Germersheimer Kommandeur Dietmar Hinze nach Afghanistan-Einsatz: „Wir haben viel erreicht“

31. Oktober 2014 | Kategorie: Kreis Germersheim, Regional

Oberstleutnant Dietmar Hinze mit afghanischen Kindern.
Fotos: Bundeswehr

Germersheim – Als „wunderschön grün“ hat Oberstleutnant Dietmar Hinze Deutschland nach seiner Rückkehr aus dem ISAF-Einsatz in Afghanistan empfunden: „Grün, unfassbar reich und friedlich.“

130 Tage hat der Kommandeur des Luftwaffenausbildungsbataillons der Germersheimer Sponeck-Kaserne am anderen Ende der Welt in Masar-i-Sharif Dienst getan. Mit dabei waren zehn Kameraden aus den Standorten des Bataillons Germersheim und Roth.

Der von Hinze befehligte multinationale Verband war mehrere hundert Mann stark und arbeitete eng mit den US- und niederländischen Streitkräften zusammen. Die Einheit war unter anderem verantwortlich für die Sicherheit des unter deutscher Führung stehenden Camps Marmal – sechs Nationen waren dem Kommandeur dort unterstellt.

Als keine geringe Herausforderung stellte sich die Sprache heraus. Zwar wurde als Arbeitssprache englisch verwendet, doch deren Beherrschung war unterschiedlich ausgeprägt. So wurden Besprechungen viersprachig durchgeführt, erzählt Hinze: Auf Deutsch, Englisch, Armenisch und Dari.

Auch ein Dolmetscher stand zur Verfügung, der hervorragend Deutsch und Dari sprach. Wichtig für Hinze und seine Leute, die unter anderem für den Schutz des militärischen Teils des Flughafens in Masar-i-Sharif und für die Zugänge zum Feldlager zuständig waren – und somit auch für Fahrzeug- und Personenkontrollen.

Darüber hinaus befanden sich einige Dörfer um das Feldlager im Verantwortungsbereich, die Hinze immer wieder besuchte und sich mit den Maliks, den Bürgermeistern, austauschte.

Dabei war es ihm wichtig, Vertrauen zu schaffen, die Sorgen und Nöte der Landbevölkerung anzuhören, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Er sei immer herzlich und gastfreundlich aufgenommen worden, berichtet der Kommandeur. Man trank Tee miteinander, sprach mit dem Ältestenrat oder bekam stolz das Dorf gezeigt.

Eine große Hilfe bei diesen Begegnungen sei die Schulung während der Einsatzvorbereitung in Germersheim gewesen. „Wir waren hier zu Gast – es ist ein großer Vorteil, die Sitten und Gebräuche der Ethnien vorab zu kennen“, sagt Hinze.

So wurde wohl das ein oder andere durch kulturelle Unterschiede bedingte Missverständnis schon im Vorfeld vermieden: „Man bekommt Handlungssicherheit aufgrund der Ausbildung, die man sehr gut in der Praxis vor Ort umsetzen kann.“

Im Landeskundemodul, das jeder Soldat, der in den Auslandseinsatz abkommandiert wird, durchlaufen muss, wurde Hinze auf so manche Besonderheit hingewiesen: Beispielsweise bedeute Körperkontakt und sogar „Händchenhalten“ mit dem Malik beim Spaziergang durch das Dorf keinen „Annäherungsversuch“. Es zeige lediglich allen Bewohnern, dass der Gast unter dem Schutz des Bürgermeisters stehe. „Es war eine wirklich gute Vorbereitung“, sagt Hinze. „Es ist immens wichtig, die andere Kultur ernst nehmen.“

Wünsche seien übrigens keine an ihn herangetragen worden: „Dafür sind die Menschen dort zu stolz.“ Auch in wirklich bedrohliche Situationen sei man auf den regelmäßigen Patrouillenfahrten nicht geraten.

Die Kooperation mit der afghanischen Polizei habe ebenfalls gut funktioniert. Auch in diesem Bereich basiere die Zusammenarbeit auf einem guten Vertrauensverhältnis: „Wir sind schließlich keine Besatzungsmacht, wir sind Partner der afghanischen Sicherheitskräfte, die uns gebeten haben, sie zu unterstützen“, betont Hinze.

