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Herxheim: Projekt „Mobile Retter“ vorgestellt: „Jede Sekunde zählt“

12. April 2017 | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Regional
V.li.: Dietmar Seefeldt, Jürgen See, Dr. Matthias Wölfel, Stefan Prasse. Fotos: Pfalz-Express/Licht

V.li.: Dietmar Seefeldt, Jürgen See, Dr. Matthias Wölfel, Stefan Prasse, Karl Dieter Wünstel.
Fotos: Pfalz-Express/Licht

Herxheim – Das Interesse war groß: Zur Infoveranstaltung „Mobile Retter“ war der kleine Saal in der Festhalle voll.

Initiiert hatte die Veranstaltung der CDU-Landratskandidat für die Südliche Weinstraße, Dietmar Seefeldt. Die Mobilen Retter sollten keine Konkurrenz für die bestehende Notfallversorgung, sondern eine Ergänzung sein, sagte Seefeldt, der darauf gedrängt hat, das Projekt schnellstmöglich auch im Kreis SÜW einzuführen.

Mobile Retter ist ein smartphonebasiertes Ersthelfer-System mit Rettungsleitstellen-Anbindung. Der Kreis Germersheim führte das System als erster Landkreis in Rheinland-Pfalz ein. Dr. Matthias Wölfel, Oberarzt in der Asklepios-Klinik in Kandel und Sprecher der Leitenden Notärzte im Kreis Germersheim, hatte das Projekt dort angestoßen und federführend auf- und ausgebaut.

Mobile Retter, Kreis SÜW

Jede Sekunde zählt

Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand zähle jede Sekunde, erklärte Wölfel den Zuhörern in der Festhalle. Je schneller Hilfemaßnahmen erfolgen, umso größer die Überlebenschance für die Betroffenen. Notarztwagen und First Responder sind zwar schnell – im Durchschnitt brauchen sie neun Minuten von der Alarmierung bis zum Einsatzort.

Mit der neuen App „Mobile Retter“ kann allerdings oftmals die Zeit bis der Rettungswagen eintrifft nochmals deutlich verkürzt werden. Denn jeder, der schneller vor Ort ist, verbessert die Chancen des Patienten.

Und so funktioniert´s: Speziell geschulte Ersthelfer, eben jene „Mobilen Retter“, die sich in unmittelbarer Nähe zum Notfall befinden – zum Beispiel in der Nachbarschaft oder ein paar Straßen weiter im selben Ort – werden von der Leitstelle per GPS geortet und durch die Mobile-Retter-App mit einem lauten Alarmton auf dem Smartphone informiert.

Der Rettungsdienst wird natürlich zeitgleich losgeschickt. Bis dieser eintrifft, kann der in der Nähe befindliche Helfer die oft entscheidenden lebensrettenden Maßnahmen schon einleiten. Die Überlebenschancen steigen umso mehr, je früher beispielsweise mit einer Herzdruckmassage begonnen wird.

Wie wird man „Mobiler Retter“?

Da es in Deutschland rund 50 Millionen Smartphone-Besitzer gibt, trägt wohl jeder Helfer den Notfallmelder schon bei sich. Der technische Aufwand ist minimal, der Schulungsaufwand mit etwa drei bis vier Stunden gering.

Angesprochen sind alle, die regelmäßige Erfahrung in Erster Hilfe haben. Der Einsatz erfordere schon eine gewisse Professionalität, sagte Wölfel. Für Feuerwehrleute, Angehörige medizinischer Organisationen oder THW sei das „Alltagsgeschäft“. Auch Personen, die im weiteren Sinne medizinisch tätig sind, wie Arzthelferinnen oder Pflegepersonal, können sich zur Verfügung stellen.

Nicht möglich ist die Registrierung derzeit für reine Privatpersonen ohne jede medizinische Erfahrung. Die psychische Belastung sei zu hoch, so Wölfel.

Zugang zur App erhält ein Mobiler Retter zudem erst dann, wenn er geschult ist und eine Vereinbarung zum Datenschutz und zur Schweigepflicht unterschrieben hat.

Von der Kreisverwaltung SÜW und der Stadt Landau ist nun angedacht, das im Kreis Germersheim etablierte Projekt auf die gesamte Südpfalz auszuweiten. Der Germersheimer Landrat Dr. Fritz Brechtel hatte dazu seine Bereitschaft und Hilfe signalisiert.

