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Kritische Podiumsdiskussion über investigativen Journalismus, Persönlichkeitsrechte und Medienmacht: „Ist sich die Presse ihrer Verantwortung bewusst?“

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Wolfgang Thiel, Alexander Schweitzer und Wolfgang Schwarz (rechts) mit den Podiumsteilnehmern.
Foto: Renner-Moser

Klingenmünster. Im Stiftsgut Keysermühle in Klingenmünster traf sich ein illustrer Kreis von Medienvertreten, um sich kritisch im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit dem Spannungsfeld der medialen Berichterstattung, den Persönlichkeitsrechten und der Medienmacht auseinander zu setzen.

Angeregt und organisiert hat dies der agile Verein „60 Plus Südpfalz SPD“ mit ihrem Vorsitzenden Wolfgang Thiel, in Zusammenarbeit mit der Friedrich Ebert Stiftung, vertreten durch Dr. Martin Gräfe.
Das Postulat: „Oftmals geht eine mediale Berichterstattung zu weit, werden Details einer „Story“ veröffentlicht, oder mediale Vorverurteilungen schädigen Menschen oder Organisationen in ihrer Existenz“, stand am Anfang der Debatte.

Die „Gretchenfragen“ an den investigativen Journalismus: „Wie hältst Du es mit der Ethik? Wie weit darfst Du gehen? Wie objektiv und zuverlässig ist dein Beitrag?“ diskutierten
Prof. Thomas Leif (Chefreporter des SWR Fernsehen), Dr. Yvette Gerner ( Chefin vom Dienst, Chefredaktion ZDF), Prof. Gerhard Robbers (Staatsminister der Justiz und für Verbraucherschutz Rheinland Pfalz) und Michael Garthe (Chefredakteur, „Die Rheinpfalz“).

Einführung und Moderation übernahm Martin Stadelmaier (Chef der Staatskanzlei RLP aD.). Er eröffnete die Runde mit der provokanten Frage: „Können wir Euch Journalisten überhaupt noch trauen? “

Damit sprach er das in den letzten Jahren gesunkene Vertrauen der Bevölkerung in die Medien und deren Berichterstattung an. Nur über die Presse und deren Wohlwollen würde die Bürgermeinung transportiert. Nur der, über den berichtet wird, werde auch wahr genommen.

Ist die Presse sich dieser Verantwortung bewußt?

Robbers meinte dazu: „Ich bin weder skeptisch, noch enttäuscht, wie die Presse ihre Verantwortung wahrnimmt. Kritischer Journalismus funktioniert hier (gemeint ist Deutschland) sehr gut!“

Auch die anderen Medienvertreter äußerten sich recht selbstzufrieden mit der vorhandenen Pressekultur.

Alles schön gefärbt?

Doch Professor Leif öffnete die“ Büchse der Pandora“ und konstatierte selbstkritisch , dass er dem „Pastellbild“ seiner Vorredner „es sei doch alles gut“ nicht zustimmen könne.

Die Medien benähmen sich, als seien sie die „vierte Macht im Staate“ mit einem „Riesenego“. Ein Beispiel dafür liefere die Flüchtlingsfrage, bei der dem Bürger ein „X für ein U“ vorgemacht und die Bürgermeinung verfälscht wiedergegeben werde.

Heraus käme dabei eine „mediengemachte Euphoriewelle“. Journalismus kreiere einen unglaublichen Mainstream und führe zu einer umgekehrten Machtpyramide. Pointiert ausgeführt an dem Beispiel, „dass in der Pfalz keiner Bürgermeister werde, wenn es der Rheinpfalz nicht gefällt“.

Er kritisierte auch die “ wahnsinnige Sucht nach Emotionen“, die den Journalismus befeuere, zu Lasten der Qualität gehe und  von unternehmerischen Verkaufsinteressen geleitet sei.

„Presse eher Kontroll-Organ“

Daraufhin konterte Michael Garthe, dass die Presse kein Staatsorgan sei, da sie nicht gewählt worden sei. Von daher stelle er in Frage, ob die Presse wirklich die „vierte Macht im Staate“ sei. In seinen Augen, wäre die Presse eher ein „Kontrollorgan“. Von daher solle sie so unabhängig als möglich sein und demzufolge sei er auch kein Unternehmer, sondern aus Überzeugung Journalist.

Als Garthe die Macht der Zeitung weit von sich wies, gab es laute und vielstimmige Unmutsäußerungen aus dem Publikum. Das Kleinreden der Pressemacht wurde vom „Volk“ nicht akzeptiert.

Unter dem durchweg kompetenent und politisch gebildeten Publikum befanden sich auch auch so prominente Zuhörer wie Alexander Schweizer, Fraktionsvorsitzender der SPD Rheinland Pfalz und Landtagsabgeordneter Wolfgang Schwarz. Etwa 70 weitere Bürger waren der Einladung gefolgt.

In dieser Auseinandersetzung mit dem Publikum liegt die Würze und auch das Lernpotential einer solchen hochkarätigen Diskussionsrunde, da die Verantwortlichen, die „Macher der Medien“, sich mit der bodenständigen Realität und Bürgermeinung stellen müssen. Es ist für beide Seiten eine Chance, sich (wieder) Aufeinander zu zu bewegen und auch eine Verbesserung der Medienqualität zu erreichen.

So wurde von der Presseseite enttäuscht festgestellt, dass sich nur noch 20 Prozent der Bürger für Politik interessierten. Leiff leitete daraus die Forderung ab , dass die Presse die Aufgabe hätte, durch gut verstehbare Berichte Verständnis und Interesse der Bürger zu wecken. Von den anderen Diskutanten wurde dieser „Lehrauftrag“ jedoch abgelehnt.

Einen großen Anteil der abschließenden Diskussionsrunde galt der Auseinandersetzung mit den „neuen Quellen“, den sozialen Medien im Internet. Diese bildeten die Konkurrenzmacht und würden von den klassischen „Medienmogulen“ gerne als Quelle minderer Qualität betrachtet; von daher hebe sich seriöser Journalismus durch höhere Quellenkritik ab.

Eine Zuhörerin kritisierte in diesem Zusammenhang, dass in allen klassischen Medien nahezu das Gleiche berichtet werde. Yvette Gerner vom ZDF räumte ein, dass die Berichterstattung wie auch die Recherche sich noch mehr der Nutzung und der Präsenz in den sozialen Medien annehmen müsse.

Thomas Leiffs Postulat nach mehr ethischen Standards, die in den öffentlich rechtlichen Sendern festgelegt werden müssten, wäre eine gute Lösung für eine Nutzung dieser Quellen, um künftige journalistische Qualität zu sichern.

Martin Gräfe beendete zufrieden die Veranstaltung mit dem Vorschlag, eventuell zum Thema „Wirtschaftsethik“ eine weitere Diskussionsrunde zu veranstalten. (Helgit Renner-Moser)

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Foto: Renner-Moser

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