Fern der Heimat

Das Lagerleben im Camp ist minimalistisch. Bei permanenter Rufbereitschaft rund um die Uhr und an sieben Tagen die Woche bleiben wenige Rückzugsmöglichkeiten oder Gelegenheiten für Freizeitaktivitäten. „Wenn man 24 Stunden nur durch eine dünne Containerwand getrennt ist, lernt man sich wirklich gut kennen“, hatte Hinze festgestellt.

Da die elektronische Verbindung in die Heimat nicht permanent zur Verfügung stand und durch die Zeitverschiebung Telefonate oft nicht möglich waren, hat sich Hinze wieder auf eine fast vergessene Kommunikation besonnen: Das Briefeschreiben: „Man wartet und freut sich sehr auf die Feldpost.“ Diese ist allerdings nicht immer gleich schnell – manchmal dauert es einige Tage, manchmal bis zu drei Wochen, bis die Post eintrifft.

In den wenigen Stunden, die zur freien Verfügung standen, habe man meist Gespräche geführt oder Sport getrieben.

Unvergessen bei Hinze und seinen deutschen Bataillonskameraden ist der Abend, als ein Paket mit Pfälzer Spezialitäten eintraf: Wurst in Dosen. Die Männer entzündeten ein Lagerfeuer und brutzelten Bratwürste.

„So andächtig haben wir nie wieder gegessen“, erzählt Hinze, der sich noch in allen Details an diesen Tag erinnert. „Keiner hat gesprochen, wir haben einfach nur genossen.“

Nicht dass die Truppenküche schlecht sei, keineswegs. „Es mangelt dort an nichts“, so Hinze. Die Küche habe einen stark italienischen Einschlag, was man zwar möge, aber: „Nach einiger Zeit hat uns einfach das deutsche Essen gefehlt. Der Inhalt des Pakets war wie ein Stück Zuhause.“

Einsatz hat sich gelohnt

Nachdem Hinze nun mehrere Monate vor Ort die Situation hautnah erlebt hat, zieht er ein positives Fazit des ISAF-Einsatzes: „Ich widerspreche der häufig geäußerten öffentlichen Meinung, dass dabei nichts erreicht wurde. Wir haben im Gegenteil sehr wichtige Dinge erreicht.“

So gebe es mittlerweile in etlichen Dörfern Schulen, viele Maliks begriffen den Wert der Bildung: „Ich habe mit Frauen in den Dörfern gesprochen – die Kinder haben Schultaschen, weitere Schulbauprojekte werden vorangetrieben.“ Viele Dörfer empfingen sogar nun Radio oder das afghanische Fernsehen, erzählt der Oberstleutnant.

So hat auch die Bundeswehr ihren Beitrag geleistet und Möglichkeiten geschaffen, dass Hilfsorganisationen ihre Arbeit durchführen können. Das Klinikum in Masar-i Sharif wird von Deutschland unterstützt, es gibt Austauschprogramme, Ärzte werden dort von Nato-Ärzten geschult.

„Die Gegner eines neuen Afghanistans wissen, dass wir da sind. Wir überwachen die Weiterentwicklung des Landes und schützen die, die dabei helfen“, sagt Hinze. „Die afghanische Sicherungskompanie ist auf die Herausforderung vorbereitet und kann demnächst die Verantwortung alleine tragen. Es gibt jetzt in einigen früher unzugänglichen Gebieten richtige Straßen – niemand dort wünscht sich die alten Zustände zurück.“

Einen multinationalen Verband zu führen, sei eine schöne Aufgabe gewesen. Das militärische Handwerk habe besonders da Freude bereitet, wenn es darum ging, “Wege zu finden, als man anfangs dachte, da gibt es nicht einmal einen Pfad.“ Das zusammen mit anderen Nationen zu ermöglichen, erfülle ihn noch immer mit Befriedigung.

Die ersten Wochen nach seiner Rückkehr ins Land des Überflusses hat Hinze viel nachgedacht: „Man wird dankbarer, wenn man erlebt, unter welchen Verhältnissen andere Menschen um ihr Überleben kämpfen – und dabei nicht jammern, auch wenn schon kleine Kinder Wasser aus kilometerweit entfernten Brunnen beschaffen müssen.“

Er selbst hatte sich in seiner Zeit in Afghanistan ein wenig angepasst: „Es ist erstaunlich, mit wie wenig man dort auskommt: Ein gutes Buch, ein Bild von Zuhause, Briefpapier. Mehr habe ich eigentlich nicht gebraucht.“ (cli)

 

Wetterextreme: Minus 20 Grad im Winter, 45 Grad im Sommer.

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