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Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Kandel: So soll das Land von morgen aussehen

8. November 2015 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional, Regional
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in der Kandeler Stadthalle: Souveräner Auftritt. Fotos: pfalz-express.de/Licht

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in der Kandeler Stadthalle: Souveräner Auftritt.
Fotos: pfalz-express.de/Licht

Kandel – Volles Haus in der Stadthalle: Ministerpräsidentin Malu Dreyer stellte in Kandel ihr Programm „Unser Land von morgen“ vor und hatte die Bürger zum Mitdiskutieren eingeladen.

Man merke an der Stadthalle, dass man in Kandel sei, scherzte bei der Begrüßung der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, Alexander Schweitzer, mit Blick auf Bürgermeister Günther Tielebörger: „Ihr seid uns lieb und teuer.“

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Viel Beifall gab es für Malu Dreyer. Die SPD sei nach wie vor die einzige Partei die wirtschaftliche Stärke und soziale Balance vereine, sagte die Ministerpräsidentin, die sich nach eigenem Bekunden ständig hinterfrage: „Sind wir auf einem guten Weg, verfolgen wir das richtigen Ziel?“

Um die Bürger in dieser Fragestellung mitzunehmen, hatten alle Anwesenden ein TED-Gerät bekommen, mit dem sie über unterschiedliche Fragen abstimmen konnten (die Ergebnisse sind am Textende auf den Fotos zu sehen).

Zuvor gab´s Statements der Landeschefin bezüglich der am Donnerstag beschlossenen Registrierungszentren.

Sie sei froh, dass die überflüssige Debatte über Transitzonen endlich beigelegt sei, sagte Dreyer. Die Asylverfahren seien der Flaschenhals, dauerten viel zu lange. Man könne keine 50.000 Menschen umzäunt eingesperrt halten, bis die Verfahren durch seien: „Das ist nicht praktikabel und auch nicht human.“

Zudem seien es die Helfer leid, in den Kommunen Integrationsarbeit bei Asylbewerbern zu leisten, die dann wieder gehen müssten.

Alles im Griff?

Das Land habe den schier endlosen Zustrom der Asylsuchenden bestens im Griff, sagte Dreyer.
Jeder Flüchtling habe einen Ort, an dem er bleiben könne und zugewiesen werde.

Zur Zeit der großen Bosnien-Flüchtlingswelle in den 90ern sei sie Sozialdezernentin in Mainz gewesen, deshalb sei diese Erfahrung für sie nicht ganz neu.  Am Ovalen Tisch würde kontinuierlich „geupdated“: „Den Rest werden wir auch noch gemeinsam schaffen. Wir haben eine Landesregierung, die sehr gut in der Sache vorgeht.“

Dreyer, auch ehemals Bürgermeisterin von Bad Kreuznach und Staatsanwältin, forderte die Bürger auf, „klare Kante zu zeigen gegen den Rechtspopulismus“. Die derzeitige Situation dürfe nicht instrumentalisiert werden für rassistische Äußerungen: „Das passt nicht zu Rheinland-Pfalz, und das wollen wir auch nicht.“

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Ziel: Sozial gerecht – wirtschaftlich stark

Im „Land von morgen“ solle nach Dreyers Bekunden sozial gerecht und wirtschaftlich erfolgreich zugehen: „Nur das kann es sein.“ Ein gutes Leben sei der wichtigste Aspekt.

Die Staatskanzlei sei gut mit der Unternehmerschaft im Land verbunden. Zum wirtschaftlichen Erfolg gehöre aber auch eine entsprechende Infrastruktur, betonte die Ministerpräsidentin und schlug den Bogen zum Dauerthema Rheinbrücke. Man lege viel Energie in das Vorantreiben des Projekts, versicherte Dreyer. Auch „stupse“ man immer wieder die Kollegen aus Baden-Württemberg an.

Zur Infrastruktur gehöre natürlich auch schnelles Internet, das es bis Ende 2018 in „jeder Ecke“ in Rheinland-Pfalz geben soll.

