Landauer Migrationsbeirat: Aydin Taș kandidiert nicht mehr – eine Bilanz

7. September 2014 | Kategorie: Landau, Leute-Regional, Politik regional, Regional

Aydin-Taș, noch bis November Vorsitzender des Migrationsbeisrats Landau.

Landau – Aydin Taș, Vorsitzender des Migrationsbeirats Landau, wird im November nicht mehr kandidieren. Das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Dennoch kam seine Entscheidung für Viele überraschend, ging Taș doch sichtlich in seiner Aufgabe auf.

Vor fünf Jahren sei er gewissermaßen ins kalte Wasser geworfen worden, sagt er. Von seiner Vorgängerin „angesprochen im Beirat mitzuarbeiten“, ohne Erfahrungen im Bereich gesellschaftlich-politischer Gremien.

Anfangs wollte er gar nicht Vorsitzender werden. Als er aber nach den Wahlen die meisten Stimmen hatte, wurde er für den Vorsitz vorgeschlagen. Er setzte sich mit 9 zu 2 Stimmen gegen seine Vorgängerin durch.

Anfangsschwierigkeiten

Stolpersteine blieben am Anfang des Wegs nicht aus. „Es war nicht leicht, mich ohne Vorlaufzeit und Wissen in die Gremienarbeit, die vielen Vorschriften und Richtlinien der Gemeindeordnung einzuarbeiten. Bei der Einarbeitung und Umsetzung der Ziele habe ich natürlich auch Fehler gemacht“, sagt Taș und meint dabei auch die Rede eines Beiratskollegen aus Mainz, die er übernommen und sich dabei nichts gedacht hatte.

Taș hatte vorausgesetzt, dass der Mainzer Kollege im Sinn des gemeinsamen Migrationsanliegens schon einverstanden gewesen wäre – ein Irrtum.

„Das tut mir nach wie vor sehr leid“, betont Taș „Ich stehe zu meinen Fehlern. Ich habe mich entschuldigt und bereue das.“ Er habe nur die verbindende Sache im Auge gehabt und nicht an Urheberrechte gedacht.

„Wer nichts tut, macht auch keine Fehler und als Mensch macht man Fehler“, so Taș „Im Übrigen wurde die Resolution im Stadtrat nicht aufgrund dieser Rede verabschiedet, sondern wegen der Überzeugungsarbeit im Vorfeld.“

 Viele Ziele umgesetzt

Das alles ist Vergangenheit – die Ziele jedoch, die er sich zu Beginn seiner Amtszeit vorgenommen hatte, hat er konsequent vorangetrieben und weitestgehend installiert.

Unter seinem Vorsitz wurden die Wochen gegen Rassismus ins Leben gerufen, die es so in dieser Form zuvor nicht gab. Diese finden immer im März statt. Im Rahmen der bundesweiten Aktion wird die schwierige Thematik Rassismus und Ausgrenzung mit Veranstaltungen und Infoveranstaltungen aufgegriffen und in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.

Die Banneraufhängung am Landauer Rathaus als äußeres Merkmal „Landau gegen Rassismus“ geht ebenfalls auf Taș´ Initiative zurück.

Gemeinsam mit Monika Oberfrank von Caritas Zentrum Landau hat er die „Initiative für Toleranz und Courage. Landau und SÜW gegen Fremdenhass“ ins Leben gerufen. Taș ist für sein Engagement gegen Rassismus landesweit bekannt und geschätzt.

Auch die Wochen der Kulturen, eine seit 14 Jahren regelmäßig stattfindende Veranstaltungsreihe, die in verschiedenen Bereichen die Begegnungen zwischen Einheimischen und Migranten fördert, hat Taș kräftig vorangetrieben.

Politische Diskussionen, Bücherlesungen, das interkulturelle Fest, der Tag der offenen Moschee oder die regelmäßigen Fußball-Matches „Politiker gegen Migranten“ (und auch Nicht-Migranten) helfen, Fremdheitsgefühle abzubauen.

