Freitag, 19. April 2024

Diesel-Trickserei weltweit – Verbraucherschützer: VW soll auch deutschen Kunden Rückkauf anbieten

23. April 2016 | Kategorie: Nachrichten, Politik, Wirtschaft
VW in Wolfsburg: Riesiger Imageschaden. Foto: dts Nachrichtenagentur

VW in Wolfsburg.
Foto: dts Nachrichtenagentur

Wolfsburg – Nach Volkswagen geraten nun auch andere Autohersteller wegen stark überhöhter Schadstoffwerte bei Diesel-Fahrzeugen ins Zwielicht.

Mehrere Konzerne haben ihre Motoren so konstruiert, dass der Schadstoff Stickoxid bei niedrigen Temperaturen ungefiltert in die Luft geblasen wird, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf Informationen des Rechercheverbunds von SZ, NDR und WDR.

Dies würden Messergebnisse belegen, die das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) infolge der Abgasaffäre bei Volkswagen ermittelt hat. Mittlerweile wurde bekannt, dass nahezu alle großen Marken getrickst haben.

Die gesetzlichen Grenzwerte zum Schutz von Mensch und Natur würden bei vielen der mehr als 50 getesteten Fahrzeugmodelle verschiedener Autohersteller überschritten, teilweise um ein Vielfaches.

Stickoxid schädigt vor allem die Atemwege. Erste Hersteller sind vom KBA und Bundesverkehrsministerium bereits mündlich aufgefordert worden, ihre Motoren nachzubessern.

Die Konzerne berufen sich auf eine Verordnung der Europäischen Union, die eine zeitweise Abschaltung der Abgasreinigung erlaubt. Das soll angeblich Motorschäden bei niedrigen Temperaturen verhindern.

Etliche Autohersteller nutzen die EU-Regel aber, um die Abgasreinigung beispielsweise erst ab zehn oder 20 Grad Außentemperatur laufen zu lassen. „Ein solches Ausmaß hätten wir uns nicht vorstellen können“, heißt es aus Regierungskreisen.

Das sogenannte Thermofenster und seine Folgen seien durch die Untersuchungen des Kraftfahrt-Bundesamtes nun erstmals aufgefallen. Offenbar werde die Temperatur-Regelung teils korrekt befolgt, teils aber zweifelhaft genutzt.

Das KBA untersucht, wie hoch der Stickoxid-Ausstoß von Fahrzeugen im Straßenverkehr tatsächlich ausfällt. Bislang haben sich die Behörden innerhalb der EU oft mit Messreihen unter geschönten Bedingungen auf dem Prüfstand begnügt.

Die Tests liefen nach Angaben aus Regierungskreisen bei 23 Grad Celsius ab. Jetzt wird auch bei anderen Temperaturen gemessen. Das führt zu teils dramatischen Ergebnissen, die aber bislang unter Verschluss gehalten werden.

Das von Alexander Dobrindt (CSU) geleitete Ministerium will erst genaue Erkenntnisse haben, bevor es an die Öffentlichkeit geht.

Bei einem Konzern besteht inzwischen sogar der Verdacht, dass sich hinter dem „Thermofenster“ noch eine andere, möglicherweise illegale Maßnahme verbirgt. Auch diesem speziellen Verdacht gehen KBA und Ministerium nun nach.

Das Verkehrsministerium dringt in der EU darauf, das „Thermofenster“ genauer zu regeln, um Missbrauch zu verhindern. Das Bundesumweltministerium erklärte auf Anfrage, es sei „inakzeptabel“, dass Autohersteller die Abgasreinigung „unterhalb der Labortemperatur von 20 Grad deutlich zurückfahren“ und dies mit „Motorschutz“ begründeten.

Die Koalition will den Umbau der Autobranche vorantreiben. Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD haben sich auf Grundzüge für die Förderung von Elektroautos geeinigt.

Dazu gehören der Aufbau einer Infrastruktur für Ladestationen, eine Befreiung von der Kfz-Steuer und ein Programm für die Beschaffung solcher Autos.

Verbraucherschützer: VW soll auch deutschen Kunden Rückkauf anbieten

Verbraucherschützer fordern, dass Volkswagen auch seinen deutschen Kunden den Rückkauf von manipulierten Diesel-Autos anbietet.

„Das wäre ein gutes Angebot und eine kulante Lösung, die dem VW-Image gut tun würde“, sagte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, dem „Tagesspiegel“.

Allerdings könnten Kunden nur den Zeitwert verlangen, nicht den Neupreis, gibt Müller zu bedenken.

Kunden, die ihr Auto behalten wollen, sollte VW alternativ eine Entschädigung anbieten, um den absehbaren Mehrverbrauch oder die Leistungseinschränkungen auszugleichen, schlägt der oberste deutsche Verbraucherschützer vor. „Wir hielten einen Betrag von rund 1.000 Euro für angemessen.“

Dass die deutschen Kunden gegenüber den US-Verbrauchern benachteiligt werden, liegt nach Meinung Müllers auch am fehlenden politischen Druck in Deutschland.

VW habe sein Versprechen, die Autos so umzurüsten, dass sie den deutschen Umweltvorschriften genügen, ohne mehr Sprit zu verbrauchen oder an Leistung zu verlieren, bisher nicht eingelöst.

„Die zeitliche Verzögerung ist enorm“, kritisierte Müller. „Würden Verkehrsminister Dobrindt und das Kraftfahrtbundesamt auf den Tisch hauen, hätten wir sicherlich inzwischen ein Angebot.“

 

(dts Nachrichtenagentur) 

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