Samstag, 20. April 2024

Schlechte Finanzlage im Kreis SÜW: Antwortbrief von Dr. Tobias Lindner an Landrätin Theresia Riedmaier

18. Februar 2014 | Kategorie: Allgemein, Kreis Südliche Weinstraße, Politik regional

Der südpfälzer Grünen-Bundestagsabgeordnete Dr. Tonias Lindner.

Südpfalz/Kreis Südliche Weinstraße – Der südpfälzische Bundestagsabgeordnete Dr. Tobias Lindner (Grüne) hat am 18. Februar auf das Schreiben der Landrätin der Südlichen Weinstraße, Theresia Riedmaier, geantwortet.

Riedmaier hatte in einem Schreiben die Bundestagsabgeordneten der Südpfalz wegen der schwierigen Finanzlage des Kreises um Unterstützung in Berlin gebeten (wir berichteten).

Hier die Antwort von Tobias Lindner im Wortlaut

„Sehr geehrte Frau Landrätin,

für Ihr Schreiben vom 11.02.2014, in dem Sie meinen Kollegen und mir Ihre Sorgen bezüglich der Finanzen des Kreises Südliche Weinstraße schildern, danke ich Ihnen.

In der Tat erfüllt mich die finanzielle Lage vieler Landkreise und Gemeinden – und zwar nicht nur in Rheinland-Pfalz – mit Sorge. Meine persönliche Wahrnehmung ist, dass es in den vergangenen Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, zu einer zunehmenden Aufgabenverlagerung von Bundes- und Länderseite auf die Kommunen gekommen ist.

Eigentlich wäre diese Entwicklung durchaus zu begrüßen, vor dem Hintergrund, dass die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland ein Erfolgsmodell darstellt, jedoch ist diese Aufgabenverlagerung eben nicht einhergegangen mit einer angemessenen Zuweisung von finanziellen Mitteln, um die Aufgaben auch erfüllen zu können.

Das Ergebnis sind immer angespanntere Haushalte von Landkreisen und Gemeinden mit der Konsequenz, dass die Handlungsspielräume für die Kommunalpolitik enger werden. Diese Entwicklung halte ich – auch aus Demokratiegründen – für sehr bedenklich und umso gefährlicher, wenn im Jahr 2020 die Schuldenbremse, d.h. ein totales Verschuldungsverbot, für die Länder greift. Werden hier nicht die Kommunen miteinbezogen, so droht eine weitere Aufgaben- und damit Kostenverschiebung zu Lasten von Landkreisen und Gemeinden.

Vor diesem Hintergrund ist es daher meine feste Überzeugung, dass wir für eine grundsätzliche Verbesserung der kommunalen Finanzen eine ebenso grundsätzliche Neuordnung der Finanzbeziehungen und Aufgabenverteilung unter Bund, Ländern und Kommunen brauchen: In Kürze läuft der Solidarpakt 2 aus, der Länderfinanzausgleich ist neu zu regeln und, wie schon angesprochen, greifen Schuldenbremsen im Bund und den Ländern. Ratschläge, wer hier „seine Hausaufgaben“ machen soll, helfen uns dabei nicht weiter.

Was wir brauchen, ist eine sinnvolle Aufgabenverteilung zwischen den drei staatlichen Ebenen und eine Verteilung von Steuermitteln, die dieser Aufgabenverteilung gerecht wird. Persönlich glaube ich, dass zumindest mit Blick auf Länder und Kommunen eine Reduzierung der Neuverschuldung nicht alleine durch Einsparmaßnahmen und Umschichtungen in den Haushalten möglich sein wird.

Zumindest das Nachdenken über höhere Steuern auf große Vermögen, Kapitalerträge und sehr hohe Einkommen darf aus meiner Sicht nicht – wie von der Bundeskanzlerin teilweise praktiziert – „mantraartig“ –  abgelehnt werden.

Die Ankündigung der Großen Koalition, erstmalig ab 2014 eine Milliarde Euro als Entlastung für die Kosten der Eingliederungshilfe zu geben, ist eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Kosten der Eingliederungshilfe wachsen jährlich um ungefähr sechs Prozent (vom Jahr 2011 ins Jahr 2012 um 753,4 Millionen Euro) und andere Entlastungen, die der Bund übernommen hatte (zum Beispiel Schulsozialarbeit) entfallen, so dass die versprochene Milliarde sehr schnell aufgebraucht sein dürfte. Eine wirkliche Entlastung der kommunalen Ebene wird daher nicht stattfinden.

Die erwähnten weiteren vier Milliarden Euro werden auf die Zeit nach der Überführung der Eingliederungshilfe in ein Bundesleistungsgesetz verschoben, also auf die nächste Legislaturperiode. Hier wird Kommunalfreundlichkeit vorgetäuscht, aber dieses Versprechen nicht eingelöst.

Insgesamt ist der Koalitionsvertrag aus kommunalpolitischer Sicht eher dürftig. Die Kommunen werden – trotz ihrer teilweise gravierenden finanziellen Probleme – durch die Große Koalition nicht wirklich entlastet. Diese macht sich offensichtlich keine Gedanken darüber, wie den Kommunen bei den Altschulden geholfen werden könnte und wie sie bei den wachsenden sozialen Kosten nachhaltig unterstützt werden könnten.

Ich persönlich werde mich im 18. Deutschen Bundestag, insbesondere als Obmann meiner Fraktion im Haushaltsausschuss, für die schnelle Einsetzung einer „Föderalismuskommission III“ einsetzen, verbunden mit dem Ziel, dass es zu der oben beschriebenen Neuordnung der Aufgaben- und Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen kommt“, schreibt Lindner.  (red)

Print Friendly, PDF & Email
Zur Startseite

Abonnieren Sie auch unseren Pfalz-Express-Kanal bei YouTube

Diesen Artikel drucken Diesen Artikel drucken

Kommentare sind geschlossen