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Rheinland-pfälzischer Grünen-Chef Daniel Köbler trifft Unternehmer aus dem Kreis Germersheim: Mittelstand kämpft mit vielen Hürden

24. Mai 2014 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional, Regional, Wirtschaft in der Region

Treffen mit der MIT: Grünen-Fraktionvorsitzender daniel Köbler musste sich so manche Beschwerde anhören.
Fotos: pfalz-express.de/Licht
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Rheinzabern/Jockgrim – Am 21. Mai besuchte der Fraktionsvorsitzende der grünen Landtagsfraktion, Daniel Köbler, den Landkreis Germersheim

Auf dem Programm standen unter anderem ein Besuch bei der Firma ZAWISLA in Jockgrim als klassisches Mittelstandsunternehmen, im Anschluss fand eine Versammlungs- und Diskussionsrunde im Gasthaus Tenne in Rheinzabern mit Vertretern der MIT (Mittelstandsvereinigung des Kreises) statt – mit eben jenen Mittelständlern, deren Sorgen sich der rheinland-pfälzische Grünen-Chef anhören wollte.

Bei einem politischen Austausch sollten Fragen, Anregungen und Erkenntnissen über die Rahmenbedingungen der mittelständigen Wirtschaft besprochen werden, die gemeinhin als Rückgrat der Wirtschaft gilt. Mit dabei waren Günter Logé, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Kreistag Germersheim, und Annette Krysmansky, Vorsitzende des Grünen-Kreisverbands Germersheim und stellvertretende Vorsitzende der Kreistagsfraktion. Auch die Grünen-Beigeordnete von Wörth, Ursula Radwan, stieß später zu der Runde dazu.

Köbler setze eingangs einige aus seiner Sicht relevanten Schwerpunkte: So solle sich in der Wirtschaftspolitik ein dezentralerer Ansatz etablieren, Ressourcen effizienter genutzt und eine intensive Fachkräftesicherung betrieben werden. Er wolle nicht „ökologisch grün“ belehren und bekehren, sagte Köbler, jedoch seien ökonomische und ökologische Interessen kein Widerspruch. Es gelte, beide zusammenzubringen.

Daniel Köbler

Köbler bestätigte in der momentanen Verkehrsinfrastruktur ein „extremes Defizit“; diese Probleme sei bislang vernachlässigt worden. „Aber Rahmenbedingungen in dieser Hinsicht zu schaffen, bedeutet nicht immer nur neue Straßen, sondern auch den Erhalt dessen, was wir bislang haben.“ Zudem sei Infrastruktur in der heutigen Zeit nicht nur auf Straßen und Schienen bezogen zu sehen, sondern ebenso in digitalen Bereichen. „Die Förderung von Breitbandverbindungen und neuer Internettechnologie ist immens wichtig“, so Köbler.

Er wolle ein offenes Ohr mit nach Mainz nehmen, sagte Köbler und versicherte den Anwesenden seine Ansprechbarkeit auch in Zukunft: „Jeder bekommt eine adäquate Antwort.“

Michael Gaudier, stellvertretender Vorstand der MIT Kreis Germersheim, bedanke sich „in schärfster Form“ für die Einladung zum Gespräch: „Wir sind froh darüber, gehört zu werden. Der Mittelstand braucht den Kontakt zur Politik, denn unsere Interessen gehen allzu oft unter.“ Gaudier bedauerte, dass man sich auf politischer Ebene meist nur um die Großindustrie bemühe, die Sorgen der mittelständischen Unternehmen blieben häufig auf der Strecke.

Dabei stelle man über 90 Prozent der Arbeits- und Ausbildungsplätze und bezahle etwa 78 Prozent der Steuerlast.

Kommune und Mittelstand brauchten einander, so Gaudier: „Nur gemeinsam sind wir stark. Wir können unsere Arbeitsplätze nicht ins Ausland verlagern – wir sind vor Ort zuhause. Dazu brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen und nicht ständig sich ändernde Reglementierungen.“

Auch ein gut gehendes Unternehmen könne unter manchen Umständen zum Problemkind werden.

