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Seite an Seite: Armenischer Major Vardanyan trainiert mit seinen Soldaten in Germersheim

2. Februar 2015 | Kategorie: Kreis Germersheim, Regional

Verstehen sich: Armenischer Major Herbert Vardanyan und Kommandeur Oberstleutnant Dietmar Hinze.
Fotos: Bundeswehr/Kevin Schrief

Germersheim – Seit 2005 werden armenische Militärs von der Bundeswehr mit ausgebildet. Während der ISAF-Mission waren armenische Soldaten unter deutschem Kommando im deutschen Feldlager Mazar-e-Sharif mit Aufgaben des Objektschutzes betraut.

Viele von ihnen wurden im Luftwaffenausbildungsbataillon in Germersheim für ihren Einsatz trainiert und vorbereitet. Derzeit sind wieder 45 Soldaten mit ihrem Kommandeur Major Herbert Vardanyan in der einsatzvorbereitenden Ausbildung in der Garnisonsstadt.

Vardanyan ist bereits zum dritten Mal mit einem Kontingent in Germersheim. Seinen deutschen Vornamen hat er seinem Onkel zu verdanken. Der sah zum Zeitpunkt von Vardanyans Geburt einen deutschen Spielfilm. Der Hauptdarsteller mit Namen Herbert hatte ihm so gut gefallen, dass sein Neffe nun diesen Namen trägt.

Vardanyan wurde von seinem Vorgensetzen als Kommandeur für das Kontingent aufgrund seiner Leistungen und Erfahrung ausgewählt. Von den beiden vorherigen Präsidenten der armenischen Republik wurde er jeweils mit einem Orden – ähnlich dem hiesigen Ritterorden – ausgezeichnet. Bereits mit 18 Jahren kämpfte Vardanyan im Grenzkrieg um Bergkarabach – jahrzehntelange soldatische Erfahrung also für den heute 46-Jährigen.

Einsatzvorbereitende Ausbildung in Germersheim. Vardanyan ist zum dritten Mal dabei.

In Germersheim begleitet er die Ausbildung seiner Soldaten: 2011 als Zugführer, 2013 als stellvertretender Kontingentführer und nun als Kontingentführer und Kommandeur.

Die Armenier seien ein friedliches Volk, sagt er. Aus der Geschichte des Landes heraus habe man jedoch gelernt, in ständiger Verteidigungsbereitschaft zu leben. Deshalb seien Friedensmissionen für ihn so wichtig: „Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, in unserem jeweiligen Einsatzland für Ruhe und Frieden zu sorgen.“

„Tolle Menschen“

In Germersheim funktioniere die Zusammenarbeit mit den Kompanieoffizieren und dem Stammpersonal hervorragend. „Wir haben viel gelernt, sind zusammengewachsen. Die Ausbildung ist optimal und sehr effektiv.“ Alle gäben sich viel Mühe, seien tolerant und betrachteten die Armenier als Freunde, die genauso wie sie selbst im Einsatz ihren Kopf herhalten müssten, um vor Ort für Sicherheit zu sorgen.

Vardanyan war es im Interview wichtig, einige Personen namentlich erwähnt zu wissen: „ Es sind wirklich tolle Menschen: An erster Stelle der Kommandeur Oberstleutnant Dietmar Hinze, den ich über alles schätze, und auch Hauptmann Tom Pfitzner, Oberleutnant Sandra Frauendorf, Leutnant Tim Hofmann und Hauptmann Sven Ueberschaer.“

In Mazar-e-Sharif habe er Hinze als einen beispielhaften militärischer Vorgesetzten erlebt, „wie einer sein soll“. Einer von Hinzes ersten Schritten sei es gewesen, Hubschrauber anzufordern oder auf Patrouille zu fahren, um sich selbst ein Bild der Lage zu machen: „Ich schätze es sehr, wenn ein Kommandeur das tut“.

