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Kandel: Harsche Kritik an der Vorgehensweise: Bürgerinitiative „Juststraße“ fordert Verwaltung heraus

6. Mai 2014 | Kategorie: Allgemein, Kreis Germersheim

Die Juststraße mit der neuen Bepflasterung. Vielen Aliegern war sie zu teuer.
Fotos: pfalz-express.de

Kandel – Schwere Vorwürfe erhebt die Bürgerinitiative (BI) Juststraße gegenüber der Stadtspitze und der Verwaltung in Kandel.

Diese soll beim Ausbau der Juststraße schlecht informiert und teilweise willkürlich gehandelt haben.

Die BI mit ihren Vorsitzenden Thomas Schönitz und Dieter Brettenmeier haben nun einen Rechtsanwalt beauftragt, die Interessen und Bedenken der Anwohner gerichtlich zu vertreten.

Was geschehen war

Nachdem im ersten Abschnitt der Straße die Kanalisation erneuert werden musste, wurde im Stadtrat beschlossen, die Juststraße in zwei Bauabschnitten voll auszubauen und im Bereich der Verkehrsmischfläche eine neue Pflasterung zu verwenden.

Die BI kritisiert diverse Punkte. So hätten die Bürgermeister Tielebörger (Stadt) und Poß (Verbandsgemeinde) bei einer Anliegerversammlung am 31. Januar 2012 für die Kosten der Maßnahme einen Verteilerschlüssel von jeweils 50 % für Stadt und Verbandsgemeinde (VG) angekündigt, der dann bereits in der Sitzung vom 9. Februar 2012 vom Stadtrat durchgewunken worden sei.

Die Anlieger beanstanden nun, dass dieses „Gentleman-Agreement“ zwischen Stadt und Verbandsgemeinde mehr als fragwürdig sei und zweifeln ihre Rechtmäßigkeit an.

„Ungeachtet der Tatsache, dass der Verursacher in Sachen Vollausbau der Straße die marode Kanalisation ist, gilt das Prinzip, dass der Verursacher auch die Kosten zu tragen hat, hier offensichtlich nicht“, so Thomas Schönitz.

Die Anwohner haben bereits Gebührenbescheide zugestellt bekommen, die je nach Grundstücksgröße und Nutzungsart mehrere Tausend Euro betragen. Besonders ärgerlich für die Bürgerinitiative: Sie sieht keinen schlüssigen Grund in den Ausbaubeitragssatzung der Stadt Kandel, die eine derartige Kostenbeteiligung der Anlieger an dem Ausbau deckt.

Juststraße, zweiter Bauabschnitt.

Die Anlieger rügen weiter, dass die Verbandsgemeinde sich aufgrund nicht notwendiger Kanalsanierungen im 2. Bauabschnitt fast komplett aus der „Verantwortung stehlen will“. In diesem Bereich sei die Kanalisation völlig in Ordnung, so Schönitz und Brettenmeier, es habe dort keinen Grund für Baumaßnahmen an der Straße gegeben. Abrechnungstechnisch seien beide Abschnitte jedoch zusammengenommen worden, für die Stadt Kandel sei es auf diese Weise möglich gewesen, Vorausleistungen zu erheben.

Für punktuell durchzuführende Reparaturen wolle man leidlich einen marginalen Anteil an den Kosten übernehmen. Hier ende sozusagen die Gemeinschaftsmaßnahme zwischen VG und Stadt. Anlieger und Stadt blieben auf den Kosten sitzen.

„Wild drauf los gebaut“

Harsche Kritik auch an der Projektplanung und -durchführung: Man habe schlichtweg „drauflos gebaut“ und ohne Einwilligung der Eigentümer Zugriff auf ihr Eigentum genommen. „Private Pflaster oder asphaltierte Flächen wurden einfach weggerissen oder Laternen ohne Genehmigung auf privaten Grund und Boden gesetzt.“ Im letzteren Fall soll eine Eigentümerin erst im Nachhinein zu einer Unterschrift veranlasst worden sein. Ohne Rücksprache sei teurer Pflasterstein verwendet worden.

„Kein offizieller Beschluss“

„Auch über geltende Beschlüsse wurde während der Bauphase großzügig hinweggesehen“, so die BI-Vorsitzenden. „Es hätte laut Bauausschuss nur asphaltiert und nicht gepflastert werden sollen. Angesichts solcher unkoordinierter Vorgehensweisen wird die gesamte Baumaßnahme fraglich.“

Da passe es, dass auf Anfrage der BI kein Beschluss zur Notwendigkeit eines Vollausbaus der Juststraße seitens der Verwaltung vorgelegt werden konnte. „Dieser existiert schlicht weg nicht“, sagt die BI.