Wölfel sagte, damit sei es für Landau und SÜW wesentlich einfacher, denn man könne die Strukturen quasi per „copy & paste“ übernehmen. Trotzdem brauche es einen Projektleiter, einen „Kümmerer“ mit Herzblut und Kontakten in alle Richtungen. Den Kümmerer hat man in der Person von Peter Wollny gefunden, leitender Notarzt SÜW und stellvertretender Vorsitzender des DRK Landau. Wollny hat sich bereit erklärt, das auch zeitlich anspruchsvolle Vorhaben zu übernehmen. Trotzdem brauche er ein Team von Unterstützern, so Wölfel, denn alleine sei das nicht zu schaffen.

Die Kosten für das System (siehe Fotogalerie) will Asklepios auch in den Folgejahren übernehmen. Sponsoren stehen mit der Sparkasse, der VR Bank und der Firma ITK bereit.

See: Brauchen Erste-Hilfe-Kultur

Jürgen See, Geschäftsführer der DRK-Rettungsdienst Südpfalz GmbH, unterstützte ausdrücklich die Initiative. Hilfe sei mehr als willkommen, denn die Mitarbeiter und Strukturen beim Rettungsdienst seien am „oberen Limit angekommen.“

See plädierte für eine Erste-Hilfe-Kultur in Deutschland. Die sei nämlich hierzulande verkümmert, weil sich jeder auf die professionellen Strukturen verlasse. Es folgte ein Appell an die Politik: „Unterstützen Sie den Schulsanitätsdienst.“ Erste Hilfe solle in den Unterrichtsplan aufgenommen werden, denn „was man als Kind lernt, das bleibt – und Kinder wollen helfen.“ Es gebe einen großen Unterschied beispielsweise zur USA: „Dort brennt die Bevölkerung für Erste Hilfe.“

Mit dem Mobilen Rettern im Kreis Germersheim habe man eine überwältigende, quasi „konfessionsübergreifende“ Erfahrung gemacht, Helferkonzepte nicht an Organisationen zu binden, sondern an eine Struktur: „THW, Feuerwehr, Malteser, DRK – alle helfen zusammen.“

Für Übergriffe an Ersthelfern forderte See härtere Strafen: „Wenn es keine Konsequenzen gibt, ändert sich nichts.“ Er hoffe, dass auch die Justiz dies bald verstehe. See plädierte zudem an die Gesellschaft. Es gelte, füreinander einzustehen, zuzupacken, etwas zu tun.

Einsatzbericht: Man ist nicht allein“

Karl Dieter Wünstel aus Hatzenbühl ist seit einiger Zeit Mobiler Retter und seit über 20 Jahren ehrenamtlicher Feuerwehrmann.

Wünstel erzählte eindringlich, wie er seine mittlerweile drei Einsätze als Mobiler Retter empfunden hat. Die Routine der Feuerwehreinsätze habe ihm gerade beim Anfahrtsweg sehr geholfen, nicht in Hektik und Nervosität zu verfallen. Bei Ankunft habe die Tür jeweils schon offengestanden, aufgeregte Angehörige hätten auf Hilfe gewartet.

In zwei Fällen habe der Patient noch geatmet, berichtete Wünstel. Seine Aufgabe sei deshalb gewesen, auf die Lagerung des Patienten zu achten, damit das auch so bleibe.

Beim dritten Einsatz war Herzdruckmassage gefordert. Die sei anstrengend, aber kurz darauf sei eine zweite Mobile Retterin, eine Intensivkrankenschwester, eingetroffen, etwas später noch ein dritter Mobiler Retter. Bei allen drei Vorkommnissen habe man auch die Angehörigen betreut und beruhigt. Diese seien sehr dankbar gewesen. Wünstel ermutigte potenzielle künftige Mobile Retter: „Tun Sie einfach das, was Sie gelernt haben.“

Stefan Brasse, Geschäftsführer von Mobile Retter, erklärte, die Intension sei, das Projekt bundesweit auszudehnen. Man wolle aber keine neue Hilfsorganistaion schaffen, nur einen „Rahmen geben.“

Am Ende der Veranstaltung beantworteten die Akteure noch Fragen aus dem Publikum. Gefragt wurde unter anderem, ob sich ein Mobiler Retter auf dem Weg zu einem Einsatz an die Straßenverkehrsordnung halten müsse (ja), oder ob er sich ausweisen müsse (nein). (cli)

Weitere Informationen auf www.mobile-retter.de

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