Ministerpräsidentin Dreyer zieht 100 Tage-Bilanz: Positive, aber auch kritische Stimmen

24. April 2013 | Kategorie: Politik Rheinland-Pfalz, Regional

Am 16. Januar 2013 wurde die langjährige Sozialministerin Malu Dreyer im Mainzer Landtag von den Regierungsfraktionen SPD und Grüne einstimmig zur ersten Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz gewählt. Foto: Herbert Piel / (c) Staatskanzlei.

Mainz. „Meine ersten 100 Tage als Ministerpräsidentin waren geprägt durch viele gute Gespräche und Begegnungen mit Bürgern sowie mit Vertretern aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer bei ihrer Bilanz-Pressekonferenz in Mainz.

Besonders beeindruckt habe sie die Begegnung mit den Helden des Alltags beim Bürgerempfang, die die außerordentliche Bandbreite an ehrenamtlichem Engagement im Land gezeigt habe. Politisch-inhaltlich seien seit ihrem Amtsantritt in der Regierung in enger Zusammenarbeit mit den Kabinettskollegen und den regierungstragenden Fraktionen zentrale Weichen gestellt und wichtige Entscheidungen getroffen worden. Als Beispiele nannte sie den Kommunalen Finanzausgleich, die Kommunal- und Verwaltungsreform, das Landesentwicklungsprogramm (LEP) IV und zentrale Verkehrsprojekte. Mit dem Nachtragshaushalt könnten zudem die Betreuung der unter Dreijährigen weiter ausgebaut und die Situation der Hochschulen weiter verbessert werden.

Dialog mit der Wirtschaft

In den ersten 100 Tagen sei ihr der intensive und vertrauensvolle Dialog mit der Wirtschaft besonders wichtig gewesen. Bereits zu Beginn habe sie daher mit dem Vorstand der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU) und mit den Präsidenten und Hauptgeschäftsführern der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern einen ausführlichen Meinungsaustausch geführt. Sie habe mittelständische Betriebe, aber auch Großunternehmen besucht. Bei einem Treffen mit dem Aufsichtsrat von General Motors und dem Vorstand von Opel habe sie zudem die Gelegenheit genutzt, auf die hohe beschäftigungspolitische Bedeutung der Opel-Standorte im Land hinzuweisen. Sie begrüßte die Ankündigung von GM, in Deutschland und Europa in den nächsten Jahren bis zu vier Milliarden Euro in ein Wachstumsprogramm zu investieren.

„Malu Dreyer im Gespräch“

Zu diesem Dialog gehöre für sie auch das Gespräch mit Arbeitnehmervertretungen auch von Unternehmen in Krisensituationen. Erste Ziele ihrer Besuchsreihe ‚Malu Dreyer im Gespräch‘ seien Bürgerenergiegenossenschaften als wichtige Form der Bürgerbeteiligung bei der Energiewende sowie Kindertagesstätten gewesen. „Diese Besuchsreihe werde ich in den folgenden Monaten fortsetzen. Gespräche zu den Themen Fachkräfte und Ausbildung, Ehrenamt sowie Bildung und Medienkompetenz sind in Planung“, kündigte Malu Dreyer an.

Kommunaler Finanzausgleich

Der Entwurf eines Landesgesetzes zur Reform des kommunalen Finanzausgleichs sei mit der Koalition auf den Weg gebracht worden, mit dem den Kommunen in den kommenden drei Jahren insgesamt rund 490 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. „Damit wird jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt zukünftig mehr Geld im Haushalt haben“.

Kommunal-und Verwaltungsreform

Auch ihre Zusage aus der Regierungserklärung, dass die Landesregierung bei der Kommunal- und Verwaltungsreform offen für konstruktive und machbare Alternativen ist, sei eingehalten worden. So habe das Innenministerium in mehreren Fällen Gespräche mit den jeweils beteiligten Kommunen geführt mit dem Ziel, vor Ort gewünschte und die bestehenden Kreisgrenzen überschreitende Zusammenschlüsse von Verbandsgemeinden zu ermöglichen.