Schon in der konstituierenden Sitzung im Dezember 2009 hatte sich der Beirat für die Mitarbeit in mehreren Ausschüssen des Stadtrats ausgesprochen.

Durch die Teilnahme als beratendes Mitglied in Bau-, Sozial-, Schulträger-, Kultur-, Jugendhilfe- und Sportausschuss hatte der Beirat die Möglichkeit, sich auch mit aktuellen kommunalen Themen auseinanderzusetzen und sie in die Migrantenbevölkerung zu transportieren.

„Auch Nicht-EU-Bürger sollen kommunal wählen dürfen“

Eines von Taș´ wichtigsten Anliegen in dieser Zeit: Das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger.

Zusammen mit dem Germersheimer Migrationsbeiratsvorsitzenden Ziya Yüksel, dem Wörther Vorsitzenden Metin Istanbullu und Adnan Inan, Beiratsvorsitzender der Stadt Germersheim, trommelte Taș besonders vor der Bundestagswahl, was das Zeug hielt: Infostände, Diskussionsabende, Flyer und Vorträge sollten die Bevölkerung für das Thema sensibilisieren.

Warum ein Bürger, der seit 30 Jahren in Deutschland lebe und dessen Kinder hier Schule besuchten, nicht mitbestimmen dürfe, welche Straße ausgebaut oder welcher Pflasterstein verlegt würde, sei ihm noch nie klar gewesen, sagt Taș. Die Aktion fand viel Zuspruch.

Rechte und Pflichten

Enttäuscht zeigt sich Taș bis heute von einem regionalen Politiker, der ihn und Yüksel harsch angefahren habe, wie man „so etwas“ direkt vor der Bundestagswahl ins Leben rufen könne. „Dabei ist die Teilhabe ein ganz wichtiger Baustein zur Integration. Nicht EU-Bürger haben dieselben Pflichten, aber wie steht es mit den Rechten? Und als Vorsitzende ist es unsere Aufgabe, uns für die Rechte der Migranten einzusetzen.“

 Gute Mannschaft und Kooperationspartner

Sein Ziel, den Migrationsbeirat bekannt und arbeitsfähig zu machen und die Integrationsarbeit zu fördern, hat er erreicht in den fünf Jahren.

„Natürlich nicht allein, ein Kapitän ist nur so gut wie seine Mannschaft“, betont Taș. Er habe immer fleißige und engagierte Mitstreiter gehabt.

Auch OB Hans-Dieter Schlimmer und Bürgermeister Thomas Hirsch, die meisten Fraktionen des Stadtrats sowie Mitarbeiter der Stadtverwaltung hätten immer ein offenes Ohr für Gespräche mit dem Beirat gehabt: „Sie waren immer da, wenn wir sie gebraucht haben. Für die Unterstützung möchte ich mich im Namen des Beirats und der Migranten in unserer Stadt herzlich danken.“

So ist in der Tat die Integrationsarbeit über die Grenzen Landaus hinaus wertgeschätzt und Vorbild für manch andere Kommune.

Die politische Zusammenarbeit des Beirats beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Landauer Kommunalpolitik,sondern weitet sich auch auf die Landesebene mit dem Integrationsministerium und den Integrationsbeauftragten des Landes Rheinland Pfalz aus.

Dieser Zusammenarbeit verdankt der Beirat unter anderem die finanzielle Unterstützung für den Integrationsfilm „Alles Landauer – Integration ist unsere Stärke“.  (Hier geht´s zum Film „ Alles Landauer – Integration ist unsere Stärke“)

Dazu engagierte sich Aydin Tas als Vorstandsmitglied beim Landesverband AGARP (Arbeitsgemeinschaft der Beiräte für Migration und Integration Rheinland-Pfalz).

