Dienstag, 23. April 2024

Johannes Heger auf dem PfalzMetall-Tag 2016: „Tarifverträge sind diskriminierungsfrei“

30. Juni 2016 | Kategorie: Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer, Regional, Rheinland-Pfalz
PfalzMetall-Präsident Johannes Heger (l.) mit dem Festredner Dr. Michael Böhmer von der Prognos AG. Foto: Linzmeyer-Mehn

PfalzMetall-Präsident Johannes Heger (l.) mit dem Festredner Dr. Michael Böhmer von der Prognos AG.
Foto: Linzmeier-Mehn/Pfalz-Metall

Neustadt. „Keiner kann so gut Arbeitsbeziehungen organisieren und regeln wie wir dies tun. Der Tarifautonomie in diesem Land sei Dank“, sagte Johannes Heger auf dem PfalzMetall-Tag.

Vor rund 230 Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Verbänden, Verwaltung, Hochschulen sowie der Gerichtsbarkeit kritisierte der PfalzMetall-Präsident gleichzeitig die Politik, die in weiten Teilen vergessen habe, welchen Bedeutung und welchen Wert die Tarifautonomie besitze.

Als Beispiel führte er unter anderem das „Lohngerechtigkeitsgesetz“ an. Damit will Bundesfamilienministerin Schwesig die sogenannte Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen bekämpfen.

Diese ergibt sich, wenn man pauschal die Durchschnittsstunden-Verdienste von Männern und Frauen vergleicht, ohne zu berücksichtigen, dass Frauen häufiger Teilzeit arbeiten und in welchem Beruf oder Branche sie tätig sind.

„Die Behauptung, bei der Lohnlücke handele es sich um Diskriminierung durch die Unternehmen, ist aus der Luft gegriffen“, so Heger, der fragte, wie Geschlechterdiskriminierung bei tarifgebunden Unternehmen überhaupt von statten gehen solle.

„Tarifverträge kennen keine Geschlechter. Sie bewerten Tätigkeiten nach Aufgaben und nicht nach Personen. Damit sind Tarifverträge nicht nur geschlechtsneutral, sondern insgesamt diskriminierungsfrei“, sagte der PfalzMetall-Präsident, der mit Blick auf die 120 Seiten Gesetzestext von „Sargnägeln für die Tarifautonomie“ sprach.

An die Politik appellierte der PfalzMetall-Präsident, weniger zu regulieren, stattdessen mehr zu investieren: „In unserer in Teilen marode Verkehrsinfrastruktur, in unsere in Teilen unzulängliche Versorgung mit Breitband, in Forschung und Entwicklung sowie in Bildung. Geld, das die Politik hier investiert, trägt in Zukunft reiche Früchte. Das gilt für den Bund im Übrigen genauso wie für das Land“, so Heger.

Als große Herausforderung für die Metall- und Elektroindustrie bezeichnete Heger die in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Personalkosten. „Standortverlagerungen aus Kostengründen spielen wieder eine Rolle in unserem Land“, führte er aus.

So hat das IW Köln ermittelt, dass die Auslandsinvestitionen den Investitionen im Inland immer mehr davon eilten. Bereits heute tätigen die Unternehmen ein Fünftel ihrer Investitionen in Produktionskapazitäten im Ausland. In fünf Jahren soll es laut Studie sogar ein Viertel sein. Und als wichtigsten Grund (38 %) nennen die Unternehmen Kostenvorteile.

Zu diesem Bild gehöre, dass der Kapitalstock, also die Summe der Investitionen in Anlagen, Ausrüstung, Patente und Gebäude, seit 2002 rückläufig sei, wenn man die Investitionen der boomenden Automobilindustrie außen vor lasse. „Viele Teilbranchen der M+E-Industrie fahren seit Jahren im Rückwärtsgang“, mahnte Heger.

Nach dem PfalzMetall-Präsidenten überbrachte der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Dr. Volker Wissing ein Grußwort der Landesregierung.

Hauptredner war Dr. Michael Böhmer von der Prognos AG. Sein Vortrag lautete „Ein Blick bis 2040: Was auf Unternehmen zukommt“.

Ein weiterer Programmpunkt war die Vergabe des Preises der Stiftung PfalzMetall. Für ihre Diplom- bzw. Masterarbeiten an der Technischen Universität Kaiserslautern erhielten Katrin Schilling und Benjamin Watkins jeweils 2500 Euro.
Preis der Stiftung PfalzMetall verliehen:Katrin Schilling und Benjamin Watkins ausgezeichnet

Übergabe des Preises der Stiftung PfalzMetall an Benjamin Watkins (l.) und Katrin Schilling (r.) durch PfalzMetall-Präsident Johannes Heger (2. v. l.) und Wirtschaftsminister Volker Wissing. Foto: Linzmeier-Mehn/Pfalz-Metall

Übergabe des Preises der Stiftung PfalzMetall an Benjamin Watkins (l.) und Katrin Schilling (r.) durch PfalzMetall-Präsident Johannes Heger (2. v. l.) und Wirtschaftsminister Volker Wissing.
Foto: Linzmeier-Mehn/Pfalz-Metall

Katrin Schilling und Benjamin Watkins sind für ihre herausragenden Studienleistungen und für ihr ehrenamtliches Engagement von der Stiftung PfalzMetall ausgezeichnet worden.

