Dienstag, 16. April 2024

Illusion vom Mittelalter: Berwartstein, Trifels und Hambacher Schloss

24. Januar 2015 | Kategorie: Kreis Germersheim, Regional

Burgen und Schlösser erwandern – in der Pfalz gibt es genug davon.
Foto: Pfalz-Express

Rheinzabern – Im Zusammenhang mit einer Sonderausstellung über Burgen im Museum Rheinzabern bietet die vhs im ersten Quartal 2015 mehrere Vorträge an.

Einst gab es ca. 600 Burgen in der Pfalz. Von einem Drittel sind noch Ruinen vorhanden, von manchen nur noch ein winziges Restchen. Und die drei berühmten Pfälzer Burgen, die wieder aufgebaut wurden, sahen ganz anders aus als wie sie uns heute begegnen: Berwartstein, Hambacher Schloss und Trifels.

In einem kurzweiligen Vortrag stellte Rolf Übel, Mitautor des Pfälzer Burgenlexikons, dieses berühmte Burgen-Trio vor. Ihre Geschichte endete nicht mit der Zerstörung im Bauernkrieg, im Dreißigjährigen Krieg oder in den Raubzügen Ludwigs XIV. Viele dienten danach als Steinbrüche für die umliegenden Gemeinden – das Gemäuer wurde von den Burgherren, die längst anderswo residierten, gegen Geld verkauft. Bis König Maximilian I. von Bayern im 19. Jahrhundert das Steinbrechen auf Burgen verbot.

Bei Adel und reichem Bürgertum hatte man das in englischen Landschaftsparks verwendete „Ruinenerlebnis“ als Mode entdeckt, verstärkt durch die Hype um das Nibelungenlied, Novalis Heinrich von Ofterdingen oder Gustav Freytags Bilder aus der deutschen Vergangenheit.

Als wohl berühmteste Beispiele dieser Modewelle gilt die Rheinromantik mit Musik, Poesie und Burgen wie z.B. Stolzenfels. Auch die Hochkönigsburg im Elsass oder die Wartburg in Thüringen sind vom Geist der Romantik beeinflusst, der auch den Gedanken des Denkmalschutzes entstehen ließ. Zudem inszenierte sich der Adel mit Architektur, indem er der aufkommenden Demokratisierung die gottgewollte Ordnung des Mittelalters entgegenstellte, während reiches Bürgertum den Adel imitierte.
Wer fragt heute danach, wenn er im Restaurant des Berwartstein seine Leberknödel verdrückt?

Die Reichsburg aus dem 12. Jahrhundert erhielt um 1890 ihr heutiges Aussehen. Nach dem Willen der Besitzer sollte sie dem mittelalterlichen Original möglichst nahe kommen. In der Tat vermittelt der Berwartstein die Silhuette einer mittelalterlichen Burg, obwohl originale Mauersubstanz kaum vorhanden ist. Die Mischung aus Original, Imitation und musealem Charakter hat indes unzählige Menschen von Kind an geprägt.

Ritter Hans von Trotha, besser bekannt als „Hans Trapp“ macht zusätzlich Reklame. In jedem Fall aber weckt der heutige Berwartstein das Interesse an Burgen und Geschichte generell, so dass aus dem einst militärischen ein volkspädagogischer Auftrag wurde.

Im neugotischen Stil und nach dem Vorbild von Hohenschwangau sollte die bischöflich speyerische Kästenburg bei Hambach wieder aufgebaut werden. Zuvor war sie dem Bayerischen König geschenkt und in Maxburg umbenannt worden. Die Pläne zum Umbau von August von Voit wurden 1845 gestoppt.

Der heute gängige Name Hambacher Schloss wurde erst in der Freiheitsbewegung geprägt, die im Hambacher Fest 1832 einen besonderen Höhepunkt gefunden hatte. Diese Episode wird aber erst seit einem halben Jahrhundert wieder ernsthafter kultiviert, weshalb die Burg gesichert und umgebaut wurde, zuletzt wieder einmal nicht ganz unumstritten.

Als kleine Kuriosität für die oft künstliche Vorstellung von Burgenbau weht auf  einem vermeintlichen Wehrturm die Deutschlandfahne. Dass es sich indes um einen einstigen Abortturm handelt, tut dem Renommee der Burg keinen Abbruch, hat sie doch längst die Funktion als Gedenkstätte der Freiheitsbewegung übernommen.

Höchstinteressant ist die Geschichte des Trifels, einem Konglomerat von Bauperioden zwischen dem 11. und 20. Jahrhundert. Sein heutiges Aussehen wurde im 3. Reich geprägt. Erinnerten die Rheinburgen an das sogenannte „Erste Reich“, das 1806 unterging, so sollte im Trifels die Idee des „Dritten Reiches“ Ausdruck finden: Pompös, mächtig, globig, klotzig, nennt es der Referent.

Hitler, Gauleiter Bürckel, der aus Ludwigshafen stammende Bayerische Ministerpräsident Siebert und Bürgermeister Peters wollten hier unter Baumeister Rudolf Esterer eine nationalsozialistische Weihestätte schaffen, ein Mahnmal gegen das Welschtum im Westen und als Pendant zur Marienburg in Westpreußen, einem Bollwerk gegen das Slawentum im Osten.

Da es den Nazis stets auch um Legitimation von Macht ging, scheute man sich nicht, Säulen und Kapitelle im Stile von Bauten Friedrichs II. zu verwenden, der nie in Annweiler war. Dessen „Gral“ Castel Monte oder das Kastell von Bari in Apulien wurden als Vorbilder herangezogen. Schöpferische  Denkmalpflege, nannten die damaligen Herren den Umgang mit Geschichte.

Der Trifels schien so bedeutsam (nicht zuletzt war hier vorübergehend auch der englische König Richard Löwenherz festgehalten worden), dass dafür auch ca. 150 000 RM aus der Privatschatulle Hitlers geflossen sind. Mit Lob versah Rolf Übel die Nachbildungen der Reichskleinodien von Prof. Hubbert, die in einem würdigen Raum an die einstige Bedeutung der Burg erinnern. Da der Palas in den 30-er Jahren zu mächtig geworden war, erhöhte man in den 60-er Jahren noch den Hauptturm, um die Proportionen wieder einigermaßen herzustellen.

So hat jede der wieder aufgebauten Pfälzer Burgen ihre besondere Rolle gefunden, auch wenn ihr heutiges Aussehen weit entfernt ist von der mittelalterlichen Physiognomie.
Insgesamt ein quicklebendiger Vortrag, der das Auge auf einige Besonderheiten lenkte und natürlich dazu animierte, sich auf Spuren der Geschichte zu begeben.

Der nächste Vortrag im Rahmen der Sonderausstellung ist am 19.2.2015, 19.30 Uhr, im Kleinen Kulturzentrum Rheinzabern.

Thema sind dann Burgen im Kraichgau und am Neckar.
Die Sonderausstellung im Terra-Sigillata-Museum hat folgende Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Samstag:  11.00 bis 16.00 Uhr
Sonn- und Feiertag:  11.00 bis 17.00 Uhr

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