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Expertenstammtisch mit Thomas Hitschler und Gewerkschafter Harald Lange: „Gute Arbeit – faire Löhne“

17. August 2013 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Politik regional, Regional

 

SPD-Bundestagskandidat Thomas Hitschler (re) und Gewerkschaftssekretär Harald Lange diskutierten nach ihren Ansprachen mit den Zuhörern.
Fotos: cli

Kandel – Beim vierten Expertenstammtisch der Wählerinitiative Thomas Hitschler in der Stadthalle Kandel stellten der Gewerkschaftssekretär der IG Metall-Verwaltungsstelle Neustadt, Harald Lange, und SPD-Bundestagskandidat Thomas Hitschler ihre Positionen zum Thema „Gute Arbeit – faire Löhne“ zur Diskussion. Moderiert wurde die Veranstaltung von Klaus Böhm, stellvertretender Vorsitzender der AG 60plus.

Klaus Böhm moderierte.

Harald Lange legte eloquent die Positionen der Gewerkschaften dar – und diese decke sich laut dem Gewerkschafter mit den Vorstellungen und Wünschen der meisten Arbeitnehmer. Demnach gaben in einer großangelegten Umfrage, deren Ergebnisse den verschiedenen Parteien zur Verfügung gestellt wurde, 99% der Befragten an: Zu einer guten Arbeit gehört ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Gewerkschaften fordern: Jede Arbeit muss sozialversicherungspflichtig werden

Die Forderungen der Gewerkschaften sind diesbezüglich eindeutig: Die sogenannten sachgrundlosen Beschäftigungsverhältnisse seien abzuschaffen, alle anderen Arbeitsverhältnisse sollten sozialversicherungspflichtig werden. Auch bei der Leiharbeit, die zudem auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren sei, betonte Lange.

„Fehler bei Hartz IV korrigieren“

Auch die unter SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeführten Hartz IV-Regelungen ging Lange hart an: „Hartz IV führt dazu, dass Menschen bei Androhung von Sanktionen jede Arbeit annehmen. Auch in den wenigen Fällen, wo Verweigerungshaltung eine Rolle spielt, muss diesen Menschen erst recht geholfen werden“, sagte der Gewerkschaftssekretär und zitierte Artikel 1 des Grundgesetztes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die Fehler bei Hartz IV müssten umgehend korrigiert werden, beharrte Lange.

„Koalition exportiert Arbeitslosigkeit nach Europa“

Nicht zu knapp fiel auch die Kritik an der Finanzpolitik der Bundesregierung aus. Der Gewerkschafter warf der Koalition eine verfehlte Geldpolitik vor, die Arbeitslosigkeit durch Handelsüberschüsse nach Westeuropa exportiere und Deutschland isoliere. „Andere Länder haben es dadurch schwer – eine Jugendarbeitslosigkeit wie in Spanien von 50% ist Wahnsinn“.

Die Konsolidierung des Bundeshaushalts käme bei den Bürgern nicht an, sagte Lange: „Einige Wenige haben das Geld, der Rest kann davon nur träumen.“ Kaufkraftstärkung durch eine besseren Verteilung von Einkommen führe zu besseren Importverhältnissen und fördere die Binnennachfrage, ist Lange überzeugt.

Auch die Rentenpolitik bekam ihr Fett weg: „Rentner haben in den letzten zehn Jahren einen Kaufkraftverlust von 12 % hinnehmen zu müssen. Nun soll auch noch das Rentenniveau abgesenkt werden –  ohne die Einbeziehung der Produktivitätssteigerung und aufgrund von Berechnungen, die vor 15 Jahren angestellt wurden. Bei einem durchschnittlichen Einkommen bleiben nach 45 Jahren im Beruf oft nur ca. 700 Euro.“

Zum Abschluss seiner Rede musste die SPD eine Rüge einstecken: Lange forderte von der Partei, den Ausschluss von Kurzarbeitergeld bei Arbeitskämpfen in das Programm mitaufzunehmen.

Thomas Hitschler: „Themen müssen auch in die Tat umgesetzt werden“

Thomas Hitschler hielt eine engagierte Rede.

