Freitag, 19. April 2024

Ditib Germersheim: Transparenz-Offensive – Moschee soll nicht als fremd wahrgenommen werden

26. September 2016 | Kategorie: Kreis Germersheim, Regional
Rund hundert Zuhörer hatten sich zur Infoveranstaltung eingefunden. Fotos: pfalz-express/Licht

Rund hundert Zuhörer hatten sich zur Infoveranstaltung eingefunden.
Fotos: pfalz-express/Licht

Germersheim – Der Türkisch-Islamische Kulturverein Ditib hat mit einer Infoveranstaltung versucht, Ängste und Besorgnisse von Teilen der Bevölkerung wegen des geplanten Baus einer Moschee zu zerstreuen.

Den Fragen von etwa 90 Bürgern stellten sich der Vorsitzende der Ditib Germersheim, Hayrettin Günes, der Architekt, der die Baupläne für die Moschee entworfen hat, Dipl.-Ing. Rifat Sezer aus Germersheim, der Vorsitzende des Ditib-Landesverbands Rheinland-Pfalz, Güven Sayan und der nicht unumstrittene Koordinator des türkischen Moscheenverbands Ditib in Deutschland, Murat Kayman.

V.lil: Sezer, Günes, Kayman, Sayan.

V.li: Sezer, Günes, Kayman, Sayan.

„Herzensangelegenheit“

Günes sagte, es sei der türkisch-islamische Gemeinde bewusst, dass das Treffen nicht frei von Kontroversen, Zweifeln und Misstrauen sei.

Auf viele Gedanken und Gefühle habe man keinen Einfluss, aber: „Manches hätten wir in den vergangenen Jahren besser machen können.“ Deshalb solle die Infoveranstaltung der Auftakt für mehr Transparenz und einen intensiveren Austausch sein.

Viele Vorbehalte kämen auch aus der internationalen Situation heraus. Die aber habe mit dem Zusammenleben in Germersheim nichts zu tun. Die Moschee sei eine Herzensangelegenheit für die Gemeinde, so Günes.

Deshalb wolle man dafür werben, dass die Moschee nicht als etwas Fremdes wahrgenommen werde. Die Muslime in Germersheim seien doch keine Fremden, man lebe und arbeite zusammen, sei Mitglied im Kreisjugendring, kooperiere mit Schulen, Kitas und den christlichen Kirchengemeinden.

„Einfach nur ein modernes Gebäude“

Moschee-Planer Sezer erläuterte die Aufteilung des Bauwerks und die Gründe für einen Neubau.

Das bisherige Gebäude aus den 70ern sei nicht mehr ausreichend für das heutige Gemeindeleben. Damals sei man froh gewesen, dass man „überhaupt irgendetwas hatte“. Mittlerweile sei die Gemeinde gewachsen, es gebe beispielsweise eine Frauengruppe, eine Eltern-Kind-Gruppe und eine Jugendgruppe.

Schon mehrmals hatte man in der Vergangenheit Bauanträge eingereicht, erst der dritte im Jahr 2012 wurde laut Sezer letztendlich genehmigt. Probleme gab es damals mit der Finanzierung.

Nach Gesprächen mit der Stadt in den letzten beiden Jahren habe der Verein dann das Nachbargelände gekauft und eine Bauvoranfrage gestellt, die positiv beantwortet worden sei, so Sezer. Am 7. Juli dieses Jahres wurde der Antrag dann endgültig von der Kreisverwaltung genehmigt.

Sezer nahm den Germersheimer Stadtrat in Schutz: Dieser habe viel Kritik seitens der Bevölkerung einstecken müssen, dabei sei er in keinster Weise an dem Vorgang beteiligt gewesen: „Die Vorwürfe sind unbegründet.“

Der Neubau ersetze schlichtweg das bestehende Gebäude. Man habe extra darauf geachtet, keine osmanische Architektur zu verbauen. Das Gebäude sei kein „Dominanzbau“, hätte auch nicht die Dimensionen eines Doms: „Keine Angst“, scherzte Sezer. Man wolle unbedingt Rücksicht auf die Bevölkerung nehmen.

Auch die Minarette sind reine Zierde und erfüllen keine Funktion, erläuterte Sezer, einen Muezzin-Ruf wird es nicht geben.

