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Germersheimer Kommandeur Hinze seit einem Jahr im Amt: Gradlinige Führung mit Teamgeist

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Oberstleutnant Dietmar Hinze führt das Bataillon seit  28. September 2012.
Fotos: Licht

Germersheim – Seit knapp über einem Jahr führt Oberstleutnant Dietmar Hinze das Luftwaffenausbildungsbataillon in der Graf-Sponeck-Kaserne in Germersheim.

Keine leichte Aufgabe: Die Aussetzung der Wehrpflicht, die Umstrukturierung innerhalb der Bundeswehr, der Sanierungsbedarf an Gebäuden und Wegen in der Kaserne sind die Aufgaben, denen sich der Kommandeur zu stellen hat. Hinzes Fazit nach dem ersten Jahr: „Es gibt noch viel zu tun.“

Und so packt er an – engagiert, dabei unaufgeregt, aber konsequent und mit neuen Ideen: Ein Offizier der neuen Schule, mit Teamgeist und viel Verständnis für die Menschen, die ihm unterstellt sind. „Eine Berufung“, sagt er. „Meine Arbeit füllt mich vollständig aus.“

Dabei kam die soldatische Laufbahn ursprünglich in seinem Lebensplan gar nicht vor.

Geboren 1972 in Berlin-Charlottenburg, unterlag er als Westberliner nicht einmal der Wehrpflicht. Er gewann als Jugendlicher den Landespreis Jugend und Technik und damit ein Stipendium der deutschen Studienstiftung für Biochemie. Aber der Dienst in der Bundeswehr lockte mehr: Im Juli 1991 heuerte Hinze als Zeitsoldat in Rodt bei Nürnberg an: Genau in der Kompanie, die ihm jetzt als Kommandeur untersteht.

Nach seinem Offizierslehrgang an der Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck studierte Hinze Pädagogik, mit Schwerpunkt Berufs- und Betriebspädagogik, Psychologie, Politik- und Organisationswissenschaften und schloss als Bester seines Jahrgangs ab. Nach einem Praktikum bei der Berliner Lufthansa entschied er sich dennoch für eine weitere militärische Laufbahn – bereut hat er diesen Entschluss nie.

Stationen hat er viele hinter sich (siehe Lebenslauf am Textende): Holzdorf, Kaufbeuren, Hammelburg, Potsdam, Hamburg, Bonn, Köln: Samt und sonders Weiterbildungs-, Ausbildungs- und Aufstiegspunkte für den engagierten Luftwaffenoffizier. Bevor Hinze nach Germersheim berufen wurde, war er Dezernent und stellvertretender Dezernatsleiter in der Abteilung Zentrale Aufgaben Personalführung im Personalamt der Bundeswehr in Köln.

Viele Einsätze der Bundeswehr hat Hinze mitgemacht und ist damit bestens geeignet als Kommandeur eines Bataillons, das Soldaten auf Auslandseinsatz vorbereitet. Unter anderem war Hinze in Dschibuti, auf dem Balkan und Afghanistan aktiv. In Afghanistan leitete er das sogenannte „Provincial Reconstruction Team“ in Kundus, war an Delegationsgesprächen und bei der ISAF-Planung unter General  Riechmamm mit dabei. Sein eigentliches Berufsziel, Kommandeur zu werden, hat er dabei nie aus den Augen verloren: „Mit Menschen zu arbeiten und die Verantwortung eines Verbands zu tragen, war schon immer mein Wunsch.“

Der Weg dahin ist nicht einfach, die Auswahlkriterien sind streng und führen durch mehrere Gremien, die die Eignung beurteilen. Als Kommandeur setzt Hinze weiterhin auf Teamarbeit und hat beste Erfahrungen damit gemacht. Wenn es eine Herausforderung zu lösen gilt, trommelt er schon mal seine Offiziere zusammen – und jeder darf offen sprechen. Hat der Kommandeur eine Entscheidung getroffen, wird diese häufig im Nachgang ausgewertet. Dieses Recht gesteht der Oberstleutnant auch seinen nachgeordneten Offizieren auf ihrer jeweiligen Ebene zu. Sogar eine Truppenpsychologin berät den Kommandeur.

PEX: Welchen Herausforderungen sahen Sie sich als neuer Kommandeur gegenüber?

Oberstleutnant Hinze: Wir haben eine der stärksten Truppenumwälzungen in der Geschichte der Luftwaffe. Und wir dürfen eins nicht vergessen: Man kann auf dem Papier viel planen, aber hier geht es um Menschen. Um Individuen, die bestimmte eigene Vorstellungen und Lebensplanungen haben. Dieses Bataillon musste Dienstposten abgeben. Das bedeutet, dass es für Menschen, die auf diesem Dienstposten saßen, auf einmal keine Verwendung hier in Germersheim gab. Sie haben aber vielleicht ein Häuschen, sie und ihre Familien sind in der Region integriert.

