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Diskussion um US-Depot: Germersheimer Dietmar Bytzek wendet sich mit offenen Briefen an Landrat – Brechtel: Alles wird genau geprüft

Eingang US-Depot in Germersheim. Foto: Pfalz-Express [1]

Eingang US-Depot in Germersheim.
Foto: Pfalz-Express

Germersheim: Das Gefahrstofflagers im US-Depot ist seit einiger Zeit in der Diskussion.

Hintergrund: Eine bestehende Lagerhalle der Defense Logistics Agency (DLA) auf dem Gelände des US-Depots bei Germersheim soll renoviert, die Lager- und Verteilungskapazität sollen von 70 auf 1900 Tonnen erweitert werden. Die Gesamtkosten beziffert die DLA mit rund 1,3 Millionen Euro. Sobald die Genehmigung erteilt ist, soll mit der Renovierung der Lagerhalle begonnen werden (Pfalz-Express berichtete mehrfach).

Der Germersheimer Dietmar Bytzek, beruflich tätig als Functional Safety Engineer, lebt etwa 1,2 Kilometer vom US-Depot entfernt und ist mit dem Vorhaben in keinster Weise einverstanden. Besonders an die Kreisverwaltung hat er noch viele offene Fragen. Am öffentlichen Frage- und Diskussionsabend in Lingenfeld [2] Anfang Juli punktete er mit ausnehmend guter Sachkenntnis.

An Landrat Dr. Fritz Brechtel hat er zwei offene Briefe geschrieben (unten abgedruckt). Diese betreffen die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und die Störfall-Verordnung. Letztere würde nämlich für militärische Anlagen nicht gelten, wandte Bytzek ein.

Auf Nachfrage des Pfalz-Express sagte Landrat Brechtel, man prüfe diesbezüglich die Rechtslage nochmals. Ebenso werde der Sachverhalt von der Bundesbehörde und dem SGD Süd überprüft.

Für Hinweise der Bürger sei man dankbar, das sei ja gerade der Sinn der Bürgerbeteiligung und der Einwendungsmöglichkeit. „Solange wir prüfen, ist noch nichts entschieden, so Brechtel. Die Bandbreite eines möglichen Entscheidungsspektrums sei groß.

Auch was externe Gutachter betreffe, sei man selbstverständlich offen. „Wir haben sehr gute Mitarbeiter in der Verwaltung“, so Brechtel, „aber wenn wir sehen, dass der Sachverstand in speziellen Punkte nicht ausreichen sollte, ziehen wir natürlich weitere Experten hinzu.“

Auch werde man prüfen, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich sei.

Die offenen Briefe von Dietmar Bytzek im Wortlaut:

Brief zur Störfallverordnung: 

„Aktenzeichen 11/2/1331/LIN/Antrag auf Neugenehmigung einer Anlage; Erhöhung der Lagermenge von 70 t auf 1900t im Gebäude 7915- Anlage zur Lagerung von sehr giftigen(max. 50t) giftigen brennbaren oder ätzenden Stoffen und Gemischen,…

Offener Brief

Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-

Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung – 12. BImSchV)

Sehr geehrter Herr Dr. Brechtel,

bei dem Studium des Sicherheitsberichtes konnte ich auf Anhieb die Stoffliste nicht nachvollziehen. Erst nach einiger Mühe habe ich herausgefunden, dass hier die nicht mehr gültige alte Störfallverordnung angewendet wurde. Auf Seite 8 des Sicherheitsberichtes wird lediglich auf die Störfall-Verordnung – 12. BImSchV, ohne Ausgabedatum, hingewiesen.

Aus meiner Sicht stellt dies eine bewusste Verschleierung und Täuschung der Behörden und Bürger dar.

Begründung:

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der alten und der neuen Störfallverordnung stellt die Stoffliste dar. Nach der alten Verordnung sind die Stoffr nur grob eingeteilt. Die neue Verordnung teilt die Stoffe wesentlich genauer ein und fordert zusätzlich Angaben zur Gefahrenkategorie(z.B. H1 Akut toxisch, Kategorie 1(alle Expositionsweg)) und die Angabe der CAS Nummer (Die CAS-Nummer, CAS = Chemical Abstracts Service) ist ein internationaler Bezeichnungsstandard für chemische Stoffe).

Auf Seite 8 des Sicherheitsberichtes wird auf die Richtlinie 2003/105/EG (Seveso II verwiesen.

Am 13.08.2012 trat die Seveso III Richtlinie (Dioxin Skandal) in Kraft und war bis zum 31.05.2015 durch die BRD in nationales Recht umzusetzen. Die Umsetzung erfolgte mit der neuen Störfallverordnung am 13.01.2017. Zum Schutze der Bevölkerung sieht die neue

Störfallverordnung nur eine kurze Übergangszeit gemäß §20 für bestehende Anlagen bis zum 14.07.2017 vor. Also läuft die Frist in 4 Tagen ab!