Die Höhe von 15, 39 bei der Kugelkonstruktion und den Minaretten entsprechen einem vierstöckigen Wohnhaus und erfüllen alle Vorgaben des Baurechts.

Drinnen gibt es auf Wunsch der Mitglieder einen Gymnastik- und Fitnessraum, Kursräume und eine Cafeteria als Begegnungsstätte. Das Obergeschoss ist komplett für Frauen reserviert, die Männer halten sich während des Gottesdienstes unten auf.

Die „überörtliche Bedeutung“ – als solches wurde das Gebäude eingestuft – könne er nicht sehen, sagte Sezer. Auch die Parklplätze seien nur von örtlicher Bedeutung. Wie bei Kirchengemeinde würde für 20 bis 30 Sitzplätze ein PKW-Parkplatz gefordert.

„Moschee zeigt Verwurzelung in Germersheim“

Die Fragerunde verlief sachlich und ruhig. Eine Frau wollte wissen, weshalb in der Moschee nach Geschlechtern getrennt werde.

Ditib-Koordinator Murat Kayman sagte, das sei eben im Bereich der Religionsausübung üblich. „Aber im täglichen Leben schauen wir uns ins Gesicht und geben uns die Hand.“

Man müsse nicht mit allem einverstandenen sein, wenn man in einem anderen Religionsverständnis sozialisiert sei. Aber gerade deshalb sei der Austausch in der Moschee wichtig: „Wir verstecken die Damen nicht, das muss nicht bedrohlich wahrgenommen werden.“

Auf weitere Fragen antwortete der gebürtige Hamburger in bestem Hanseaten-Deutsch, die Minarette seien ein Symbol ähnlich eines Kirchturms, auch wenn sie nicht genutzt würden, und der Verfassungsschutz stufe Ditib als unbedenklich ein.

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Warum man dem Wunsch des Stadtrats nicht Folge geleistet habe, den Bau auszusetzen? Der Stadtrat sei dadurch beschädigt worden, kritisierte ein Zuhörer. Ein Ratsmitglied der Grünen warf ein, er fühle sich keinesfalls beschädigt, wünsche sich aber mehr Transparenz.

Hayrettin Günes erklärte, man habe zuerst mit Bürgermeister Marcus Schaile und Landrat Dr. Fritz Brechtel gesprochen und nach einer Mitgliederbefragung abgestimmt, den Bau fortzusetzen.

Seit einem Jahr habe man Spenden gesammelt, das Grundstück bezahlt – es gebe eine Verpflichtung den Mitgliedern gegenüber. Was hätte man denen antworten sollen, die Geld gespendet hätten und es nun doch keinen Bau gebe?

Es sei schade, wenn das Gemeindeleben zum Erliegen komme – die Menschen bräuchten doch einen Ort, an dem sie ihr Religionsbedürfnis stillen könnten.

Kayman sprang zusätzlich in die Bresche: Wenn eine Gemeinde immer mit einem sanierungsbedürftigen Gebäude zurechtkommen müsse, sei das schwer. Eine Beschädigung des Stadtrats könne er nicht sehen. Man habe den Wunsch, etwas zu bauen, das zeitgemäß und würdevoll sei und wo man Gäste empfangen könne.

Man sehe sich als Germersheimer, die Moschee sei ein Zeichen von Verwurzelung und Beheimatung und kein Provisorium, weil vielleicht noch Rückkehr-Illusionen in die alte Heimat vorhanden seien.

Was Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit angehe, gebe es sicher noch Nachholbedarf, aber die Gemeinde habe das erkannt, sagte Kayman: „Sie gehört zur Stadt, ist nichts Fremdes.“ Die Moschee sei eher ein Werbeschild für Germersheim.

Außerdem gelte eine klare Maßgabe: „In den Räumen darf keine Politik stattfinden.“ In Kirchengemeinden sei es ähnlich: „Da weiß auch keiner, welche parteipolitische Präferenz der Sitznachbar hat. Eine Gemeinde wird gespalten mit politischen Gesprächen.“

Auch wenn man unterschiedlich spreche, rieche oder esse, sei das nicht immer etwas Schlechtes. „Sehen Sie die Vielfalt als etwas Stärkendes. Muslime und Nichtmuslime stehen in der Pflicht, aus dieser Vielfalt etwas gemeinsames zu machen“, appellierte Kayman.