Zentrale Verkehrsprojekte

Zur Realisierung zentraler Verkehrsprojekte habe sich die rot-grüne Koalition auf eine ausgewogene Anmeldung für den Bundesverkehrswegeplan verständigt. „Diese Koalition steht für eine moderne Verkehrsinfrastruktur, mit der Rheinland-Pfalz als Arbeits- und Wirtschaftsstandort attraktiv und die Mobilität der Bürger dauerhaft gewährleistet bleibt. Diesem Leitgedanken folgt die Anmeldung für den Bundesverkehrswegeplan“, so die Ministerpräsidentin. Darüber hinaus werde der Öffentliche Personennahverkehr unter anderem durch den Rheinland-Pfalz-Takt 2015 deutlich verbessert.

Nürburgring und Flughafen Hahn

Wichtige Weichen seien bei den schwierigen Themen Nürburgring und Flughafen Frankfurt Hahn gestellt worden. Beim Flughafen Frankfurt Hahn sei es gelungen, die regionalwirtschaftliche Bedeutung insbesondere für mehrere tausend Arbeitsplätze darzustellen. Mit dem Nachtragshaushalt konnten rund 80 Millionen Euro als Sicherheitsnetz bereitgestellt und im Einvernehmen mit der Kommission eine marktgerechte Zwischenfinanzierung ermöglicht werden. Auch zur Zukunft des Nürburgrings stehe die Landesregierung in einem intensiven Kontakt mit der EU-Kommission. Die Landesregierung wolle, dass die Rennstrecke im bisherigen Umfang für den Breitensport und die Allgemeinheit zugänglich und bezahlbar bleibe. Daher solle die allgemeine Nutzung geschützt werden. Die dazu notwendigen und möglichen Schritte würden im vertrauensvollen Dialog mit der Europäischen Kommission ermittelt.

Arbeit im Bundesrat und Energiewende

Bundespolitisch haben in den ersten 100 Tagen als Ministerpräsidentin vor allem die Arbeit im Bundesrat und das Thema Energiewende im Vordergrund gestanden. Besonders die Initiativen zum Mindestlohn und zum Fluglärm wurden und werden mit Nachdruck verfolgt. Sie setze sich außerdem dafür ein, dass die richtigen Voraussetzungen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und deren nachhaltige, sichere und bezahlbare Finanzierung geschaffen werden. Rheinland-Pfalz sieht die Ministerpräsidentin bei der Energiewende auf einem guten Weg. Mit der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) IV werde die Grundlage für eine effektive, raumverträgliche und optimierte Nutzung der Windenergie gewährleistet. Eine besondere Rolle spielt dabei die kommunale Planungshoheit. Der Ebene der Verbandsgemeinden kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, auch zur möglichen Organisation eines finanziellen Solidarpaktes. Die kürzlich im Kabinett verabschiedete Verordnung habe breite Anhörungs- und Beteiligungsverfahren durchlaufen.

Weitere konkrete Punkte aus ihrer Regierungserklärung seien in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit bereits umgesetzt oder angegangen worden. Dazu gehören die Einberufung eines Demografie-Kabinetts, der Entwurf für ein Landeswohnraumförderungsgesetz und die Vorstellung eines neuen Beauftragten für ehrenamtliches Engagement.

Fachkräftesicherung und Transfer-Offensive

Der seit 1994 bestehende Ovale Tisch erarbeite zur Zeit eine neue Vereinbarung für eine landesweite Strategie zur Fachkräftesicherung, so die Ministerpräsidentin. Ein besonderes Anliegen werde es dabei sein, jungen Menschen ohne berufsqualifizierenden Abschluss einen zweiten oder dritten Anlauf für eine schulische oder duale Ausbildung zu ermöglichen. „Unternehmen und Hochschulen arbeiten bereits gut zusammen. Das kann jedoch – gerade auch für mittelständische Unternehmen – noch weiter verstärkt werden“, sagte die Ministerpräsidentin. Daher stoße sie noch in diesem Jahr eine neue Transfer-Initiative an: Für den 4. November 2013 werde sie zu einem „Forum Technologie-Transfer“ einladen, um die engere Verzahnung von Unternehmen und Wissenschaft voranzubringen.

Transparenz und Bürgerbeteiligung

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Politik ist die Transparenz und die Beteiligung der Bürger. Noch in diesem Jahr werde ein Leitfaden erstellt, wie bei Planungs-, Raumordnungs- und Genehmigungsverfahren bereits vorhandene Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung konsequent ausgeschöpft werden können. Darüber hinaus soll eine Handreichung erarbeitet werden, die für die unterschiedlichen Formen der Bürgerbeteiligung jeweils passende Methoden zur Verfügung stellt. Mitarbeiter von Verwaltungen sollen zum Thema Bürgerbeteiligung qualifiziert werden. Auch der beim Jugendforum Rheinland-Pfalz 2012 angestoßene Dialogprozess mit den jungen Menschen werde weiter fortgesetzt, kündigte Malu Dreyer an.