Natürlich nehmen wir diese Struktur ein, das steht außer Zweifel. Jedoch gilt es immer wieder zu informieren, Betroffene zu Beteiligten zu machen. Und das geht am besten durch Reden mit den Menschen. Darum, die beste Möglichkeit für jeden Einzelnen zu finden – und für beide Seiten. Deshalb habe ich die ersten Monaten sehr viele Gespräche geführt, informiert, um die Vorstellungen des Inspekteurs Luftwaffe begreifbar zu machen, in Worte zu fassen. Der Handlungsspielraum musste ausgelotet werden, wie ich als Kommandeur diese Entwicklung menschenfreundlich gestalten kann. Das schafft man nicht in allen Einzelfällen, aber dann sollte man wenigstens erläutern, warum etwas ist, wie es ist.

PEX: Wie viele Leute mussten versetzt werden?

Das ist im einstelligen Bereich. Wir versuchen, das Problem sozialverträglich „rauswachsen“ zu lassen – wenn z. B. Kameraden in Pension gehen, wird die Stelle nicht weiter besetzt. Soviel Spielraum haben wir. Dennoch müssen auch Dienstposten umbesetzt werden, Viele mussten erst einmal einen Lehrgang besuchen.

Wie weit sind die Umstrukturierungsmaßnahmen gediehen?

Das Problem ist die Verkleinerung, aber gleichzeitig, den Auftrag weiter durchzuführen.Ein bildhafter Vergleich: Wir arbeiten am Motor, aber das Auto muss gleichzeitig fahren. Es wäre leichter, wenn wir hier die Kasernentore drei Monate schließen und uns Zeit nehmen könnten. Aber der Ausbildungsbetrieb muss ja weiter laufen. Für den Standort hier haben wir es jedoch nahezu geschafft: Die Umstrukturierungsmaßnahmen bald abgeschlossen.“

Welchen Auftrag hat das Bataillon in der Hauptsache?

Wir haben eine sehr verantwortungsvolle Ausbildung hier für die ganze Luftwaffe – die gilt es sicherzustellen. Das ist einmal die Grundausbildung. Den Einstieg in das Team Luftwaffe mit der Vermittlung von Grundfertigleiten. Gleichzeitig machen wir die einsatzvorbereitenden Ausbildungen. Wir müssen sicherstellen, dass die Soldaten, die in den Einsatz gehen, die bestmögliche Ausbildung erhalten.

Zusätzlich haben wir seit dem 1. Juni ein neues Konzept der Offiziersausbildung., die nun in Germersheim und Rodt stattfindet und nicht mehr an der Offiziersschule. Auf diese Art lernen die angehenden Offiziere quasi von der Pike auf , wie es den Soldaten ergeht, die sie später einmal führen sollen. So sind auch unsere Dienstgrade aufgebaut.“

Haben Sie ein Motto bei der Führung des Standorts?

Ich habe sogar zwei. Mein erstes Motto ist: „Wer Menschen führen will, muss sie gern haben.“ Zweitens: „Durch Lehren lernen wir“. Keiner ist perfekt.

Die Offiziersausbildung wurde ebenfalls umgestellt. Was muss der Luftwaffenoffiziersanwärter von heute lernen?

Zuerst einmal lernt der Anwärter genau die Struktur kennen, praktisch und theoretisch. Es gibt eine Art „Luftwaffenreise“, um diesen Verband erst einmal erlebbar zu machen. Es gibt ja mittlerweile bei der Luftwaffen Berufsbilder, z. B. der Luftwaffensicherung, die nichts mehr mit Fliegen zu tun haben. Es wird einen Ausbildungsabschnitt Segelfliegen geben, um die dritte Dimension kennenzulernen.

Die Anwärter lernen Führungsverhalten, wie man Unterrichte vorbereitet und durchführt, Vortrage hält usw. Man muss sich auch körperlich beweisen, zum Beispiel auf einem Lehrgang, bei dem man körperlich stark belastet wird. Das ist wichtig, um die eigenen Grenzen kennenzulernen. Wer andere Menschen führen will, muss zuerst sich selbst kennen. Man lernt, was Fürsorge und Kameradschaft ist.

Anschließend durchlaufen die Offiziere in Schwerpunktuniversitäten wie in Hamburg oder München ihre jeweiligen Studiengänge. Es gibt ein sehr breites Feld: Psychologie, Luft- und Raumfahrttechnik, BWL, Organisationswissenschaften, Politikwissenschaften, Geschichte usw.