Der Förderverein des Beirats für Migration und Integration, der interkulturelle Kalender, das Integrationslogo, der Integrationspreis, Integrationsfilm – alles Ideen oder Projekte von Aydin Taș. Bei den Wahlen im November steht er dennoch nicht mehr als Vorsitzender zur Verfügung.

Mehr Zeit für die Familie

„Die Arbeit im Beirat in den letzten fünf Jahren war sehr zeit- und energieaufwendig. Es hat zwar sehr viel Spaß gemacht. Aber mit minimalen Ausstattungen und Möglichkeiten, die bevorstehende Arbeit zu bewältigen, hat sie auch sehr viel Kraft gekostet“, begründet Taș seinen Entschluss.

„Stellenweise war es kein Ehrenamt, sondern ein Vollzeitjob, und halbe Sachen mache ich nicht“, sagt Taș.

56 ordentliche Beiratssitzungen mit Vor- und Nachbereitungen hat er absolviert, dazu  die Vertretung des Beirats in Stadtratssitzungen, Präsenz des Beirats bei Veranstaltungen und Eröffnungen, Teilnahme an Podiumsdiskussionen. Schulauftritte, Vertretung in Netzwerken, Gespräche mit Migranten und Migrantenorganisationen: „Dabei ist die Familie öfters zu kurz gekommen. Ich möchte mir definitiv mehr Zeit für meine Familie nehmen.“

Taș ist verheiratet, hat zwei Kinder im jugendlichen Alter und ist im letzten Jahr noch einmal Vater eines Nachzüglers geworden.

Kein Rücktritt, sondern nur keine neue Kandidatur

Er betont ausdrücklich, dass es sich nicht – “wie so oft verbreitet“ – um einen Rücktritt handele, sondern um eine zeitig angekündigte „Nicht-Kandidatur“.

Er führe sein Amt bis Ende der Legislaturperiode aus: „In meiner Anfangs-Lernphase habe ich Fehler gemacht und mich teilweise schwer getan. Potenzielle Nachfolger sollen die Möglichkeit haben, sich ausreichend zu informieren und intensiv vorzubereiten. Denn es geht um eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, die sehr ernst genommen werden muss.“

Mehr politische Arbeit

Zudem sind ihm seine politischen Ambitionen wichtig. SPD-Mitglied Taș will seine Arbeit in der Partei verstärken: „Kommunalpolitik für Alle. Mitarbeit in Ausschüssen und Aufsichtsrat. Migrationsarbeit in der SPD.“

Bei den Kommunalwahlen schrammte er knapp an einem Mandat im Stadtrat vorbei, als die Fraktion einen Sitz verlor. Dennoch sieht er das Ergebnis mit 5865 Stimmen als „sehr positiv“: „Darauf kann ich aufbauen – ich bin ja erst kurze Zeit in der Kommunalpolitik und erkenne neidlos an, dass meine Mitbewerber besser waren.“

Für den ersten Anlauf sei das gut gelaufen. Sollte jemand von der SPD Fraktion vom Rat ausscheiden, wäre Taș, der stellvertretender Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Landau ist, der erste Nachrücker.

In drei Ausschüssen (Sozial, Kultur und Sport) wird er arbeiten und im Aufsichtsrat der Stadtholding sitzen.

„Das unterstreicht das Vertrauen der Sozialdemokraten in meine Person sowie in meine Arbeit und ermöglicht mir, aktiv Politik zu machen. Dies werte ich nicht als Nichtvertrauen der Sozialdemokraten nach dem verpassten Einzug in den Stadtrat, wie mancherorts behauptet wurde“, sagt er.

„Man kann sagen: Ich habe meine Ziele erreicht, mich für alle Landauer einsetzen zu dürfen und bedanke mich bei all denjenigen, die mich in der Vergangenheit unterstützt haben und mir ihr Vertrauen für die Zukunft ausgesprochen haben.“ (cli)

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