Bereits in den ersten Wochen ihrer Amtszeit habe sie das internetgestützte Open-Gouvernment-Data-Portal freigeschaltet, das Bürgern einen besseren Zugang zu Daten aus der Verwaltung eröffnet. Die vorhandenen Elemente des Informationszugangs sollen im Laufe der Legislaturperiode zu einem modernen Transparenzgesetz weiterentwickelt werden. Darüber hinaus will die Ministerpräsidentin einen ständigen Landesrat für Digitale Entwicklung und Kultur ins Leben rufen.

Die Regierungsbilanz nach 100 Tagen wird von Politik und Wirtschaft sehr unterschiedlich beurteilt.

Rheinland-Pfälzische IHK´s: Gemischte Gefühle

Die 100-Tage-Bilanz der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer fällt aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft der rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) gemischt aus.

„Wir nehmen sehr positiv wahr, dass Frau Dreyer aktiv das Gespräch mit der Wirtschaft sucht und sich ein eigenes Bild von der Situation der Unternehmen im Land macht. Inwieweit hieraus am Ende auch eine wirklich mittelstandsfreundliche Landespolitik resultiert, ist nach 100 Tagen im Amt noch nicht abzuschätzen“ erläutert Peter Adrian, Präsident der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz. „Der Koalitionsbeschluss zur Verkehrspolitik des Landes wird den Erfordernissen der Unternehmen beispielsweise nicht gerecht. Und bei der Diskussion um die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist bisher kein Kurswechsel erkennbar. Dabei weiß Frau Dreyer um die Schwäche dieses Instruments, das zwangsläufig die Substanz unserer mittelständischen Unternehmen belasten wird und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine verheerende Wirkung entfalten kann. “

DGB-Landesvorsitzender Muscheid: „Reibungsloser Übergang von Beck zu Dreyer“

„Der Übergang von Kurt Beck zu Malu Dreyer ist reibungslos verlaufen, wir stehen in engem Austausch mit der neuen Ministerpräsidentin“, zieht DGB-Landesvorsitzender Dietmar Muscheid nach den ersten 100 Tagen der neuen Landesmutter von Rheinland-Pfalz Bilanz. „Malu Dreyer ist eine Politikerin, die Probleme anpackt“, sagt Muscheid. Dreyer habe ihre soziale Grundorientierung und ihre große Offenheit für den Dialog auch im neuen Amt beibehalten, lobt Muscheid. „Ich freue mich auf eine weitere gute Zusammenarbeit.“

FDP-Vorsitzender Rheinland-Pfalz Dr. Volker Wissing: 100 Tage Malu Dreyer = 100 Tage politischer Stillstand

„Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin ist seit nunmehr 100 Tagen im Amt, aus Sicht der FDP Rheinland-Pfalz handelt es sich dabei um weitgehend verschenkte Zeit. Malu Dreyer steht für das freundliche Antlitz einer unfreundlichen Politik“, sagte der Vorsitzende der rheinland-pfälzischen Liberalen, Dr. Volker Wissing.

Ein Vergleich mit ihrem Amtsvorgänger, Kurt Beck, lasse Dreyers Defizite deutlich zutage treten. „Kurt Beck war stets von dem Gedanken beseelt, Regionen Wohlstandsperspektiven zu eröffnen“, so Wissing, „auch wenn er dabei am Nürburgring deutlich über das Ziel hinaus geschossen ist“. Frau Dreyer lasse hier jegliche Initiativen vermissen. „Egal ob B10 oder Flughafen Zweibrücken, die rot-grüne Landesregierung blockiert, bringt aber nichts voran“, so Wissing. Im Ergebnis laufe diese Politik auf Wohlstandsvernichtung hinaus. „Wo heute nicht in die Infrastruktur investiert wird, kann morgen nichts erwirtschaftet werden“, warnte der FDP-Politiker. Während Kurt Beck noch für die ländlichen Regionen gekämpft und mit den Grünen gerungen habe, opfere seine Nachfolgerin diese kampflos dem Koalitionsfrieden.