Beste Vorbereitung auf den Auslandseinsatz

In Germersheim werden etwa 6.000 Soldaten auf Auslandseinsätze vorbereitet. Diese kommen nicht nur von der Luftwaffe, sondern auch aus dem Heer und von der Marine.

Die Trainingsmodule sind unterschiedlich– je nachdem, aus welchem Sektor jemand kommt. Angefangen wird mit theoretischem Unterricht. Auch interkulturelle Unterrichte nehmen einen großen Stellenwert ein: Welche Sitten und Gebräuche herrschen in jeweiligen Einsatzland, was ist erlaubt, was nicht. Noch allgemein gehalten sind die anschließenden Übungen einer Patrouille zu Fuß, das Bewachen und Schützen von Lagertoren, das Erkennen von Minen und das korrekte Absetzen von Meldungen. Erst danach wird entschieden: Wer geht in den Auslandseinsatz?

Die Soldaten, die sich dafür entschieden haben, werden in einem realistischen Szenario trainiert, 150 Kostüme für unterschiedliche Ländermodule stehen zur Verfügung – mit Darstellern inklusive.

Es werden entsprechende Situationen durchgespielt, im Übungsdorf und mit „Gegnern“ in Landestracht: Wieder und immer wieder, bis eine Handlungssicherheit entstanden ist. Die Sanitätsausbildung verstärkt. Für die Darstellung einer sogenannten Sanitätslage zaubern speziell ausgebildete Sanitäter täuschend echte Darstellungen von Verbrennungen oder Brüchen. Für blutende Wunden wird Kunstblut verwendet. „Wir investieren sehr viel Geld in diese Ausbildung“, sagt Dietmar Hinze.

Bei abschließenden Gesprächen bestätigten die Teilnehmer, die während der Übungen enormen Stress aufgebaut hatten: „Wir haben vergessen, das wir in der Bundesrepublik Deutschland sind. Wir dachten, wir sind mittendrin.“

Sanierungsmaßnahmen dauern noch

Die anstehenden Sanierungsmaßnahmen (wir berichteten) stehen in der Sponeck-Kaserne noch an. Immerhin: Das Infrastrukturkonzept ist abgeschlossen und unterschrieben. Die Haushaltsmittel stehen bereit, zivile Verwaltung ist dabei, dies in Auftragserteilungen umzusetzen.

Der Kommandeur ist guter Dinge: „Es gibt natürlich noch die ein oder andere Bauverzögerung, Aber die Sanitätsbreiche ziehen demnächst um. Bis 2017 hoffe ich, dass die Maßnahmen abgeschlossen sind. Dann sollte alles dem heutigen Standard entsprechen.“

In Germersheim angekommen

Er und seine Soldaten seien herzlich in Germersheim aufgenommen, sagt Hinze: „Wir haben eine gute Akzeptanz in der Bevölkerung.“   (cli)

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Oberstleutnant Hinze (links) mit den Oberstleutnants Prestele und Stolzke bei der Übergabe des Bataillons im vergangenem Jahr.

Vita von Oberstleutnant Dietmar Hinze

1991 Eintritt in die Bundeswehr
1991 Offizierslehrgang an der Offiziersschule der Luftwaffe, Fürstenfeldbruck
1992 Studium der Pädagogik an der Universität der Bundeswehr, Hamburg
1996 Zugführer in der 17./ Luftwaffenausbildungsregiment 1, Holzdorf
1997 Ausbildung zum Offizier der Luftwaffensicherungstruppe, Hammelburg
1997 Zugführer in der 20./ Luftwaffenausbildungsregiment 1, Holzdorf
1999 Inspektionschef an der Unteroffiziersschule der Luftwaffe, 10. Inspektion Kaufbeuren
2002 S3 beim Chef des Stabes im Einsatzführungskommando der Bundeswehr, Potsdam
2004 S3 Stabsoffizier und stellvertretender Kommandeur III./ Luftwaffenausbildungsregiment 1, Heide
2004 1. Generalstabslehrgang (SK) an der Führungsakademie der Bundeswehr, Hamburg
2006 SO beim Stabsabteilungsleiter I im Führungsstab der Luftwaffe im Bundesministerium der Verteidigung, Bonn
2007 Referent im Referat Grundsätze Organisation und Struktur Luftwaffe im Führungsstab der Luftwaffe im Bundesministerium der Verteidigung, Bonn
2010 Dezernent und stellvertretender Dezernatsleiter in der Abteilung Zentrale Aufgaben Personalführung im Personalamt der Bundeswehr, Köln
seit 28.09.2012 Kommandeur des Luftwaffenausbildungsbataillons

 

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