„Die Straße ist nun breiter, das Pflaster lauter. Für den engen Teil sollte eine Verkehrsmischfläche entstehen, in der Fußgänger, Fahrradfahrer und Autofahrer gleichberechtigt sind. Tatsache ist, dass die Fahrzeuge nun schneller fahren. Der Ausschuss lehnte eine Spielstraße und auch andere verkehrsberuhigende Maßnahmen ab“, so Schönitz. „Was als Verbesserung gedacht war, hat sich als Verschlechterung herausgestellt.“

Kritik an Kostenaufteilung

Laut Stadt liegt auch kein Durchgangsverkehr in der Juststraße vor. Das sieht die Bürgerinitiative jedoch ganz anders: Es gebe Gewerbe in der Straße, zudem sei die Juststraße ein oft genutzter Umgehungsweg für die Ampeln an der Rheinstraße/Marktstraße und Bahnhofstraße. Daher sieht die BI die Kostenaufteilung von 50/50 als nicht gerechtfertigt an. “Hier muss der Stadtanteil mindestens 60 Prozent betragen, da ein starkes öffentliches Interesse vorliegt“, fordert die BI.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die sogenannten Overheadkosten, wie Vermessungen, Ingenieursleistungen oder Untergrunderkundung. Hier seien der Stadt und den Anwohnern ebenfalls die Kosten zugeschlagen worden, obwohl eine Beteiligung der Verbandsgemeinde bei einer Gemeinschaftsmaßnahme zwingend geboten sei.

Pfalzwerke sollen an den Kosten beteiligt werden

Genauer unter die Lupe nehmen will die BI auch die Rolle der Pfalzwerke als Netzbetreiber für das Stromnetz. Da diese die Erdverkabelungsarbeiten durchführen, müssten auch sie an den Kosten beteiligt werden, meint die BI. Die Konzessionsverträge sind jedoch so abgefasst, dass die Pfalzwerke nur dann Kosten für Tiefbauarbeiten zu tragen haben, wenn diese aus eigener Initiative Erdverkabelungen veranlasst haben.

„Also gibt es keinen Zuschuss von Pfalzwerken, die Verkabelung müssen die Anwohner zahlen.“

Eskalation vermeiden

Das Vertrauen in die Verbandsgemeinde sei massiv erschüttert, sagen Schönitz und Brettenmeier: „Diese Vorgänge, diese Schlampereien sind schwer verständlich. Wie soll sich da jemand wehren?“

Es gehe in keinem Fall darum, sich um Kosten zu drücken, betonen die beiden BI-Sprecher. „Aber es soll korrekt gemacht werden. Wenn die VG zu einem höheren Anteil verpflichtet ist, darf das nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen. Und dass die Stadt das Geld schon dreimal ausgegeben hat, kann nicht zu unserem Problem gemacht werden.“

Die Gemeinde müsse nun alles tun, um eine Eskalation zu vermeiden, und solle einen Abhilfebescheid schreiben.

Auf die hohe Anzahl von Widersprüchen habe die Verwaltung sehr hilflos reagiert. „Da sie offensichtlich nicht Herr der Lage ist, will sie den Vorgang so schnell wie möglich an den Kreisrechtausschuß unter deutlichem Hinweis auf die Vollstreckbarkeit von nicht gezahlten Vorausleistungen, abgeben“, sagen Schönitz und Brettenmeier. „Man sollte lieber den Weg der Zusammenarbeit mit den Bürgern als Dienstleister für den Bürger gehen.“

Zusammenfassend fordert die BI:

1.    Rücknahme aller Bescheide über die Erhebung von Vorausleistungen für den 1. Bauabschnitt

2.    Änderung des Ratsbeschlusses über die Nutzung der Juststrasse als Durchgangsstraße. Daher muss der Gemeindeanteil der Kosten auf mindestens 60% erhöht werden.