„Malu Dreyers Politikstil wirkt freundlicher, ist aber im Ergebnis aus Sicht des Landes und ganz besonders des ländlichen Raumes unfreundlich“, sagte der FDP-Politiker. Den Preis für Dreyers Politik des Weglächelns von Problemen zahle der ländliche Raum in Rheinland-Pfalz, den die Ministerpräsidentin den Grünen preisgegeben habe.

Die Ministerpräsidentin regiere nicht, sie moderiere, so Wissing. Sie präge daher auch keine einheitliche Politik, vielmehr lasse sie ihre Minister schalten und walten. „Die rot-grüne Landesregierung hat keinen gemeinsamen Plan für das Land dessen Umsetzung sie vorantreibt, sondern produziert rot-grünes Flickwerk“, sagte der Vorsitzende der rheinland-pfälzischen Liberalen. Das Fehlen eines Masterplans für Rheinland-Pfalz sei eine der größten politischen Schwächen Malu Dreyers. „Frau Dreyer verwaltet, aber sie gestaltet das Land nicht“, so Wissing. Die ersten 100 Tage Malu Dreyers seien im Wesentlichen verlorene Zeit.

Generalsekretär der CDU Rheinland-Pfalz, Patrick Schnieder MdB: „Probleme müssen nicht nur beschrieben, sondern auch gelöst werden, Frau Dreyer!“

„100 Tage Regierungschefin bedeuten eine Doppel-Null-Politik von Frau Lemke und Herrn Lewentz und eine Ministerpräsidentin, die sich bemüht, Probleme weg zu lächeln. Gute Politik heißt aber, sich der Wirklichkeit zu stellen“, bilanziert der Generalsekretär der CDU Rheinland-Pfalz, Patrick Schnieder MdB, die ersten Monate von Frau Dreyer.

„Es hat sich bisher wenig getan. Die Problemberge der Staatskanzlei konnte die Ministerpräsidentin weder erklimmen noch in den Griff bekommen. Stattdessen hat sich die Situation bei vielen Projekten weiter verschärft. Den ungeliebten Dauerbaustellen der Landesregierung – Hahn und Nürburgring – droht der absolute Kollaps. Das notwendige ‚Machtwort‘ blieb aus. Das ist eine Katastrophe für die vielen Rheinland-Pfälzer, deren Existenz von diesen Projekten abhängt!

In ihrer Regierungsmannschaft hat Frau Dreyer zudem noch mit zwei Totalausfällen zu kämpfen: Frau Lemke und Herr Lewentz. Die Wirtschaftsverbände und die Kammern hat die Ministerpräsidentin längst nicht mehr auf ihrer Seite. Gleiches gilt für die Naturschutzverbände. Allesamt verprellt durch Frau Lemke, deren einzige politische Vision der Windrad-Wildwuchs zu sein scheint. Kein Wunder, dass auch bei den Grünen der Wind schon auf Neubesetzung steht.

Viel Wind um Nichts produziert auch Herr Lewentz. Sowohl bei der Verkehrsinfrastruktur – Stichwort Moselaufstieg und B10-Ausbau – wie auch bei der Kommunalreform ignoriert er die Interessen der Bürger. Aus Frau Dreyers Ankündigungen ist bisher nicht viel geworden. Von ernsthafter Bürgerbeteiligung und Akzeptanz des Bürgerwillens, wie in der Regierungserklärung angekündigt, ist nicht viel übrig geblieben. Die Kommunalreform droht zum Desaster zu werden. Frau Dreyer und Herr Lewentz rangeln anscheinend um die Richtlinienkompetenz und lähmen damit die ganze Regierung.

Gleich, wo man in Rheinland-Pfalz hinkommt, die Probleme sind allgegenwärtig. Die Ministerpräsidentin versucht, all die Missstände gerne weg zu moderieren. Doch das reicht einfach nicht“, so Patrick Schnieder.

Die CDU-Landes- und Landtagsfraktionschefin Julia Klöckner wies auf viele Altlasten der vergangenen Regierung hin und forderte die neue Regierung zur Umsetzung einer soliden Finanzpolitik auf. (desa)

 

 

 

 

 

 

Print Friendly, PDF & Email
Zur Startseite

Abonnieren Sie auch unseren Pfalz-Express-Kanal bei YouTube

Diesen Artikel drucken Diesen Artikel drucken

Kommentare sind geschlossen