Flüchtlingskrise großes Thema beim rheinland-pfälzischen Städtetag in Landau: Matheis fordert mehr Klarheit bei Asylverfahren

9. Oktober 2015 | Kategorie: Allgemein, Landau, Politik regional, Regional, Top-Artikel

Werner Schineller (früherer Speyerer OB, der Landauer OB Schlimmer, Dr. Christof Wolff (Schlimmers Vorgänger im Amt, Dr. Heiner Geißler und Dr. Eva Lohse beim Städtetag in der Festhalle.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Landau. In diesem Jahr war Landau gastgebende Stadt des rheinland-pfälzischen Städtetags. OB Schlimmer begrüßte die Teilnehmer und stellte seine Stadt sowie die noch laufende Landesgartenschau in kurzen Worten vor. Aus aktuellem Anlass beschäftigte sich das Hauptthema mit der Flüchtlingsthematik.

In der Debatte zur Bewältigung der Flüchtlingskrise sprach der Vorsitzende des Städtetags Rheinland-Pfalz und Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens, Dr. Bernhard Matheis klare Worte. Er forderte eine Entlastung der Kommunen und mehr Klarheit bei Asylverfahren.

„Das Ganze hat beängstigende Dimensionen angenommen, die wir ansprechen müssen“, so Matheis. „Wir müssen die Ängste der Bürger ernst nehmen und dürfen sie nicht als Rechtspopulisten desavouieren“ (brandmarken-die Red.)

Viele Kommunen klagten über immense Finanzierungsdefizite: „Deren Gestaltungsräume tendieren gegen Null“, so Matheis. „Steuererhöhungen, Schwimmbäder geschlossen, überall Personalabbau- das registrieren die Bürger.“

Städte und Gemeinden sollten die Ideen der höheren Politik per Gesetz umsetzen: „Danke für die Blumen, wir brauchen aber auch Erde und Wasser um sie zum Blühen zu bringen“.

Die Bundes-und Landesebene wälze Finanzierungsprobleme auf die Kommunen ab. Matheis gab ein Beispiel, eine „Farce in 11 Akten“, wie Bund und Land die Aufgaben verschieben und letzten Endes sich die Städte „in ihr Schicksal ergeben“.

„Wir müssen den Bürgern sagen, welche Belastungen und Einschränkungen auf sie zukommen, das wird sonst zu drastischen Verlusten der Glaubwürdigkeit führen“.

Die schnell und stark steigende Zahl von Asylsuchenden stelle die Kommunen vor große Herausforderungen: ‚Wir sind an der Grenze des Leistbaren angekommen, aber wir klagen nicht, sondern sehen es als eine Selbstverständlichkeit an, Menschen in Not zu helfen‘, so Matheis.

Dr. Bernhard Matheis bei der Begrüßung.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Alle Städte im Land stünden uneingeschränkt zu ihrer Verantwortung, Bürgerkriegsflüchtlinge aus humanitären Gründen aufzunehmen. Allerdings seien Bund und Land in der Pflicht, die Kommunen bei der Bewältigung dieser nationalen Aufgabe in vollem Umfang zu entlasten.

Matheis plädiert für eine konsequente Unterscheidung zwischen Bürgerkriegsflüchtlingen aus Ländern wie Syrien und Irak, deren Leben bedroht ist und Migranten aus sicheren Drittstaaten, die fast keine Chance auf Anerkennung in einem Asylverfahren haben. Fast 50 Prozent der Asylbewerber ohne Bleibeperspektive stammen aus den Balkan-Ländern.

„Um die Kommunen ein Stück weit zu entlasten, ist es notwendig, Asylverfahren zu beschleunigen. Dadurch sollen vor allem diejenigen ohne Bleibeperspektive schneller zurückgeführt werden können. Die Umsetzung dieser Forderung seitens der Bundes- und Landesregierung hat höchste Priorität, um die ohnehin begrenzten Kapazitäten für diejenigen offenzuhalten, die eine Perspektive auf eine dauerhafte Bleibe haben“, so der Vorsitzende des Städtetags.