Gleichzeitig sei er immer für seine Soldaten ansprechbar gewesen, habe nahe mit ihnen zusammengearbeitet, sei stets da gewesen, wenn er gebraucht wurde, ohne dabei an Autorität zu verlieren. „Alle haben ihn respektiert – nicht nur als Vorgesetzten, sondern auch als Mensch.“ Zudem habe Hinze eine außerordentlich gute Fähigkeit, Sachverhalte verständlich zu vermitteln. Er sei froh, dass der „Base Commander“ in Afghanistan seine „armenischen Jungs“, die er ausgebildet habe, im Einsatz habe sehen können: „Er konnte stolz auf sie sein.“

Nicht nachvollziehen kann der armenische Major die Kritik vieler Deutscher an den eigenen Streitkräften.

„Die Arbeit der Soldaten ist kompliziert, aber ehrbringend. Meine eigenen Auszeichnungen beispielsweise sollen zeigen, dass ich mich meinem Volk gedient habe und dies geschätzt wird. Die Welt ist nun einmal nicht immer friedlich, es gibt so viele Konflikt- und Krisenherde.“

Da sei die Armee wie „ein Mann zuhause“: „Wenn er stark ist und alles im Griff hat, ist die Familie geschützt und stabil.“ Genauso verhalte es sich mit Ländern: Eine gute Armee sorge für Schutz und Stärke. In seiner Heimat sei das Militär deswegen hoch angesehen.

Ein Soldat opfere sich für die Verteidigung der Werte seines Landes – das sei wahrer Patriotismus. „Und wenn ein Volk das nicht anerkennt, seine Soldaten nicht liebt, ist das mir völlig unverständlich.“

Er selbst habe schon viel erlebt, Kameraden verloren und oft tiefen Schmerz deswegen empfunden. Aber: „Mir war immer klar, dass man Opfer bringen muss und selbst auch fallen kann.“ Vergeltung am Gegner, der einen Konflikt hochschaukeln könnte wie beispielsweise in Israel/Palästina, wird dennoch nicht geübt. Vardanyan hat in der Tschechei und beim Waffenbruder Russland mehrfach Kurse absolviert, an denen auch Aserbaidschanischer teilgenommen hatten: „Ich habe nie Rachegefühle gehabt.“

Gegenseitiges Verständnis

In Germersheim müssen die beiden verschiedenen Kulturen miteinander leben und arbeiten. Reibungspunkte gibt es diesbezüglich nicht. Höchstens ein wenig Erstaunen: „Die Frauen hier wollen alles alleine machen. Bei uns dürfen sie auch gerne einmal ein bisschen schwach sein und sich vom Mann helfen lassen. Wir tun das gerne“, sagt Vardanyan

Zeit für private Unternehmungen außerhalb der Kaserne bleibt allerdings nicht, was der Major immer wieder bedauert: „Jeder intelligente Mensch, der in ein fremdes Land geht, möchte mehr über die Kultur erfahren, damit man ein fremdes Volk besser versteht“, betont er und dankt in diesem Zusammenhang den Dolmetschern in Germersheim, die sicher „so manches Missverständnis verhindert“ hätten. Er und seine Soldaten versuchten aber, so viele deutsche Wörter wie möglich zu lernen.

Vardanyan sorgt ebenfalls dafür, dass die Kommunikation mit seinen armenischen und den deutschen Soldaten gut läuft. Wichtig sei ihm auch, dass seine Männer psychologisch auf Einsätze vorbereitet würden, was im Luftwaffenausbildungsbataillon umfangreich getan werde. Es gebe dennoch keine Musterlösung für bestimmte Probleme, sagt er. Entscheidend sei, dass alle gut auf ihre Aufgaben vorbereitet seien: „Jeder Fehler kann tödlich enden.“

„Deutschland soll sich einbringen“

Deutschland sei ein starkes Land. Er wünsche sich, dass sich die Bundesrepublik weltweit für den Frieden einsetze, wie es Armenien auch tue. Er habe mit Deutschen und US-Amerikanern im Ausland kooperiert, die „viel für den Einsatz geopfert“ hätten: „Ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass wir mit den Deutschen zusammen arbeiten dürfen.“

Sein großes Ziel ist Frieden für sein Heimatland. Und irgendwann einmal mehr Zeit. Um Öffentlichkeitsarbeit zu machen, zu lesen, Sport zu treiben – und natürlich für seine Familie. Herbert Vardanyan ist verheiratet und hat zwei Kinder. (cli)

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