Spaziergang mit NABU-Mitglied Joachim Zürker: 90 Prozent der Brachflächen verschwunden

17. Mai 2016 | Kategorie: Allgemein, Kreis Germersheim, Regional
Spaziergang durch die heimische Feldflur: NABU-Gruppenleiter Zürker auf Erklärtour. Fotos: Pfalz-Express/Ahme

Spaziergang durch die heimische Feldflur: NABU-Gruppenleiter Zürker auf Erklärtour.
Fotos: Pfalz-Express/Ahme

Zeiskam. 12 NABU-Gruppen in der Region Süd gibt es. Joachim Zürker ist für den NABU Bellheim zuständig und führt in dieser Funktion durch die heimische Flur. Jeder könne etwas für seine Umwelt tun. Das Bewusstsein dafür zu schärfen, ist für Zürker wesentlich.

Mit Rucksack und Feldstecher bewaffnet machte sich auch kürzlich in Zeiskam eine kleine Gruppe Vogelfreunde auf den Weg um den Vogel des Jahres 2016, den Stieglitz aufzuspüren.

NABU und LBV haben den Stieglitz zum „Vogel des Jahres 2016“ gekürt. Mit ihm soll der fortschreitende Strukturverlust in unserer Kulturlandschaft ins Blickfeld gerückt werden. „Er ist Botschafter für mehr Artenvielfalt und Farbe in Agrarräumen und Siedlungsbereichen“, so der NABU.

„Der auch Distelfink genannte Stieglitz steht für vielfältige und farbenfrohe Landschaften, denn er ernährt sich vornehmlich von den Samen zahlreicher verschiedener Blütenpflanzen, Gräser und Bäume. Bunte Landschaften mit ausreichend Nahrung gibt es jedoch immer weniger, daher ist der Bestand des Stieglitzes in Deutschland in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen“, erläutert Zürker.

Allein in der Agrarlandschaft seien seit 1994 fast 90 Prozent aller Brachflächen mit ihrer heimischen Artenvielfalt verloren gegangen.

„Auch Randstreifen mit Blumen und Wildkräutern an Feldern und Wegen werden immer weniger und artenärmer. Im Siedlungsraum verschwinden wildblumenreiche Brachflächen, öffentliches und privates Grün wird zu intensiv gepflegt, Wiesen werden gespritzt.“

Für unseren Jahresvogel wird es in Deutschland inzwischen eng“, sagt auch NABU-Vizepräsident Helmut Opitz in einer NABU-Pressemitteilung. Es gebe viele Möglichkeiten, den Lebensraum des farbenfrohen Finken zu erhalten. Schon kleine unbelassene Ecken in Gärten, an Sport- und Spielplätzen, Schulen, Ackerflächen oder Straßenrändern, trügen dazu bei.

Die Esche wird durch Pilze im Bestand bedroht. Foto: Pfalz-Express/Ahme

Die Esche wird durch Pilze im Bestand bedroht.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Es wird betont, dass überregional nur eine Reform der bestehenden EU-Agrarverordnungen und -Förderinstrumente den Verlust landwirtschaftlicher Brachflächen stoppen könne.

Aber auch in Städten und Gemeinden würden Konzepte benötigt, damit es mehr Wildnis am Straßenrand und auf grünen Flächen gibt.

Selbstverständlich können sich auch private Gärtner für den Erhalt von Lebensräumen des Stieglitzes einsetzen. Das Anlegen von Blühflächen mit heimischen Wildkräutern sowie Obstbäumen und der Verzicht auf Pestizide helfen nicht nur dem Stieglitz.

Sein Bestand hat in Deutschland laut den Daten des „Dachverbandes Deutscher Avifaunisten“ (Zusammenschluss Deutscher Vogelkundler) von 1990 bis 2013 um 48 Prozent abgenommen. Offizielle Schätzungen gehen derzeit von 305.000 bis 520.000 Brutpaaren in Deutschland aus.