Manchmal ändere sich die Zielrichtung in jeder Legislaturperiode. Jedoch könne man neue Gesetzgebungen nicht nach dem Gießkannenprinzip über ganz Rheinland-Pfalz auskippen, sondern es müssten die Erfordernisse einer speziellen Region berücksichtigt werden, hieß es von Seiten der anwendenden Unternehmer.

Das Landesentwicklungsprogramm LEP IV bezeichnete Gaudier als „zementierten Stillstand“. Ein Unternehmer könne kaum expandieren, viel Bürokratie und Vorschriften zum Grünflächenausgleich machten kurzfristige Entscheidungen unmöglich.

„Entscheidungen müssen oft schnell gefällt werden. Wenn man von LEP IV abweichen will, dauert das Zielabweichungsverfahren, mindestens fünf Jahre bis zur Genehmigung, und sieben Jahre, bis es losgehen kann. Da brauchen wir mehr Flexibilität, um auf Bedürfnisse der Region einzugehen – keine Gleichmacherei, sondern einen Wettbewerb der Kommunen.“, sagte Michael Gaudier. „Aber wenn wir Flächen suchen, sind uns die Hände durch unzählige Vorschriften gebunden.“ Zudem entstünden unnötige Kosten, wenn keine ordentliche Flächennutzungspläne zur Verfügung stünden.

Eine lebhafte Diskussion entspann sich um die Frage, ob jede einzelne Gemeinde die Ausweisung eines eigenen Gewerbegebiets brauche. Auch hier sieht die MIT die Politik gefordert: Die Einkommenssteuer der Arbeitskräfte fließe in die jeweilige Gemeinde, die Gewerbesteuer jedoch würde auf den Umsatz angerechnet, die Verschuldung bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze jedoch nicht berücksichtigt. Dies sei eine große Ungerechtigkeit, kritisierten die Unternehmer.

Daniel Köbler nannte als Beispiel einer funktionierenden Flächenteilung das gemeinschaftliche Gewerbegebiet von Koblenz und Mühlheim-Klärlich, sah aber durchaus die Notwendigkeit, bei solcherart Lösungen finanzielle Anreize bieten zu müssen. Dennoch müsse die Denkweise über die eigenen Gemarkungsgrenzen der Gemeinden hinausgehen.

Ein weiteres Problem der Mittelständler sind die Banken. Man müsse mittlerweile verbindliche Prognosen vorgeben, das allerdings sei kaum zu erfüllen. „Wir brauchen Risikokapitalgeber, „so Gaudier, „denn viele Projekte werden nicht gefördert. Die Banken sind allein auf ihre Sicherheit bedacht.“

Förderbanken wir die KfW oder die ISB würden häufig von den Hausbanken nur dazu genutzt, ihre „miesen Kredite“ darüber abzuwickeln.

Das Fazit des Abend: Der Mittelstand hat mit vielen Hürden zu kämpfen. Die Botschaft an die Politik: „Wir wünschen uns, dass in Kernbereichen gründlicher gearbeitet wird, nicht so viel Flickwerk entsteht. Die Planungen müssen unten anfangen, nicht oben“, sagte Gaudier abschließend. Politiker sollten seriöser und hartnäckiger an Prämissen arbeiten und auch „dranbleiben“.

Daniel Köbler dankte den Anwesenden für den intensiven Austausch. „Ich habe heute Argumente gehört, denen ich zuvor noch nicht begegnet bin. Ich nehme viele Interessante Anregungen mit nach Mainz“, versicherte der Grünen-Fraktionschef. Das Angebot, Mails zu schreiben, stehe.

Zum Abschied bekam Köbler ein wirklich ökologisches Produkt aus der Region: Annette Krysmansky überreichte ein Paket original gepressten Streuobstwiesen-Apfelsaft. (cli)

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