Die Stiftung vergibt jährlich den Preis an Absolventen der Technischen Universität Kaiserslautern in den Fachrichtungen „Maschinenbau und Verfahrenstechnik“ sowie „Elektro- und Informationstechnik“.

Katrin Schilling erhielt den Preis der Stiftung PfalzMetall für ihre Diplomarbeit „Entwicklung eines Assistenzsystems zur Unterstützung von Montageaufgaben mittels Augmented Reality und semi-automatischer Wissensaufbereitung“.

In ihrer Abschlussarbeit geht die Maschinenbau-Ingenieurin der Frage nach, wie Datenbrillen, Smartphones oder Tablets in der Fertigung tätige Menschen unterstützen können.

Im Fokus steht dabei die Rolle von Augmented Reality, also die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung, beispielsweise indem einem Arbeiter mittels einer Datenbrille zusätzliche Informationen mitgegeben werden.

Katrin Schilling hat dazu zum einen Gestaltungsregeln entwickelt, die eine hohe Gebrauchstauglichkeit und eine gute Verständlichkeit garantieren sollen.

Eine dieser Regeln lautet beispielsweise, dass Bedienelemente in der virtuellen Darstellung auf das Nötigste reduziert werden, damit die reale Umgebung im Fokus der Aufmerksamkeit bleibt. Zum anderen hat die Diplom-Ingenieurin ein Datenformat entwickelt, das die Wiedergabe solcher Informationen geräteunabhängig ermöglicht.

Zudem hat Katrin Schilling ein Konzept entwickelt, um automatisiert Wissen aus bestehenden Dokumenten zu gewinnen. Mit dieser mit der Note 1 bewerteten Arbeit hat die 26-Jährige Lösungskonzepte für die Digitale Fabrik entwickelt und zugleich den Menschen in den Mittelpunkt des Fertigungsprozesses gestellt. Die Praxistauglichkeit ihres Konzepts hat Katrin Schilling anhand realer Fertigungsaufgaben eines Nutzfahrzeugherstellers belegen können.

Benjamin Watkins erhielt den Preis für seine Master-Arbeit „Event-Based Distributed Control of Physically Interconnected Linear Systems Subject to Constraints“.

Auch diese Arbeit im Studiengang Elektrotechnik ist im Kontext von Industrie 4.0 angesiedelt. Benjamin Watkins untersucht darin, wie einzelne autonome Elemente einer komplexen Produktionsanlage miteinander effizient, effektiv und drahtlos kommunizieren können.

Die Herausforderung in der Steuerung solcher Prozesse besteht zum einen darin, dass die physikalischen Zustandsbeschränkungen der einzelnen Elemente („physical constraints“) einfließen müssen. Solche eine Zustandsbeschränkung kann beispielsweise die maximale Länge eines Roboterarms sein. Zum anderen ist der Kommunikationsprozess so zu gestalten, dass nur relevante Informationen gesendet werden.

Andernfalls könnte es zu Überlastung des drahtlosen Kommunikationsnetzes kommen. Zur Lösung dieser Probleme hat Benjamin Watkins zwei Ansätze gewählt: Zum einen hat der 29-Jährige einen Koordinierungsregler entworfen. Dieser definiert für alle Elemente des Systems die jeweiligen Systemeinschränkungen.

Zum anderen hat der gebürtige Pirmasenser einen „Ereignisgenerator“ entworfen. Dieser wirkt für die einzelnen Elemente wie eine Schranke: Nur bei Vorliegen der definierten „Ereignisse“ kommuniziert ein Element mit den anderen.

Der Ereignisgenerator verhindert so eine Datenflut. Die Erkenntnisse seiner mit Note 1 bewerteten Masterarbeit hat Benjamin Watkins mittlerweile in einer internationalen Fachzeitschrift veröffentlicht. Zudem werden die gewonnen Erkenntnisse am Lehrstuhl mit Industriepartnern weiter untersucht. (red)

Print Friendly, PDF & Email
Zur Startseite

Abonnieren Sie auch unseren Pfalz-Express-Kanal bei YouTube

Diesen Artikel drucken Diesen Artikel drucken
Schlagworte: , ,

Kommentare sind geschlossen