nachdem der US-Historikers Erik Grimmer-Solem schwere Vorwürfe gegen den 1944 in Germersheim auf Befehl Himmlers erschossen Generalleutnant erhoben hatte, wurden diese auch intern von einer militärischen Forschungsgruppe geprüft.

Das Ergebnis: Es soll kein Stab über von Sponeck gebrochen werden – aber nach dem Traditionsverständnis der Bundeswehr ist sein Name für die Kaserne nicht mehr tragbar und wird geändert.

Auf einer Infoveranstaltung im Unterrichtsraum der (noch) Sponeck-Kaserne begrüßte Major Robert Schilling viele Soldaten, Bürgermeister Marcus Schaile, Beigeordneten Norbert König, Kreisbeigeordneten Benno Heiter und Vertreter der Stadtratsfraktionen.

Oberstleutnant Thomas Schmitz, unter anderem zuständig für Militärgeschichte und Traditionspflege, präsentierte die neuesten Erkenntnisse – die so neu tatsächlich gar nicht sind. Bereits 2004, zum 60 Todestag von Sponecks, kamen Fragen auf, die jedoch nicht weiter verfolgt wurden. Erst die Veröffentlichung von Solem-Grimmers Artikel 2013 in einer Ausgabe der “Militärgeschichtlichen Zeitschrift” löste erneut eine Diskussion und weitere Recherchen aus (wir berichteten, Hintergrundinformationen s.unten)

 Damals passend, heute nicht mit Traditionsverständnis vereinbar

1966, als die Kaserne neu gebaut war, habe die Namensgebung genau gepasst, erklärte Schmitz die Zusammenhänge.

Die Legende der sauberen Wehrmacht, die nur militärisch gekämpft, aber keine rassenideologischen Verbrechen begangen habe, sei in dieser Zeit noch den Köpfen der Menschen gewesen. Damals habe es keine Richtlinien zur Traditionspflege gegeben wie heute.

Heute gilt der Traditionserlass von 1982, bei dem die Streitkräfte an Werte Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gebunden sind. „Nach diesen heutigen Maßstäben wäre wohl kein Soldat der Wehrmacht traditionswürdig gewesen“, sagte Schmitz.

Den Stab über den Generalleutnant und Menschen von Sponeck will jedoch niemand brechen. „Wir alle sind Nachgeborene“, sagten sowohl Schmitz als auch Schilling, der den Standort in Abwesenheit von Oberstleutnant Hinze derzeit leitet. „Die Grenzen können in einer Person verschwimmen: Hans Graf von Sponeck war sowohl Gefolgsmann und Täter, aber auch Retter.“

Man wolle nicht urteilen über einen Mann, der in einem Unrechtssystem eingebunden war, wie man es sich heute in einem von Frieden, Freiheit und Wohlstand geprägten Land nicht mehr vorstellen könne.

Es sei deutlich geworden, dass nach den gültigen wertebezogenen Richtlinien der Bundeswehr der Name von Sponeck für die Kaserne nicht mehr tragbar sei. Dennoch habe er auch gute Entscheidungen getroffen, so Schilling.

Eine Name muss her:  Welcher Bezug ist am besten?

Nun stellt sich die Frage: Wie soll die Kaserne künftig heißen?  Grundsätzlich gibt es Benennungsmöglichkeiten nach lebenden Personen, verstorbenen Personen oder einen Namen mit regionalem Bezug.

Schmitz stellte einige Namen vor, die schon länger  gerne vom Ministerium vergeben werden würden, unter anderem Georg Leber, ehemaliger Bundesverteidigungsminister (1972–78) und Bundestagsvizepräsident (1979–83), auch „Vater der Soldaten“ genannt, oder Ludger Hölker.

Hölker, Oberleutnant der Luftwaffe, starb 1964, als er seine Lockheed nach einem Triebschaden im langsamen Sinkflug erst über Bobingen und Straßberg hinweg kontrolliert zu steuern versuchte und so einen Absturz in besiedeltes Gebiet verhinderte. Er hätte sich mit dem Schleudersitz retten können, beschloss, aber ihn nicht zu betätigen, bis er unbewohntes Gebiet erreichte.

Genannt wurden unter anderem auch Wilm – oder Wim – Hosenfeld, ein Wehrmachtsoffizier im Zweiten Weltkrieg, der während der deutschen Besatzung Warschaus vermutlich zwölf Polen und polnischen Juden das Leben rettete. Caesar von Hofacker, ein Offizier der Luftwaffe, der am Attentat vom 20. Juli 1944 auf Hitler beteiligt war, oder Jürgen Schumann, der Pilot der von Terroristen 1977 entführten Flugzeugs „Landshut“.

Schumann war nach Verhandlungen auf dem Flughafen Aden im Jemen freiwillig in die Maschine zurückgekehrt und wurde mit einem gezielten Kopfschuss getötet. Zudem war er einer der ersten Starfighter-Piloten der Luftwaffe.