Zudem soll die Verknüpfung zwischen Forschung und Wirtschaft noch enger werden. Das Kompetenzzentrum in Kaiserslautern sei als eins der fünf besten in Deutschland ausgezeichnet worden, sagte Dreyer: „Gute Arbeit ist wichtig, aber nicht nur irgendeine Arbeit. Flexibilität von Unternehmen: Ja. Aber kein Missbrauch von Leiharbeitern.“

Rheinland-Pfalz habe die höchste Gründerquote in Deutschland. Das spreche für das gute Klima im Land. Man wolle aber natürlich, dass die Gründer- und Start-up-Unternehmen auch im Bundesland blieben und ihre Ideen hier einbrächten.

 

„Allerbeste Bildung“

Die Grundlage dafür bleibe nach wie vor eine gute Bildung: „Sogar die allerbeste Bildung. Wir können es uns nicht leisten, dass uns auch nur ein einziges Kind verloren geht. Deshalb machen wir weiter mit dem Ausbau der Ganztagsschule.“
Weiterhin seien kleine Klassen, gute Bedingungen für das Lehrpersonal und das Beibehalten von Grundschulen auch in kleinen Gemeinden das Ziel.

Ob Ganztagsschulen wirklich dem Willen des Großteils der Bürger entsprechen, bleibt offen: Nur ganz zehn Prozent der Anwesenden sprachen sich bei der späteren TED-Umfrage für diesen Punkt aus (siehe Fotos unten).

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Mit der SPD bleibe Rheinland-Pfalz immer ein Land, in dem Bildung gebührenfrei bleibe, stellte Dreyer klar: „Bildung darf nichts kosten, sie ist Grundrecht.“ Das betreffe ebenso die Kita-Gebühren: „Wir entlasten damit junge Familien.“

Das komplette System müsse zudem durchlässig bleiben, damit auch Jene, die es nicht mit dem ersten Anlauf schafften, noch zusätzliche Chancen bekämen.

Die duale Ausbildung soll weiter gestärkt werden, ließ die Ministerpräsidentin wissen. Ausbildung, Studium, duale Ausbildung – alles habe den gleichen Wert. „Es ist toll, dass das in Rheinland-Pfalz geht“, sagte Dreyer.

Den Föderalismus auf das Schulsystem in der BRD angewandt, hat für Dreyer nicht nur Nachteile: „Wir hätten viele wichtigen Entscheidungen hier nicht umsetzen können mit einem zentralisierten System auf Bundesebene.“

Demografie: Gut vorgesorgt

Aber nicht nur die Jungen, auch die Alten und die Beeinträchtigten sollen gut versorgt sein. Tatsächlich kann man der Landesregierung auf diesem Sektor eine bislang rege Aktivität bescheinigen.

Zahlreiche Entwürfe für eine aktive Seniorenpolitik wurden umgesetzt: Gemeinsames Wohnen im Alter oder alternative Wohnmodelle, ein weit verzweigtes Netz an Pflegestützpunkten (1 Stützpunkt bei 30.000 Einwohnern), Gesundheitszentren, die Einführung der Gemeindeschwester plus.

Auf dem Weg ist auch die Digitalisierung der medizinischen Überwachung beispielsweise bei chronisch Kranken oder Schwerkranken.

Gegen den Hausärztemangel soll es demnächst an der Universität Koblenz-Landau einen Lehrstuhl für Hausärzte geben. Damit erhofft man sich bei Medizinstudenten ein gesteigertes Interesse für diese Art der ärztlichen Tätigkeit.

Bürgerfragen

Das Publikum hatte in der Fragerunde einiges auf dem Herzen. Bleibe denn der Mindestlohn bestehen, fragte eine Frau. Dreyer:“ Da bleiben wir ganz fest dabei, daran wird sich mit uns nichts ändern.“

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Nach 40 Jahren Arbeit reicht die Rente nicht

Wie viel Rente man denn bekäme nach 40 Jahren Mindestlohn, fragte die Bürgerin weiter.

Flugs ausrechnen konnte das niemand, aber klar war: „Es reicht nicht“, bestätigte die Ministerpräsidentin. Zwar sei zumindest das Lohndumpig eingegrenzt, die Lebenssicherung erreiche ein besseres Niveau, aber: „Es ist keine ausreichende Rente.“

In regelmäßigen Abständen komme eine Kommission aus Unternehmern und Gewerkschaften zusammen und überprüfe, ob der Mindestlohn noch ausreichend ist.  Dennoch: Diese Arbeitnehmer mit Mindestlohn seien weiterhin im Alter auf Grundsicherung angewiesen.
Ungläubiges Raunen im Publikum, die Fragestellerin selbst konnte es nicht fassen: „Nach 40 Jahren Arbeit?“
Dreyer sagte, man hoffe, die Solidarrente auf Bundesebene anzustoßen (mehr Arbeitsjahre, mehr Rente). Für alle, die unter 40 Jahre gearbeitet hätten, sei die Grundsicherung da.