Kritik gab es trotzdem. „Befremdlich“, war zu hören, oder „Ditib hängt am Tropf von Ankara“, „die Predigten sind auf türkisch, wir wissen nicht was dort gesprochen wird“.

Dazu sagte Kayman, dass nicht weltpolitisches Geschehen die Schablone für die Muslime in der Nachbarschaft sein solle. Vertrauen sei wichtig: „Wenn man annimmt, der andere macht uns nur etwas vor, ist das keine gute Grundlage für ein Gespräch.“ Die hiesigen Muslime seien authentisch und verstellten sich nicht.

Günes versicherte, dass es künftig auch mehr Predigten in deutsche Sprache geben solle. Früher sei der „Bedarf nicht so da gewesen“, heute aber gebe es Jugendliche in der Gemeinde, die nur noch deutsch verstünden. Auch an der deutschen Variante für die Webseite des Vereins arbeite man.

Deutsch sprechende Imame seien auch immer häufiger, so Kayman: „Durch die Absolventen an deutschen Hochschulen löst sich diese Frage ganz natürlich auf.“ Zu den von der Landesregierung ausgesetzten Gesprächen mit Ditib Rheinland-Pfalz könne er sagen: „Es ist bedauerlich und in der Sache unverständlich“. Das Gutachten dazu falle aber wohl positiv aus, wie er gehört habe. Man sei weiterhin gesprächsbereit.

Muslime im Fokus

Nach der Veranstaltung bewirteten die Vereinsmitglieder die Gäste mit türkischen Spezialitäten.

Ein junger Mann erzählte dem Pfalz-Express, die Situation der Muslime in Germersheim sei teilweise bedrückend geworden. Er spüre, dass manche Menschen Angst vor ihnen hätten. Es sei auch schon vorgekommen, dass Passanten die Straßenseite gewechselt hätten: „Dabei bin ich Germersheimer durch und durch. Ich bin hier geboren, das ist meine Heimat.“ (cli)

Information:

Am 1. Oktober wird der Spatenstich für die Moschee gesetzt.

Am 3. Oktober ist bundesweit der „Tag der offenen Moschee“. Besucher sind jederzeit willkommen.

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Ein Kommentar auf "Ditib Germersheim: Transparenz-Offensive – Moschee soll nicht als fremd wahrgenommen werden"

  1. Ben sagt:

    Eine Infoveranstaltung, nachdem man monatelang alles daran gesetzt hat, die neue DITIB-Großmoschee möglichst schnell und heimlich von Seiten DITIB und Politik durchzubringen?

    Transparenz kann ich bei solch vollendeten Tatsachen keine erkennen.

    Was wurde eigentlich aus den ganzen Forderungen von CDU, FWG, FDP und REP an die DITIB? Bau bitte verschieben, Lossagen von DITIB, Distanzierung von islamistischen Tendenzen?

    Nichts davon wurde erfüllt und jetzt wird munter gebaut, während man von den o.g. Parteien keinen Piep mehr hört! Und was wurde aus der Widerspruch der Stadt gegen die Baugenehmigung bei der Kreisverwaltung? Sang- und Klanglos einkassiert? Auf einmal sind die Parkplätze kein Problem mehr, obwohl es schon jetzt zu massiven Parkproblemen in der Straße kommt?

    Apropos Bau: Woher kommt eigentlich auf einmal das Geld? Der Bau soll zwischen 3-4 Millionen Euro kosten und anscheinend ist nichtmal das Grundstück ganz abbezahlt? Wie bittschön finanziert ein „Türkisch islamischer Kulturverein“ mit rund 600 Mitgliedern (dabei auch nicht wenige Nicht-Erwerbstätige) einen Grundstückskauf, einen Millionenkredit und dazu noch den weiterlaufenden Betrieb der alten Gebäude? Das passt hinten und vorne nicht. Alle vergangenen Bauanträge – da sollten die Moscheen nur rund 1 Million Euro kosten – scheiterten am Geld. Aber für einen Prachtbau ist plötzlich Geld da? Und alles nur aus „Spenden“, die man seit einem Jahr gesammelt haben will?