Nach meiner Meinung gilt diese Übergangsfrist für Neuanlagen nicht, hier ist grundsätzlich die neue Störfallverordnung anzuwenden.

Wie auf Seite 8 des Sicherheitsberichtes ersichtlich hat der TÜV Saar an der Erstellung des Sicherheitsberichtes mitgewirkt. Diesen Fachleuten muss bewusst gewesen sein, dass mittlerweile die Seveso III Richtlinie in Kraft ist und die Umsetzung in nationales Recht in Arbeit war. Ich kann Ihnen viele Beispiele aus der Region nennen, wo Firmen schon vor der neuen Störfallverordnung auf die Seveso III Richtlinie in Ihren Internet Informationen hinweisen.

Ich unterstelle hier ein bewusstes Handeln zur Verschleierung der geplanten Stoffe zur Lagerung.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zur alten Verordnung ist erweiterte Offenlegungspflicht nach §8a Anhang V Teil 1. Hier müssen die Stoffinformationen und Gefahrenabwehrpläne in allgemeiner Form der Bevölkerung auch auf elektronischem Wege (Internet) zugänglichgemacht werden.

Hier rede ich nicht über eine Fiktion. Beispielhaft haben dies die Städte Ludwigshafen /Mannheim gelöst. Über den Link http://www.ludwigshafen.de/presse/detail/news/2012/10/24/neue-auflage-der-stoerfallbroschuere-erschienen/?cHash=d3fba105c7a1fe4c855f854d920724da&L=0

Wenn man den Pfaden weiter folgt kommt man von der Kurzbroschüre zur Langversion. Hier stellen sich alle Firmen mit Ihren Gefahrstoffen vor.

Das Genehmigungsverfahren ist meiner Meinung nach mit vielen nicht heilbaren fehlerhaften Gutachten, Rechtsverstößen etc. belastet. Ich fordere Sie daher auf, das Verfahren zu stoppen und nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen neu zu starten.

Eventuell gelingt es dann das gestörte Vertrauensverhältnis wieder herzustellen.

Mit freundlichen Grüßen

Dietmar Bytzek

Brief zur Umweltverträglichkeitsprüfung

„Aktenzeichen 11/2/1331/LIN/Antrag auf Neugenehmigung einer Anlage; Erhöhung der Lagermenge von 70 t auf 1900t im Gebäude 7915- Anlage zur Lagerung von sehr giftigen(max. 50t) giftigen brennbaren oder ätzenden Stoffen und Gemischen,…

Offener Brief

Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)

Sehr geehrter Herr Dr. Brechtel,

ich fordere Sie hiermit auf, unverzüglich die vollständigen Maßnahmen zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-Gesetz (UVPG) einzuleiten. Die UVP ist ein unselbständiger Teil des verwaltungsbehördlichen Verfahrens, von daher sehe ich keinen Grund, Offenlegungsfristen des Hauptverfahrens etc. abwarten zu müssen.

Durch die nicht durchgeführte UVP verweigern Sie den Bürgern das Recht auf die Prüfung von Alternativen gemäß UVPG §6 Absatz 3.5. Diese Frage wurde auch bei der Informationsveranstaltung in Lingenfeld gestellt Die Frage, ob es hier keine andere Möglichkeit für die Anlage als in dem hochverdichteten Kernraum Mittelzentrum Germersheim, lt. Einheitlichem Regionalplan Rhein-Neckar , gibt muss beantwortet werden.

Durch die nicht durchgeführte UVP, verweigern Sie den Bürgern auch die erweiterte Beteiligung der Bevölkerung nach §9 UVPG, z.B. Offenlegung in den betroffenen Gemeinden.

Die UVP-Pflicht begründe ich wie folgt:

1. Die Anlage stellt eine Anlage mit Störfallrisiko nach UVPG §3d und §3e dar. Beweis, siehe gesonderter Absatz.

2. Errichtung der Anlage in einem Gebiet mit hoher Bevölkerungsdichte. Beweis, siehe gesonderter Absatz.

3. Aufgrund der akuten Toxizität der zur Lagerung beabsichtigten Stoffe ergibt sich ein weiterer Grund zur UVP Pflicht. Da schon alleine Punkt 1 zur UVP-Pflicht ausreicht, wird hier auf die weitere Ausführung verzichtet.

In §3c UVPG ist folgendes geregelt:

Sofern in der Anlage 1 für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann,….

Die nicht-UVP Pflicht wurde mit dem Gutachten vom 03.02.2016 des TÜV Saar begründet.

Das Gutachten ist fehlerhaft, siehe UVP-Pflicht Beweis zu 2. und entbindet die Behörden nicht von Ihrer Verantwortung nach §3c.

