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Kundgebung in Herxheim nach Brandanschlag: Solidarität mit Flüchtlingen – „Kein Platz für Hass und Gewalt“

Gemeinschaftsgefühl beim Singen der "Ode an die Freude": Die Bürger hileten sich an den Händen. Fotos und Videos: pfalz-express.de/Licht [1]

Gemeinschaftsgefühl beim Singen der „Ode an die Freude“: Die Bürger hielten sich an den Händen.
Fotos und Videos: pfalz-express.de/Licht  – Fotostrecke am Textende

Herxheim – Etwa 1.600 Menschen hatten sich am Abend vor dem Rathaus in Herxheim zur Kundgebung „Für ein faires Miteinander in Respekt und Toleranz: Herxheim.Menschen.Freundlich.“ versammelt.

Aufgerufen dazu hatten die Ortsgemeinde, die Verbandsgemeinde Herxheim, der Landkreis Südliche Weinstraße und die Initiative HerxheimBunt.

Hintergrund war der Brandanschlag auf die geplante Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge [2], auf den Politiker und viele Bürger schockiert reagiert hatten.
In der Nacht zum 11. Dezember hatte es dann in der Flüchtlingsunterkunft im Waldstadion nochmals gebrannt (den Bericht dazu gibt es hier [3]).

Kundgebung Herxheim 11.12.2015 Brand Flüchtlingsunterkünfte [4]

Es sprachen Hedi Braun, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Herxheim, Ortsbürgermeister Franz-Ludwig Trauth, Innenminister Roger Lewentz, die Dekane der beiden Kirchengemeinden Axel Brecht und Volker Janke, Landrätin Theresia Riedmaier, Helmut Dudenhöffer von der Initiative HerxheimBunt und der Autor Michael Bauer.

Gekommen war auch Wirtschaftsministerin Eveline Lemke. Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Integrationsministerin Irene Alt hatten sich bereits gestern vor Ort [5] ein Bild gemacht.

Auch zahlreiche Bürgermeister und Politiker waren vor dem Rathaus mit dabei, um ihre Haltung zum Ausdruck zu bringen.
Viele Bürger hatten Schilder und Transparente mitgebracht, Kerzen oder Fahnen – und überall wurde deutlich gemacht: Die Flüchtlinge sind willkommen.

„Armselig“

Bei zwei Bränden (Brandstiftung ist beim Brand am 11. Dezember noch nicht belegt, Bericht hier [6], Anm.d.Red) in Flüchtlingseinrichtungen könnten schon Zweifel auftreten, sagte Verbandsbürgermeisterin Hedwig Braun. Ein Schrecken sei es gewesen – gewalttätige Akte gegen ethische und moralische Werte seien es zudem.

Gerade in einem Land wie Deutschland müsse es (mit Blick auf die Geschichte) selbstverständlich sein, Schutzsuchenden zu helfen. Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge nannte Braun „armselig“.

Hetzern entgegen treten

Ortsbürgermeister Franz-Ludwig Trauth sieht in den Vorkommnissen die „Tat Einzelner“, die versuchten, Angst und Unfrieden zu verbreiten. Herxheim erscheine nun nach außen in einem ganz anderen – schlechten – Licht, dabei gebe es so viel Engagement und guten Willen.

„Treten Sie den Hetzern und Gewalttätern entschlossen entgegen“, forderte Trauth die Bürger auf.

Südpfalz nicht fremdenfeindlich

Innenminister Roger Lewentz machte den Herxheimern Mut. Angesichts der großen Menschenmenge sah er ein „klares Bekenntnis“ zum Motto der Veranstaltung.

Das seien die Bilder, die in das Land hinaus strahlten: „Wer behauptet, dass Herxheim, dass die schöne Südpfalz fremdenfeindlich ist, dem sagen wir: „Wir haben es anders erlebt“, rief Lewentz.

Herxheim sei ja jetzt schon bunt, auch dank der Initiative HerxheimBunt. Das alles nehme man mit und verkünde es ebenso in Berlin.

„Nächstenliebe besiegt Hass“

Dekan Axel Brecht betonte, dass die Bibel den Schwachen den Vorrang gebe. Das sei ein urchristlicher Wert. Alle Menschen wären Schwestern und Brüder: „Es kann uns nicht egal sein, was mit ihnen passiert“, sagte Brecht und appellierte sinngemäß dem alten Sprichwort „Was du nicht willst, was man dir tu, das füg´auch keinem And´ren zu“.

Brecht forderte einen „Aufstand der Vernünftigen“. Vor 77 Jahren hätten Synagogen gebrannt und niemand sei dagegen aufgestanden. Den Gewalttätern rufe er zu: „Euer Hass kann unsere Nächstenliebe niemals besiegen!“

„Was ist los mit den Menschen?“

Das fragte sich Dekan Volker Janke. „Was ist passiert mit einem Menschen, dass er nicht mehr mit anderen Menschen mitleiden kann?“ Die Lunte beginne immer im Kopf, so Janke.

Die Versammlung so vieler Bürger wertete er dennoch als „starkes Zeichen“. Man sei in einer ökumenischen Gemeinschaft zusammengekommen, gleich welchen Glaubens und Hautfarbe: „Wir stehen hier zusammen!“

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In Sinne ihrer Vorredner äußerten sich auch der HerxheimBunt-Vorsitzende Helmut Dudenhöffer und Autor Michael Bauer.

„Dumme, grausame Kommentare“

Landrätin Theresia Riedmaier war die Erschütterung noch immer deutlich anzumerken. Niemand habe sich das alles vor zwei Wochen vorstellen können, sagte sie.

Die Kleidung – zur Gänze verbrannt – sei auch ein Symbol für die Freundschaft und Verbundenheit mit den Geflüchteten gewesen: „Kleider, die wir selbst einmal auf unserer Haut getragen, weiter gegeben und geteilt haben.“

Die Menschenwürde indes sei unteilbar: „So wollen wir leben“, bekräftigte Riedmaier.

Sie habe „zynische, grausame und dumme Kommentare“ gelesen. Die Aufgabe, denjenigen, die das geschrieben hätten, Bildung und Herzensbildung beizubringen, sei viel größer als die Aufgabe, eine Million Flüchtlinge unterzubringen. Viel Aufklärungsarbeit gelte es zu leisten, Dialoge zu führen, aber auch klare Worte zu finden.

Dennoch sei sie zuversichtlich, sagte die Landrätin: „Wir haben viel Ermutigung erfahren. Wir werden miteinander weitermachen. Wir sind heute stärker als vorgestern!“ Die Menschenfreundlichkeit habe einen Namen: Herxheim.

Die Kundgebung wurde musikalisch begleitet vom DuoBen Hergl und Wolfgang Weiß mit ihrer eigenen, nachdenklich-philosophischen Variante in deutscher Sprache von John Lennons „Imagine“.

Zum Abschluss der Veranstaltung sangen Akteure und Bürger zusammen mit „Chawwerusch-Theater mit Herxheimer Chören“ die Ode an die Freude: Freude, schöner Götterfunken – und hielten sich an den Händen.

Aus polizeilicher Sicht verlief der Abend erfreulich: Es gab keine Störungen oder negative Vorfälle.  (cli)

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