Besonders Pflegeberufe seien zu schlecht bezahlt. Dreyer riet den in diesem Bereich arbeitenden Menschen, sich zu organisieren: „Damit kann man mehr erreichen. Meine Unterstützung haben Sie.“

Dreyer betonte, dass man auch die Langzeitarbeitslosen nicht vergessen werde. Sie wolle nicht, dass der Gedanke aufkäme, alles Geld fließe in die Flüchtlinge.

Energiewende, TTIP, IGS

An der Energiewende hält die Landesregierung fest. Es gebe keinen sinnvolleren Weg, als auf erneuerbare Energien zu setzen, beantwortete Dreyer eine Bürgerfrage. „Sie belasten die Umwelt nicht. Sie sehen zwar manchmal nicht so hübsch aus, aber das tun Atomkraftwerke auch nicht.“

In den Gemeinden bliebe zusätzlich oft eine hohe Wertschöpfung zurück. Auch mit den Bürgern wolle man immer diesbezüglich im Gespräch bleiben. .

Eine Frage galt dem umstrittenen TTIP. Da habe die SPD eine klipp und klare Einstellung, so Dreyer: „Es gibt keinen Grund, sich nicht Erleichterungen im Handel zu wünschen. Manche Dinge kann man vereinfachen. Aber wir werden niemals einem Abkommen zustimmen, wo ein Schiedsgericht dabei ist, wo Standards beeinträchtigt werden oder der Verbraucherschutz. Das weiß auch Sigmar Gabriel.“

Man könne aber „kleine Sachen“ verabreden.

Vertreterinnen des Schulelternbeirats der IGS Kandel meldeten sich ebenfalls zu Wort. Seit drei Jahren sitze die Oberstufe nun in Containern, nichts tue sich. Ob es eine Möglichkeit gebe, den Neubau voranzutreiben?

Dreyer beruhigte: Der Staatssekretär im Bildungsministerium sei mit Landrat Brechtel in Kontakt. Sobald der Landkreis das Bauprogramm vorgelegt habe, werde man unverzüglich mit der Aufsichts- und Dienstdirektion reden. Wenn dann von dort das OK kommt, werde man sofort aktiv, sagte Malu Dreyer und verpflichtete den zuständigen Abgeordneten Alexander Schweitzer dazu, ein wachsames Auge auf die Entwicklung zu haben.

Dreyers Auftritt war souverän, überzeugte durch eine hohe Sach- und Fachkenntnis und wurde mit viel Applaus bedacht.
Im Anschluss signierte sie ihr Buch: „Die Zukunft ist meine Freundin“, dessen Titel sie sich sehr lange überlegt habe: „Aber er passte letztendlich am besten.“ (cli)

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Umfrageergebnisse

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4 Kommentare auf "Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Kandel: So soll das Land von morgen aussehen"

  1. Michael Gebhardt sagt:

    Hallo,
    ich vermisse hier noch ein sehr Aussagekräftiges Umfrageergebniss … das letzte bevor sehr schnell beendet wurde … wenn dann sollte man alles Veröffentlichen …

    • Redaktion sagt:

      Wir bitten um Entschuldigung – das letzte Bild wurde vergessen, ist aber mittlerweile nachgereicht.

  2. Ernst Schramm sagt:

    Über welches Thema würden Sie gerne mit Malu Dreyer sprechen?

    Es fehlte das Thema Asylbewerber und Flüchtlinge.
    Hier hat M.Dreyer das Thema bewusst nicht angeschnitten. Die SPD wie auch die CDU besitzt hier keine Kompetenz.
    Malu Dreyer könnte von Seehofer lernen – doch das will sie nicht.
    Weil Seehofer 1. Frontmann ist und 2. volksnah.

    • Patrick sagt:

      Hallo Herr Schramm,
      mit Ihren Aussagen gebe ich Ihnen absolut Recht. Sie haben allerdings vergessen zu erwähnen, dass Malu besser aussieht als Herr Seehofer..