Stieglitze leben sowohl auf dem Land als auch in Siedlungen, solange es einen geeigneten Brutplatz und genug Nahrung gibt. Diese findet er an Acker- und Wegrainen, auf Brachen oder in Parks und Gärten. Knapp 60 Prozent des bundesweiten Bestandes leben im Siedlungsraum, die restlichen 40 Prozent in der Agrarlandschaft.

Auch auf die aktuelle Aktion „Bunte Meter für Deutschland“ machte Zürker aufmerksam. Möglichst viele Meter wildkrautreicher Grünflächen sollen als neue Lebensräume für den Stieglitz und andere Singvögel geschaffen oder erhalten werden.

Man kann selbst Wildblumenstreifen anlegen oder Brachflächen vor der Bebauung retten. „Mit jedem „Bunten Meter“ schaffen Sie Lebensräume für Stieglitze sowie andere Singvögel, aber auch Bienen, Schmetterlinge und viele andere Tierarten“, so Zürker, der dafür auch jedem, der sich an der (kostenlosen) Wanderung beteiligt hat, eine spezielle Wildblumenmischung mitgibt.

Im Zeiskamer (privaten) Naturgarten wurde natürlich auch Halt gemacht. Hier wurde alles naturbelassen – der Mensch greift fast gar nicht ein. In etlichen Nistkästen finden sich Jungvögel, die gierig nach Nahrung verlangen in anderen gibt es leider auch tote Tiere. Zürker vermutet, dass dafür möglicherweise behandeltes Saatgut verantwortlich sein könnte.

Kleine Meisenjunge im Zeiskamer Naturgarten: Hier werden regelmäßig die Nistkästen überprüft. Foto: Pfalz-Express/Ahme

Kleine Meisenjunge im Zeiskamer Naturgarten: Hier werden regelmäßig die Nistkästen überprüft.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Auch das Problem der sogenannten Neophyten ließ Zürker nicht unerwähnt. Das sind ursprünglich nicht hier beheimatete Pflanzen, die sich in Deutschland explosionsartig ausgebreitet haben wie die Herkulesstaude (der Pfalz-Express berichtete) oder der Staudenenknöterich.

Durch seine Höhe von bis zu vier Metern und das dichte Blätterdach behindert er den Aufwuchs anderer Pflanzen, hat sich gegen die einheimische Flora durchgesetzt und ist nur sehr schwer wieder zu entfernen. Über 40 Millionen Euro werden jährlich zur Bekämpfung gebraucht.

Auf der zweistündigen Wanderung durch die Zeiskamer Flur kommen die Leute untereinander ins Gespräch, erzählen von ihren Erfahrungen, geben Tipps, tauschen sich aus und stellen natürlich auch jede Menge Fragen. Zürker kann sie alle beantworten.

Im mit Obstbäumen bestandenen Zeiskamer Naturgarten. Foto: Pfalz-Express/Ahme

Im mit Obstbäumen bestandenen Zeiskamer Naturgarten.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Immer wieder bleibt die Gruppe stehen, lauscht den Vogelstimmen und kann sie manchmal auch bestimmen. Wenn nicht: Joachim Zürker ist ein erfahrener Führer und NABUler und hilft immer wieder weiter, auch wenn Bäume bestimmt werden sollen.

Zum Schluss gibt er Jedem noch ein Programm der Regionalstelle Süd in die Hand. 78 weitere Veranstaltungen sind verzeichnet zu denen Vogel -und Pflanzenexkursionen, Pilzseminare und vieles mehr gehört. Dieser Spaziergang jedenfalls hat Lust auf mehr gemacht. (desa)

Der Staudenknöterich: Ein Neophyt, der sich immer mehr ausbreitet. Foto: Pfalz-Express/Ahme

Der Staudenknöterich: Ein Neophyt, der sich immer mehr ausbreitet.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

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