3.    Sämtlicher Kosten für die Straßenbauarbeiten sind den Verbandsgemeindewerken als Verursacher zuzuordnen.

4.    Als eine Gemeinschaftsmaßnahme ist die Verbandsgemeinde in gleichem Maße an den Kosten zu beteiligen.

5.    Beteiligung der Pfalzwerke an den Kosten der Erdarbeiten für die Erdverkabelung der Haushalte.

6.    Korrekte Zuordnung und Abrechnung der Pflasterarbeiten auf privatem Grund.

Nun soll es ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht geben. „Bis zur Entscheidung von dort will die Verbandsgemeinde nun tatsächlich keine weiteren Mahn- oder sonstige Maßnahmen gegen die Anlieger, die bis jetzt nicht die Vorausleistungen gezahlt haben, durchführen. Das zeigt schon, dass die Verwaltung sich auch nicht wirklich sicher ist, wer denn nun Recht hat“, ist Thomas Schönitz überzeugt.

Mit dem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht wäre das Verfahren vor dem Kreisrechtsausschuss allerdings nicht hinfällig. Zur Zeit finde die formale Abstimmung der Daten zwischen der Verwaltung, dem Kreisrechtsausschuss und dem Anwalt der Bürgerinitiative statt.

„Leider haben die Bürgermeister Tielebörger und Poß in der ganzen Angelegenheit nur zwei Mal mit uns gesprochen (13.06.2012 und September 2013). „Denn wir sind nach wie vor zu Gesprächen bereit. Doch der Ball liegt nun bei den Herren Poß und Tielebörger.“, betonen die beiden BI-Sprecher.

 Poß: „Antrag auf Zahlungsaussetzung liegt nicht vor

So weit sei die Sache noch nicht gediehen, sagte hingegen Kandels Verbandsgemeindebürgermeister Volker Poß. Bislang läge der Verwaltung lediglich ein Widerspruch der Bürgerinitiative vor, der jedoch keine aufschiebende Wirkung auf die Zahlungsbescheide habe.

Das bedeutet für die Anwohner: Es muss trotzdem bezahlt werden. „Auch wenn man Widerspruch einlegt, muss bezahlt werden. Das steht in der Verwaltungsgerichtsordnung und ist unstrittig“, so Poß. „Ich bin überzeugt, die Sachbearbeiterin hat alles nach besten Wissen und Gewissen errechnet. Und ich sehe keinen Punkt, der so gravierend wäre, dass die Verwaltung sagen könnte, ´wir verzichten auf das Geld´.“

Verständnis hat Poß trotzdem für die Anlieger: „Solche Beiträge sind für beide Seiten unangenehm, sowohl für uns, die erheben müssen, als auch für die, die zahlen müssen. Das ist eine ganz ganz schwierige Angelegenheit.“

Ein Antrag des Rechtsanwalts der BI auf Aussetzung der Bezahlung mit der entsprechenden Begründung sei jedoch bis dato (5. Mai) nicht eingegangen. „Wenn der Antrag da ist, werden wir das prüfen“, sagte Poß. „Wenn wir ablehnen, dann gibt es erstmals die Möglichkeit, im Eilverfahren vor das Verwaltungsgericht zu gehen, das die Angelegenheit summarisch prüft.“

Ein eindeutiges „Ja“, dass die Verbandsgemeinde vorerst keine weiteren Beitragsbelege verschickt, will Poß nicht geben. „Die erste Rate war bereits fällig, diese muss bezahlt werden. Die zweite Rate ist noch gar nicht fällig. Das ist der Zeitpunkt, in dem wir uns derzeit bewegen.“

Erst wenn der Antrag eingegangen und gründlich geprüft sei,  könne die Verwaltung eine Entscheidung treffen. (cli)

 

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Ein Kommentar auf "Kandel: Harsche Kritik an der Vorgehensweise: Bürgerinitiative „Juststraße“ fordert Verwaltung heraus"

  1. Christian Vedder sagt:

    Auch ich bin mit meinem Gartengrundstück Anlieger an der Juststraße und Zahler! Vor Beginn der Baumaßnahme gab es eine Anwohnerversammlung. Die Informationspollitik und Tansparenz zu Notwendigkeit und Kosten der Straßensanierung, hätte man besser machen können. Mit ist bewusst, dass die wenigsten gerne Beiträge entrichten und sich aber auch oftmals ohnmächtig fühlen. In der Juststraße hat sich eine BI auf den Weg gemacht, deren Einsatz sich lohnen könnte. Immerhin haben sehr viele Anwohner sich durch die Unterstützung gewehrt. Es stellen sich viele Fragen, auf die Antworten darf man gespannt sein. Wenn nun noch der Rechtsbeistand seine Arbeit voran bringt und Ankündigungen wahr macht, dann sollte es zeitnah eine gerichtliche Vorabentscheidung geben können und die Hängepartie sich auflösen – so bleibt es zu hoffen.