Rheinquerung bei Lingenfeld 1945: Hoher Blutzoll für die Grande Nation

1. Mai 2016 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kultur
 Dicht gedrängte Besucherschar im Kleinen Kulturzentrum. Fotos: Beil

Dicht gedrängte Besucherschar im Kleinen Kulturzentrum.
Fotos: Beil

Rheinzabern – Über 50 Besucher im Kleinen Kulturzentrum waren gefesselt von Bertram Steinbachers vhs-Vortrag über die Rheinquerung der französischen Armee bei Lingenfeld am 31.3.1945, die einen besonderen Mosaikstein in der „großen Geschichte“ darstellte.

Dabei beschränkte sich Pionier-Oberst d. R. Steinbacher keineswegs auf militärtechnische Aspekte, sondern band die Aktion in historisch-politische Zusammenhänge ein.

Er begann mit der Niederlage Frankreichs 1940. Während der unbesetzte Teil Frankreichs als Vichy-Frankreich unter Marschall Petain entstand, erließ de Gaulle von London aus seinen patriotischen Appell zum Widerstand, an dessen Ende er ein freies Frankreich prophezeite.

Im Zug der siegreichen alliierten Kämpfe in Nordafrika Ende 1942, der Invasion 1944 in der Normandie und der Operation Dragoon im Süden Frankreichs bildete sich aus dem Kern der 1940 aus Dünkirchen nach England evakuierten französischen Truppen sowie aus Kolonialeinheiten eine Armee, die unter General Jean de Lattre de Tassigny die Operation am Rhein 1945 durchführte.

Mit Annäherung an die deutsche Reichsgrenze bestand General de Gaulle darauf, dass Frankreich aus höchstem nationalem Interesse einen militärischen Beitrag zur Eroberung des Deutschen Reiches leisteten müsste, um auch politisch bei der künftigen Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen mitreden zu können.

Ein eigener Rheinübergang auf dem Streckenabschnitt zwischen Lauterburg und Speyer mit folgenden Gebietseroberungen im Rechtsrheinischen sollte dafür her. Dazu stand man im Wettlauf mit den Amerikanern, die bereits vom Neckar her nach Süden vorstießen.

Bei Lingenfeld fand man eine geeignete Stelle, da sich weiter im Süden auf dem badischen Ufer noch Westwallbefestigungen befanden. Ohne den Schutz der Morgendämmerung begann aus dem Lingenfelder Altrhein heraus der Angriff mit Sturmbooten, der sich über den Tag hinzog.

Die Aktion zur Überwindung der Strombreite von ca. 250 Metern forderte großen Blutzoll, weil sie kurzfristig befohlen und daher schlecht vorbereitet worden war. Aus sicherer Deckung heraus konnten die deutschen Truppen die Sturmboote beschießen.

Französische Truppen befreiten in den folgenden Wochen einen Korridor – unter anderem Karlsruhe und Stuttgart – und drangen bis Tirol vor.

Bis in die 90er Jahre war französisches Militär in Deutschland stationiert. Die Gründung von Rheinland-Pfalz in der linksrheinischen Besatzungszone geht auf die Franzosen zurück. Letztendlich erhielt die Grande Nation einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat der im Herbst 1945 gegründeten UNO.

Die Aktion bei Lingenfeld bedeutete somit einen Mosaikstein innerhalb der großen Geschichte, nicht zuletzt auf dem Weg zur Befreiung von der Naziherrschaft und zum Wiedererstehen einer deutschen Demokratie.

Lingenfeld, Bertram Steinbachers Heimatort, unterhält heute – wie auch Rheinzabern – eine Partnerschaft mit einer Gemeinde in Burgund. Zwischen Deutschland und Frankreich herrscht Freundschaft. Dennoch darf die finstere Seite europäischer Geschichte nie vergessen werden.

Lang anhaltendem Beifall am Ende des Vortrags folgten noch etliche Einzelgespräche. (Gerhard Beil)

Oberst d.R. Bertram Steinbacher beim vertiefenden Einzelgespräch.

Oberst d.R. Bertram Steinbacher beim vertiefenden Einzelgespräch.

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