Die Verfahren gerade für Asylbewerber vom Westbalkan müssten in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder zügig abgeschlossen werden und von dort aus eine konsequente Rückführung in die Heimatländer erfolgen. „Doch manche Verfahren ziehen sich monatelang oder jahrelang hin“, so Matheis.

Zusätzliches Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge müsste aufgebaut, vor Ort geprüft und bewertet werden, welche Asylanträge bewilligt oder abgelehnt werden.

Bis zu einer endgültigen Klärung sollten Asylbegehrende, insbesondere aus den West-Balkan-Staaten, in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und nicht wie bisher an die Kommunen verteilt werden.

‚Die Kommunen brauchen zusätzlich spürbare finanzielle Entlastungen, um ihre stark gewachsenen Aufgaben, etwa bei Unterbringung und Integration vor Ort, bewältigen zu können. Zudem müssen geeignete Wege gefunden werden, damit das Geld auch bei den Kommunen ankommt und nicht in den Haushalten der Länder hängenbleibt‘, so Matheis.

Die Länder müssten sich deshalb dafür öffnen, dass der Bund Finanzmittel zu diesem Zweck unmittelbar an die Kommunen durchreiche.

(Hintergrundinfo Städtetag: Die Kommunen in Rheinland-Pfalz erhalten von der Landesregierung eine Pauschale von 513 Euro pro Flüchtling. Die Mittel reichen allerdings bei weitem nicht aus, um die Kosten für eine Unterbringung zu decken. Die ungedeckten Kosten belasten die städtischen Haushalte zusätzlich. Dies hat jüngst auch der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz festgestellt.)

Eine Hinwendung von der „Problem orientierten zur Ressourcen orientierten Politik forderte Staatssekretär Randolf Stich in seinem Grußwort.

Vom Bund sei kein „Warnsignal“ bezüglich der Menge der Flüchtlinge gekommen, nun werde ein enger Dialog zwischen Land und Kommunen benötigt um die „Jahrhundertaufgabe“ zu bewältigen.

Die Präsidentin des Deutschen Städtetags Dr. Eva Lohse, Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, unterstrich die Notwendigkeit von entsprechenden Erstaufnahmekapazitäten: „Es darf nicht sein, dass Menschen ohne Bleiberecht auf die Kommunen verteilt werden. Die Rückführung muss zentral erfolgen“.

Außerdem sei die Unterbringung der anerkannten Flüchtlinge in Wohnungen ein zweiter wichtiger Aspekt: „Wir brauchen Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau, denn der Bedarf ist riesengroß.“ (siehe auch audio-Datei Eva-Lohse-Städtetag (online-audio-converter.com)

Dr. Eva Lohse.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Dr. Heiner Geißler sprach in seiner Rede sehr viele politische Facetten an. Wirtschaftspolitik und Flüchtlingsproblematik sind Themen, die den 85jährigen Geißler stark beschäftigen. „Die Stimmung droht zu kippen“ so Geißler.

„Die Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet. Dann müssen Sie das in den Städten ausbaden“.

Dr. Heiner Geißler.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Städte seien wie Krankenschwestern, die nicht streiken, sich aber „bemerkbar machen“ könnten. In einer ökonomisierten Gesellschaft (die er ausführlich beschrieb), in der der Mensch als Kostenfaktor gesehen werde, „gelten Flüchtlinge nicht sehr viel“, so Geißler.

Deutschland sei ein Einwanderungsland- er habe schon in den achtziger Jahren darauf hingewiesen. Das habe man aber nicht hören wollen. Heute gebe es „Realitätsverweigerer“, Menschen mit „Europaphobie“ und Menschen wie Donald Trump, der alle syrischen Flüchtlinge wieder zurückschicken wolle.

Barbara Schleicher Rothmund, Vizepräsidentin des Landtags Rheinland-Pfalz betonte das „gute Zusammenspiel von Land und Stadt, wie das das Beispiel Landau zeige.

Barbara Schleicher-Rothmund.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Der Wormser OB Michael Kissel sprach das Schlusswort vor der Mittagspause im öffentlichen Teil der Sitzung. (desa/red)

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