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Rheinzabern: Reges Interesse trotz Dauerregen: Ausstellung „Deutsche aus Russland. Geschichte und Gegenwart“ eröffnet

16. November 2017 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kultur
Blick in die Ausstellung - viele Info-Tafeln informieren zu der Gesichte der Russlanddeutschen. Foto: Beil

Blick in die Ausstellung – viele Info-Tafeln informieren zu der Gesichte der Russlanddeutschen.
Foto: Beil

Rheinzabern – Selbst die größten Optimisten hatten nicht mit solch regem Zuspruch gerechnet, regnete es doch in Strömen, als die Ausstellung „Deutsche aus Russland. Geschichte und Gegenwart“ im Terra-Sigillata-Museum Rheinzabern eröffnet wurde.

Die Wanderausstellung der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. wird durch das Bundesinnenministerium gefördert. Sie will viele Informationsdefizite ausgleichen und helfen, Vorurteile abzubauen. Zweihundertmal pro Jahr wird sie in Deutschland gezeigt. Insbesondere will man sich an junge Menschen wenden, weshalb auch Schulen herzlich eingeladen sind.

Projektleiter Jakob Fischer sprach von über 4 Mio. Bundesbürgern mit russlanddeutschem Migrationshintergrund, die in die Bundesrepublik kamen, sich in der neuen Heimat integriert und die Gesellschaft bereichert haben. Eine der bekanntesten unter ihnen ist die Sängerin Helene Fischer, die auch Verwandte in der Südpfalz hat.

Jakob Fischer (l.) mit einer in Irkutsk am Baikalsse geborenen Frau und Ortsbürgermeister Gerhard Beil. Foto: Georg Schmalz

Jakob Fischer (l.) mit einer in Irkutsk am Baikalsse geborenen Frau und Ortsbürgermeister Gerhard Beil.
Foto: Georg Schmalz

Anhand einer Fülle von Texten, Bildern, Videos und Karten wird das umfangreiche Thema veranschaulicht. Es beginnt mit dem Manifest der Zarin Katharina II. im Jahre 1763, worauf 100 000 Deutsche nach Russland auswanderten und 100 Jahre wirtschaftliche und kulturelle Blüte erlebten.

Reformen im Zarenreich brachten die Abschaffung der Privilegien. Eine erste Existenzprobe bedeuteten Umsiedlungen während des I. Weltkriegs. Die russische Revolution 1917, Repressionen in den folgenden Bürgerkriegs- uns Terrorjahren sowie der II. Weltkrieg mit Deportation und Zwangsarbeit bedeuteten schlimme Zeiten ohne Aussicht auf Besserung, nachdem die UdSSR im Jahre 1948 sogar die Verbannung „auf ewige Zeiten“ beschlossen hatte.

Im Alltag litten die Russlanddeutschen besonders unter dem diskriminierenden Schimpfwort „Faschista!“ Der zögerlichen Teilrehabilitierung und den gescheiterten Autonomiebestrebungen zwischen 1955 und 1991 folgte schließlich die Ausreisewelle ab 1988. Mit der Aufnahme in Deutschland, ihrer Integration und dem Neubeginn schließt sich ein Schicksalskreis.

 Hauptherkunftsländer der Russlanddeutschen: Zentralasiatische Staaten der ehemaligen UdSSR. Foto: Beil

Hauptherkunftsländer der Russlanddeutschen: Zentralasiatische Staaten der ehemaligen UdSSR.
Foto: Beil

Ortsbürgermeister Gerhard Beil ging in seiner Begrüßung auf die große Not der Auswanderer ein, wie sie früher besonders stark in der Pfalz verbreitet war und viele Menschen zur Auswanderung nach Russland zwang. Kriege, Hungersnot, große Kinderzahl, Heiratsbeschränkungen oder Landmangel waren so bedrückend, dass man auch angesichts der vielfach bewahrheiteten Auswanderererfahrung die Hoffnung nicht aufgab. „Dem ersten den Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot“, verhieß erst in der dritten Generation eine neue Zukunft.

Landrat Dr. Fritz Brechtel betonte in seinem Grußwort die positive Eingliederung der Russlanddeutschen bei uns sowie deren Fleiß und Strebsamkeit beim Wiederaufbau einer Existenz in Freiheit.

Foto: Georg Schmalz

Foto: Georg Schmalz

Der Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas Gebhart (CDU) – er sprach auch im Namen des Landtagsabgeordneten Martin Brandl – freute sich über die Präsentation der Wanderausstellung, die vom Bundestag beschlossen wurde und die Leistung, aber auch den historisch-kulturellen Hintergrund der Russlanddeutschen, akzentuiert.

Ihre Integration könne auch Beispiel sein für die Lösung heutiger Probleme, so Gebhart.

Foto: Beil

Foto: Beil

Einen besonderen Akzent setzte Tatjana Rudi aus Rheinzabern. Mit ihrem Akkordeon umrahmte die in Russland als Musiklehrerin ausgebildete Erzieherin den Nachmittag und animierte zum Mitsingen.

Besonders emotional war ihr „Mama“. Somit konnte das Thema mit Kopf und Herz erlebt – und zugleich die Bedeutung der Musik für die Kultur sichtbar gemacht werden.

Tatjana Rudi erfreute mit Liedern aus der alten Heimat. Foto: Beil

Tatjana Rudi erfreute mit Liedern aus der alten Heimat.
Foto: Beil

Diese Kultur zu pflegen und weiterzugeben, bedeutet in der heutigen Gesellschaft eine große Herausforderung. „Es ist zu wünschen, dass die Ausstellung viele Impulse gibt für das Zusammenleben in einem friedlichen und freiheitlichen Europa. Nicht zuletzt zeigt sie ja auch, wohin Nationalismus und Ideologien führen können“, so Bürgermeister Beil.

Philipp Schmitt, Vorsitzender des Vereins Terra Sigillata Museum hatte die große Gästeschar begrüßt und freut sich auf viele Besucher.

Die Ausstellung „Deutsche aus Russland. Geschichte und Gegenwart“ ist noch bis 28.1.2018 zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen:

Mittwoch – Sonntag: 11-16 Uhr; Sonn- und Feiertage: 11-17 Uhr; Tel: 07272-95 58 93.

Telefon für Rückfragen und Anmeldungen zur Führung durch die Ausstellung:

Jakob Fischer, Tel. 0171 4034329; E-Mail: J.Fischer@LMDR.de; www.deutscheausrussland.de

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