Bundestagskandidat Thomas Hitschler nahm die Klatsche ernst: „Ein große Fehler der SPD in den letzten Jahren war, den Gewerkschaften nicht mehr richtig zugehört zu haben.“ Man habe sich gegenseitig voneinander abgewandt, bestätigte Hitschler. „Dieser Fehler darf uns nie wieder unterlaufen – die SPD gehört zu den Gewerkschaften und umgekehrt.“ Inhaltlich seien SPD und Gewerkschaft sowieso  nahe beisammen, sagte Hitscher und bekräftigte, er werde darum kämpfen, dass brennende Themen auch in Regierungsverhandlungen umgesetzt würden.

„Man muss von seiner Arbeit auch leben können“

Es ist ihm sehr ernst, das Hauptthema Soziale Gerechtigkeit. „Sieben Millionen Menschen in Deutschland können nicht von ihrer Arbeit leben“, sagte Hitschler. „Das ist schon aus moralischen Gründen abzustellen. Aber auch aus Gründen der Volkswirtschaft. Denn wer zu wenig hat, muss zum Amt und „aufstocken.“

„Perspektiven schaffen“

Deshalb will er sich dafür einsetzen, eine Mindestlohnkommission einzurichten: „Das wäre erster Schritt.“ Der zweite ist aus seiner Sicht, Perspektiven in der Arbeitswelt zu schaffen. „45 Prozent aller Neueinstellungen sind befristet. Das ist ein riesiger psychischer Druck – Menschen können nicht planen, wenn sie nicht wissen, wie es nach der Befristung weitergeht.“

Befristungen sollten auf das absoluten Minimum zurückgefahren werden, fordert Hitschler. Diese „Schweinereien“ zögen sich auch durch den gesamten Öffentlich Dienst und sogar durch den Wissenschaftsbereich. Ein Staat dürfe grundsätzlich nicht zulassen, dass beispielsweise Lehrer ständig nur Jahresverträge oder sogar weniger bekämen. „Auch die Universitäten lösen ihre finanziellen Schwierigkeiten über Personalfragen“, kritisiert Hitschler. „Das muss unterbunden werden.“

Auch zweite, dritte oder sogar vierte Chancen sollten Menschen bekommen, die es auf den ersten Anlauf nicht geschafft hätten, einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung zu erreichen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sei es pure Verschwendung, Menschen links liegen zu lassen, die nicht auf Anhieb mit dem System klargekommen wären, betonte der Bundestagskandidat.

Modelle für die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege

Scharf kritisierte Hitschler die Begründung der Bundesregierung zu neusten Erhebungen, dass immer mehr Bundesbürger Zweit- oder sogar Drittjobs ausüben müssten, um über die Runden zu kommen. Deren Statement lautete unlängst: „Gestiegenes Konsumverhalten“ – eine Einschätzung, die Hitschler nur ablehnen kann: „1,5 Millionen brauchen einen Zweitjiob – das sind schon fast amerikansiche Verhältnisse. Und das nicht, weil sie so gerne konsumieren.“

Ein weiterer Punkt auf Hitschlers Liste: Die Vereinbarung von Familie und Beruf. Die SPD hat sich den verstärkten Ausbau von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen auf die roten Fahnen geschrieben. Eine zusätzliche Herausforderung hat Hitschler ebenfalls erkannt: „Viele Menschen müssen neben Familie und Beruf auch noch den Pflegeaufwand für Angehörige schultern. Für diese Problematik gibt es noch kaum Modelle.“

Gleiche Arbeit – gleicher Lohn

Wichtig ist ihm, dass Frauen und Männer gleiche Löhne für gleiche Arbeit bekommen – und die Frauen die Chance, in Führungspositionen aufzusteigen. Bei Letzterem sieht Hitschler deutlichen Nachbesserungsbedarf.

Der Kanzlerin warf Hitschler vor, durch übertriebenen Spardrang bei vielen Volkswirtschaften in Europa einen Scherbenhaufen hinterlassen zu haben. „Europa und somit auch wir können auf lange Sicht nur gedeihen, wenn nicht zahlreiche Länder neidisch und aufgebracht nach der Mitte Europas schauen.“

So will er denn gemeinsam mit den Gewerkschaften kämpfen: Für gute Arbeit, gute Löhne und gegen eine egoistische Ellenbogengesellschaft: „Deshalb unser Slogan „Das Wir entscheidet“. Nur durch Solidarität und Zusammenarbeit geht es aufwärts.“ (cli)

 

 

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