Beweise:

1. Die Anlage stellt eine Anlage mit Störfallrisiko nach UVPG §3d und §3e dar.

§ 3d UVP-Pflicht bei Störfallrisiko

Sofern die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls ergibt, dass aufgrund der Verwirklichung eines Vorhabens, das zugleich benachbartes Schutzobjekt im Sinne des § 3 Absatz 5d des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist, innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstandes im Sinne des § 3 Absatz 5c des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu Betriebsbereichen im Sinne des § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die Möglichkeit besteht, dass ein Störfall im Sinne des § 2 Nummer 8 der Störfall- Verordnung eintritt, sich die Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Störfalls vergrößert oder sich die Folgen

eines solchen Störfalls verschlimmern können, ist davon auszugehen, dass das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann.

§ 3e Änderungen und Erweiterungen UVP-pflichtiger Vorhaben

(1) Die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht auch für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn

1. in der Anlage 1 für Vorhaben der Spalte 1 angegebene Größen- oder Leistungswerte durch die Änderung oder Erweiterung selbst erreicht oder überschritten werden oder

2. eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann; in die Vorprüfung sind auch frühere Änderungen oder Erweiterungen des UVP-pflichtigen Vorhabens einzubeziehen, für die nach der jeweils geltenden

Fassung dieses Gesetzes keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist.

Auszug aus dem Sicherheitsbericht nach § 9 der Störfallverordnung vom 30.11.2016 Seite unter 1 Vorbemerkungen:

US-Depot Germersheim, Sicherheitsbericht [3]

 

2. Errichtung der Anlage in einem Gebiet mit hoher Bevölkerungsdichte. Als Kriterien sind nach Anlage 2 UVPG die Kriterien nach 9. „Lagerung von Stoffen und Gemischen „ anzuwenden“.

Anlage 2 Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen einer

Umweltverträglichkeitsprüfung

(Fundstelle des Originaltextes: BGBl. I 2010, 126; bzgl. der einzelnen Änderungen vgl. Fußnote)

Nachstehende Kriterien sind anzuwenden, soweit in § 3c Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit den §§ 3e und 3f, auf Anlage 2 Bezug genommen wird.

1. Merkmale der Vorhaben

Die Merkmale eines Vorhabens sind insbesondere hinsichtlich folgender Kriterien zu beurteilen:

2.3.10 Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte, insbesondere Zentrale Orte im Sinne des § 2 Absatz 2 Nummer 2 des Raumordnungsgesetzes.

Im den ausgelegten Unterlagen (Gutachten des TÜV Saar vom 03.02.2106) wurde auf Seite 59 unter 8.10 folgender Bewertungsvorschlag gemacht:

Germersheim ist kein Gebiet mit hoher Bevölkerungsdichte (20200 Einwohner auf 21,7 km²)

Diese Einschätzung ist subjektiv und nicht nachvollziehbar.

Objektiv ist die Einschätzung nach dem Raumordnungsgesetz. Dieses verweist auf die Landesplanungen. Für Germersheim ist der einheitliche Regionalplan Rhein-Neckar verbindlich.

Hier ist Germersheim als Mittelzentrum aufgeführt:

1.2.3 Mittelzentren / Mittelbereiche

1.2.3.1 Mittelzentren (bzw. mittelzentrale Verbünde kooperierender Zentren) sind

im rheinland-pfälzischen Teilraum

Annweiler am Trifels, Bad Bergzabern, Bad Dürkheim, Edenkoben,

Frankenthal (Pfalz), Germersheim, Grünstadt, Haßloch, Herxheim

bei Landau/Pfalz, Kandel, Landau in der Pfalz, Neustadt a.d.Wstr.,

Schifferstadt, Speyer, Worms und Wörth am Rhein.

Der Siedlungsdichtwert ergibt sich aus Absatz 1.4.2.7

Germersheim ist lt. Raumstrukturkarte als Mittelzentrum im hochverdichteten Kernraum eingestuft.

Somit sind ist das Kriterium nach 2.3.10 erfüllt und somit besteht die gesetzliche Verpflichtung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durch zuführen.

Sehr geehrter Dr. Brechtel, ich habe den Eindruck, dass hier bewusst eine notwendige Diensthandlung unterlassen wird und das Recht bewusst durch einen Amtsträger falsch angewendet wird, um das Verfahren ohne große Bürgerbeteiligung oder Bürgergegenwehr

durchzubringen.

Ich fordere Sie hiermit nochmals auf unverzüglich tätig zu werden und erwarte Ihre unverzügliche Rückantwort. Weitere Schritte halte ich mir gegebenenfalls vor.

Zur Anwendung der neuen Störfallverordnung werden Sie ein separates Schreiben erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Dietmar Bytzek

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