Bereits anderweitig vorgeschlagen waren die Namen „Pfalz-Kaserne“, „General-Wolfgang-Born-Kaserne“ – Born ist gebürtiger Landauer, trat seinen Militärdienst 1968 in Germersheim an und ist in leitender Funktion bei der Neuausrichtung des Bundeswehr beteiligt- , Heinz-Wolfgang-Spranger-Kaserne und „Ritter-von-Schmauß-Kaserne“ (Friedrich von Schmauß war königlich-bayerischer Offizier und Festungsbaumeister. Er erbaute die Festung Germersheim.)

Lebhafte Diskussion: Personen oder Region

Schnell kristallisierte sich heraus: Die Benennung nach einer noch lebenden Person kommt nicht in Frage. Von Schmauß ebenfalls nicht – als Festungsbauer für die Kriege gegen Frankreich wäre dies kein gutes Signal an die europäischen Nachbarn, sagte Schilling.

Ein Großteil der Anwesenden, Schilling eingeschlossen, bevorzugte einen Namen mit regionalem Bezug wie zum Beispiel „Südpfalzkaserne“ oder auch schlicht „Pfalzkaserne. Dem gegenüber standen zahlreiche Kritiker, die argumentierten, dies sei eine zu bequeme und „unschöne“ Lösung und für Kameraden, die nicht von hier kämen, weniger zur Identifikation geeignet.

Der Name Ludger Hölker fiel mehrmals, Luftwaffenkaserne wurde genannt – und ein ganz neuer Vorschlag wurde angesprochen: Warum nicht die Kaserne nach einem in den letzten Jahren im Auslandseinsatz gefallenen Soldaten der Bundeswehr nennen? Dieser Einwurf kam überraschend und wurde unter unterschiedlichen Aspekten diskutiert.

Deutlich wurde: Die emotionale Beteiligung an den Ereignissen ist groß. Einen endgültigen Beschluss will der Major mit Einbindung städtischer Gremien zeitnah verkünden. Überstürzen allerdings will man die Entscheidung nicht: „Wir müssen ran, aber mit Bedacht und Überlegung“, sagte Schilling. „Wir müssen das alles erst einmal sacken lassen.“ Derweil sind weitere Vorschläge willkommen.

Der ebenfalls anwesende Oberst Nell lobte den Umgang mit der Problematik. Zu gegebener Zeit werde man konsolidierte Vorschläge vorstellen und dann entscheiden.

Auch im Germersheimer Stadtrat am selben Tag war die Namensfindung Thema, Oberstleutnant Schmitz hielt vor den Räten ebenfalls seinen Vortrag. Ein gesonderter Bericht folgt.

Hintergrund: Was war geschehen?

Hans Emil Otto Graf von Sponeck, geboren 1888 in Düsseldorf, galt als lange Zeit als Held und Widerständler gegen Hitler und das Regime.

Der Grund dafür war eine berühmt gewordene Befehlsverweigerung. Während der Kämpfe auf der Halbinsel Kertsch (ein Teil der Halbinsel Krim) befahl Sponeck ohne Rücksprache mit seiner vorgesetzten Kommandobehörde die Räumung von Kertsch, als er erkannte, dass das deutsche XXXXII. Armeekorps rückwärtig abgeschnitten werden würde. In Zeiten von Durchhalteparolen „Stellung unbedingt halten, kämpfen bis zum Tod“  eine Entscheidung, die vielen Soldaten auf beiden Seiten das Leben rettete.

Sponeck wurde wegen „fahrlässigen Ungehorsams im Felde“ zum Tod verurteilt. Adolf Hitler wandelte das Urteil einige Wochen später in sechs Jahre Festungshaft um, die Sponeck im Militärgefängnis in Germersheim antrat. Drei Tage nach dem Stauffenberg-Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er auf Befehl Himmlers ermordet.

Die jüngsten Recherchen den US-Historikers Erik Grimmer-Solem sollen nun ergeben haben, dass der Generalleutnant und sein ihm unterstellter Apparat während des Unternehmens „Barbarossa“ jüdische Gefangene der Roten Armee sowie ungeliebte Zivilisten, vorzugsweise ebenfalls jüdische Bürger, der SS und der Gestapo ausgeliefert hat – im Rahmen des sogenannten „Kommissarbefehls“.  (Dokument: http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/kommissarbefehl/)

Die Anweisung vom 6. Juni 1941 verpflichtete die deutschen Truppen, alle Politoffiziere der Roten Armee im Fall der Gefangennahme zu exekutieren. Ein Mordbefehl, der die systematische Tötung regulärer Kriegsgefangener verlangte. Denn die Kommissare waren Soldaten, die durch den Sowjetstern auf den Uniformen gekennzeichnet waren.

Mittlerweile scheint zweifelsfrei festzustehen, dass von Sponeck diesen Befehl nicht nur ausgeführt, sondern auch noch verschärft durchgeführt hat. Die Anweisung besagte zudem, politische Gefangene und Juden abzusondern – das Synonym für umbringen. Bei Sabotageakten sollte zudem neben den Männern auch gegen Frauen, Kinder und Halbwüchsige vorgegangen werden.

In der Folge sollen unter anderem 2.000 Juden exekutiert worden sein, nachdem von Sponeck die Anweisung zur Zusammenarbeit mit diesem Sonderkommando gegeben hatte.   (cli)

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