    „Sezer nahm den Germersheimer Stadtrat in Schutz: Dieser habe viel Kritik seitens der Bevölkerung einstecken müssen, dabei sei er in keinster Weise an dem Vorgang beteiligt gewesen.“ Stimmt. Der Stadtrat wurde wohlweislich erst von Bürgermeister Schaile in Unkenntnis gelassen und dann mit einem Widerspruch gegen den erst selbst noch abgesegneten Bauantrag überrascht und gaukelte dann der Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit mit einem halbherzigen Appell an DITIB vor. Und DITIB zeigte besonders viel Rücksichtnahme auf die Bedenken der Bevölkerung und stimmte dann keine Woche danach mit großer Mehrheit der Mitglieder FÜR einen Bau. Soviel zum Thema Sensibilität seitens der Türken!

    „Drinnen gibt es auf Wunsch der Mitglieder einen Gymnastik- und Fitnessraum, Kursräume und eine Cafeteria als Begegnungsstätte. Das Obergeschoss ist komplett für Frauen reserviert, die Männer halten sich während des Gottesdienstes unten auf.“ Klingt nicht unbedingt nach einem „Gotteshaus“.

    „Ditib-Koordinator Murat Kayman sagte, das sei eben im Bereich der Religionsausübung üblich. „Aber im täglichen Leben schauen wir uns ins Gesicht und geben uns die Hand.““ Na da haben wir ja nochmal Glück gehabt, bei soviel Gleichberechtigung! Da frag ich mich nur, warum sich dann diese Frauen verhüllen müssen.

    „Man müsse nicht mit allem einverstandenen sein, wenn man in einem anderen Religionsverständnis sozialisiert sei.“ Sehe ich mir die täglichen Nachrichten an, hat der Islam noch so Einiges zu erklären…

    „Hayrettin Günes erklärte, man habe zuerst mit Bürgermeister Marcus Schaile und Landrat Dr. Fritz Brechtel gesprochen und nach einer Mitgliederbefragung abgestimmt, den Bau fortzusetzen.“ Das muß wohl die Feier während Ramadan gewesen sein, als Schaile und Brechtel in trauter Einigkeit bei DITIB saßen und in einer Festrede ihre volle Unterstützung für den Bau der Großmoschee zusagten. Keine Woche später war der Bauantrag durch. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

    „Es sei schade, wenn das Gemeindeleben zum Erliegen komme – die Menschen bräuchten doch einen Ort, an dem sie ihr Religionsbedürfnis stillen könnten.“ Ist der alte Moscheebau etwas schon abgerissen? Notfalls kann man ja zu den Glaubensbrüdern in den anderen drei Moscheen in Germersheim ausweichen. Aber vielleicht sind die sich untereinander auch nicht so ganz „grün“.

    „Die Moschee sei eher ein Werbeschild für Germersheim.“ Welches „Image“ man damit transportiert, sei mal dahingestellt. Aber vielleicht ist das auch so eine Werbung wie die Osmanenkapelle der Germersheimer DITIB: https://www.youtube.com/watch?v=XqBggY44j1U

    DITIB ist doch klar aus Ankara gesteuert. Da ist es einfach nur Hohn, wenn deren Funktionäre in Germersheim hier immer wieder behaupten, Politik spiele keine Rolle! Für wie blöd hält man eigentlich die nicht-muslimische Bevölkerung?

    „Ein junger Mann erzählte dem Pfalz-Express, die Situation der Muslime in Germersheim sei teilweise bedrückend geworden. Er spüre, dass manche Menschen Angst vor ihnen hätten. Es sei auch schon vorgekommen, dass Passanten die Straßenseite gewechselt hätten: „Dabei bin ich Germersheimer durch und durch. Ich bin hier geboren, das ist meine Heimat.““

    Man könnte einmal fragen, wie sich die Bürger in den letzten Jahren steigender Islamisierung in Germersheim fühlen. Oder weshalb die Türken von Jahr zu Jahr nationalistischer sind. Das Verhalten kann man dann auf Germersheims Straßen bewundern.

    Und wie es um die Integrationsbereitschaft und den Respekt gegenüber der deutschen Aufnahmegesellschaft gestellt ist, verdeutlich vielleicht die Dreistigkeit, mit der die islamischen Organisationen ausgerechnet den „Tag der deutschen Einheit“ am 3. Oktober für ihre Zwecke zum
    „Tag der offenen Moschee“ vereinnahmt haben. Ein deutscher Feiertag für islamische Interessen umgedeutet.