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Ein Tod in Würde: Was darf die Sterbehilfe? Was ist Ihre Meinung? Stimmen Sie ab!

16. Juli 2015 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional, Regional

Hochkarätige Duskussion: V.li.: Dr. Arvid Lepère, (Arzt für Allgemeinmedizin), Dr. Katarina Barley (Justiziarin der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestags), SPD-Bundestagsabgeordneter Thomas Hitschler, Prof. Dr. Gerhard Robbers (Justitzminister Rheinland-Pfalz) und Barbara Schleicher-Rothmund (Vizepräsidentin des Landtags Rheinland-Pfalz und Landtagsabgeordnete).
Fotos: pfalz-express.de/Licht

Wörth – Sterben verläuft meist nicht so, wie man es sich wünscht – ruhig, friedlich, schmerzfrei. Oft gehen lange Krankheit, Schmerzen und eine intensivmedizinische Behandlung damit einher.

Ein Albtraum für die meisten Menschen: Monate- oder jahrelanges Siechtum, hilflos ausgeliefert zu sein, an Geräte angeschlossen, fremdbestimmt.

Wie also dürfen wir sterben? Was soll ein Sterbender verlangen können? Darf jemand beim Sterben helfen – und auf welche Art und Weise? Diese Fragen beschäftigen nun auch den Bundestag, der über verschiedene Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Sterbehilfe diskutiert.

'Was meinen Sie? Soll Schwerstkranken und Sterbenden auf eigenen Wunsch medizinische Sterbehilfe geleistet werden dürfen?

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In Wörth debattierte der südpfälzer SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler mit Prof. Dr. Gerhard Robbers (Justitzminister Rheinland-Pfalz) Dr. Katarina Barley (Justiziarin der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestags) Dr. Arvid Lepère, (Arzt für Allgemeinmedizin) und Barbara Schleicher-Rothmund (Vizepräsidentin des Landtags Rheinland-Pfalz und Landtagsabgeordnete) mit Bürgern über das komplexe Thema.

Eine genaue Abgrenzung der verschiedenen Formen der Sterbehilfe ist oft nicht möglich. Besonders palliativ medizinisch tätige Ärzte bewegen sich dabei oft in rechtlichen Grauzonen.

 Welche Arten von Sterbehilfe gibt es?

Ein grober Überblick: Grundsätzlich gibt es drei Arten, wie Sterbehilfe von statten gehen kann:

  • Aktive Sterbehilfe: Ist in Deutschland derzeit strafbar ( Stand 16. Juli 2015)

Dabei verabreicht eine Person dem Patienten auf dessen Wunsch ein Mittel, das tödlich wirkt. Der – in der Regel Schwerstkranke – nimmt das Mittel nicht selbst ein, sondern bekommt es verabreicht. Das gilt als Tötung auf Verlangen, der Ausführende kann nach §216 unter Umständen wegen Totschlags oder Mordes verurteilt werden.

  • Beihilfe zum Suizid: Ist nicht strafbar

Bei der Beihilfe zum Suizid (assistierter Suizid) wird dem Kranken ein tödliches Mittel zur Verfügung gestellt. Der Betroffene nimmt das Mittel eigenhändig ein, in selbstverantwortlichem Handeln.

  • Passive Sterbehilfe – ist ebenfalls nicht strafbar

Passive Sterbehilfe ist der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen oder aber auch ihre Beendigung, also beispielsweise das Abstellen der Herz-Kreislauf-Maschinen, der Medikamente oder der künstlichen Ernährung. Diese Art der Sterbehilfe wird auch Behandlungsabbruch genannt.

Wunsch des Patienten respektieren

Dies griff der Arzt Arvid Lepère auf, der aus seinem Alltag berichtete. Passive Sterbehilfe würde schon lange praktiziert, auf aktive Sterbehilfe hingegen sei er in 30 Berufsjahren noch nie angesprochen worden.

Der Wunsch des Patienten, das eigene Leiden zu beenden, solle aber respektiert werden. In der Praxis würden häufig die Infusionen abgestellt, sagte Lepère. Damit beginne dann der eigentliche Sterbeprozess.

Was grausam klinge – Dehydrierung, Verdursten – sei aber in Wahrheit ein „normaler Vorgang, den die Sterbenden bald nicht mehr wahrnehmen würden. Mit Hilfsmittel beispielsweise zur Schmerzlinderung laufe das Sterben dann „friedlich und ruhig“ ab. Allein die Angehörigen würden diesen Prozess oft schwer aushalten.

In diesem Zusammenhang wies Lepère wiederholt auf die Wichtigkeit einer Patientenverfügung hin, damit der Wille des Sterbenden auch tatsächlich klar sei.

Schwarzer Peter von der Ärztekammer

Dass in der Hauptsache Ärzte mit der Sterbehilfe zu tun haben, liege auf der Hand, sagte Katarina Barley: Sie hätten am engsten in der Krankheitsphase mit den Patienten zu tun, hätten Kenntnis über Person und Krankheitsverlauf.

Mit Blick auf die zahlreichen von Kranken selbst durchgeführten und in der Folge missglücken Suizidversuchen (Selbstmordversuchen), die den Zustand noch verschlimmert hätten, sei es auch sinnvoll: „Die Ärzte wissen, wie es geht.“

Barley kritisierte die Bundesärztekammer, die 2011 die Beschlusslage geändert habe. Deren Empfehlung laute, dass Ärzte keine Beihilfe zum Suizid mehr leisten sollten. „Im Moment darf demnach jeder Beihilfe zum Suizid leisten. Nur keine Ärzte.“

Zehn Bundesländer seien der Vorgabe nachgekommen, die restlichen handhabten es auf ihre Weise. „Das ist keine Sache, die die Ärztekammer zu regeln hat, sondern eine klassische Gesetzgeber-Sache“, so Barley.

Derzeit gebe es einen unübersichtlichen Flickenteppich, die Ärzte bräuchten aber Rechtssicherheit. „Ein selbst inszenierter Suizid geht oft schief – und wir lassen die Menschen allein.“

Bessere Hospiz- und Palliativversorgung

Barbara Schleicher-Rothmund berichtete von einer Orientierungsdebatte im Landtag und im Ältestenrat. Es gebe einen Entwurfsantrag von SPD und Grünen, den man auch die CDU weitergegeben habe, da man nicht „entlang der Fraktionsgrenzen“ agieren wolle.

Jeder Politiker müsse sich zum schwierigen Thema Sterbehilfe seine eigene Position erarbeiten, sagte Schleicher-Rothmund, der Entwurf ziele jedoch auf eine stark verbesserte Hospiz- und Palliativversorgung ab.

Deren Notwendigkeit wurde weder von den Akteuren noch den Zuhörern in Frage gestellt.

Schleichter-Rothmund beleuchtete kurz die Positionen der beiden großen Kirchen, die eine Neuregelung bislang ablehnten.

Auch die Frage der Würde wurde immer wieder aufgeworfen. Diese sei eng verknüpft mit der Frage der Autonomie, sagte Schleicher-Rothmund, des „über sich selbst entscheindens“.

Würde und Selbstbestimmung nicht dasselbe?

Würde und Selbstbestimmung seien nicht ein und dasselbe, meinte Justizminister Robbers. Auch wer nicht mehr selbst bestimmen könne, sei nicht würdelos.

Wenn Selbstbestimmung das Zentrum der Diskussion sein, warum solle es dann die Möglichkeit aktiver Sterbehilfe nur bei Krankheiten geben, fragte Robbers provokant und malte ein düsteres Bild: „Das wäre nicht die richtige Gesellschaft.“

Ein „was wäre wenn“ sei nicht zielführend, widersprach Barley. Eine autonome Entscheidung sei die Folge von Würde. Einem Menschen in den letzten Stunden die eigene Entscheidung absprechen zu wollen, sei nicht richtig

Keine organisierte Sterbehilfe

Einig war man sich indes in der Frage, dass kein Arzt zur Sterbehilfe verpflichtet werden dürfe. Strikt abgelehnt wurden auch kommerzielle Sterbehilfevereine, wie es sie zum Beispiel in der Schweiz gibt.

Sterben müsse auch wieder mehr als normaler Prozess gesehen werden, sagte Thomas Hitschler. Sterben finde anonymisiert statt, niemand spreche darüber. Deshalb wolle er auch weiterhin das Thema an die Öffentlichkeit heranführen.

Im Herbst soll nochmals eine Diskussion zum Thema Sterbehilfe stattfinden.   (cli)

 

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Ein Kommentar auf "Ein Tod in Würde: Was darf die Sterbehilfe? Was ist Ihre Meinung? Stimmen Sie ab!"

  1. Friedel sagt:

    Eine solche Abstimmung ist doch völlig sinnlos, wenn man nur eine Option wählen kann. Der Artikel ist imho nicht schlecht, obwohl er wohl kaum jemandem etwas neues mitteilt. Aber die Umfrage ist imho sehr schlecht gemacht. Unabhängig davon, ob ich z.B. die beiden ersten Optionen befürworte und alle anderen nicht, halte ich eine Umfrage für unsinnig, wenn sie die Antwortmöglichkeiten so einschränkt, dass nur Teilnehmer mit bestimmen Meinungen abstimmen können. Es ist hier auch nicht möglich, die ersten 3 Optionen zu wählen, oder nur die 2. und dritte. Oder nur 1 und 3. All das sind sinnvolle Kombinationen von Optionen, die nicht nicht widersprechen.