Die neuen Bauernregeln: Sollen Landwirte für dumm verkauft werden?

7. Februar 2017 | Kategorie: Politik Rheinland-Pfalz, Regional, Rheinland-Pfalz
Die Bauern fühlen sich durch Hendricks Sprüche veralbert. Foto: dts Nachrichtenagentur

Die Bauern fühlen sich durch Hendricks Sprüche veralbert.
Foto: dts Nachrichtenagentur

Rheinland-Pfalz. Eberhard Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V. hat Bundesministerium Barbara Hendricks einen offenen Brief geschrieben (im Original siehe unten).

Gegenstand ist eine Plakataktion mit Sprüchen, die in Art der alten Bauernregeln abgefasst sind. Dafür gab es unter anderem ordentlich Schelte von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU).

Dr. Timo Böhme. Foto: AfD RLP

Dr. Timo Böhme.
Foto: AfD RLP

Auch die AfD Rheinland-Pfalz hat sich zu Wort gemeldet:

„Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.“ Für solche Sprüche hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Ärger von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) bekommen.

Aber nicht nur von ihm: Die Landwirte in der ganzen Republik sind sauer auf eine Plakataktion der Ministerin. Auf Plakaten stehen Kindergartenreime, die lustig sein und die Bürger anregen sollen, sich an einer Debatte über die Zukunft der Agrarpolitik in Europa zu beteiligen.

Der Deutsche Bauernverband nannte die Kampagne „Die neuen Bauernregeln“ eine „inhaltliche Bankrotterklärung“, so Dr. Timo Böhme, stellvertretender Vorsitzender und landwirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz.

„Auch eine Bundesministerin muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die Bauern im Land nicht für dumm verkaufen lassen. Reime wie ‚Steh’n im Stall zu viele Kühe, macht die Gülle mächtig Mühe‘, finden schwer arbeitende Landwirte gar nicht lustig.“

Böhme weiter: „Die AfD steht voll hinter Präsident Hartelt und den Landwirten hier im Land. Wir schätzen ihre Arbeit, die durch viele unsinnige Verordnungen aus Brüssel nicht gerade einfacher geworden ist. Sinnfreie Plakataktionen einer Umweltministerin helfen unseren Bauern nun wirklich nicht.“

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Foto: dts Nachrichtenagentur

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
Foto: dts Nachrichtenagentur

Hendricks weist Kritik an Bauernregeln-Kampagne zurück

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat die deutliche Kritik an der Bauernregel-Kampagne ihres Hauses zurück gewiesen. „Wer mir vorwirft, ich würde einen ganzen Berufsstand diffamieren, hat die Bauernregeln nicht verstanden – oder versteht sie mit Absicht falsch.

Es geht nicht um den einzelnen Landwirt, sondern um Fehler im System“, sagte Hendricks der „Bild am Sonntag“. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hatte zuvor einen sofortigen Stopp der Kampagne gefordert, weil die Kampagne seiner Ansicht nach Bauern pauschal verurteile.

In der bundesweiten Aktion werden in 70 Städten neue Bauernregeln plakatiert, in denen Missstände für Tiere und die Umwelt angeprangert werden. Hendricks rechtfertigte ihre Kampagne in BamS im Stil einer weiteren Bauernregel: „Wir wollen niemand diffamieren, uns liegt nur viel an Pflanz‘ und Tieren.“

Präsident Hartelt bei einer agrarpolitischen Rede. Foto: bwv

Präsident Hartelt.
Foto: bwv

Offener Brief von Eberhard Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V.
Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
die von Ihnen auf den Weg gebrachten „neuen Bauernregeln“ haben zu großem Unmut geführt, das haben Sie bereits durch die Reaktionen gespürt. Eine Diffamierung in diesem Ausmaß ist für uns Bauern alles andere als ein Spaß. Wir ernähren das Land, leben und arbeiten seit Jahrtausenden mit der Natur, von dieser Erkenntnis fehlt bei Ihnen wohl jede Spur.

Die Bauern sind stets dialog- und lernbereit, die Produktionsausrichtung an den aktuellen wissenschaftlichen Standards ist Bestandteil ihrer täglichen Arbeit. Statt mit uns in Gespräche einzutreten, starten Sie mit Ihren Bauernregeln lieber ein paar populistische Raketen.

Sie schreiben „steht das Schwein auf einem Bein, ist der Stall zu klein“. Nicht nur in Rheinland-Pfalz schließen die Bauern Hof und Stall, denn Ihre Auflagen bringen uns zu Fall. 1991 gab es in Rheinland-Pfalz noch 488.000 Schweine in unseren Ställen, derzeit sind es gerade noch 190.000, das zeigen die offiziellen Tabellen. Von 1999 bis heute haben in Rheinland-Pfalz mehr als 50 Prozent der Landwirte ihre Tore für immer geschlossen – und der Rest wird durch Ihre Aussagen verdrossen. Mit immer schärfer werdenden Produktionsauflagen müssen Sie das letzte Schwein bald suchen – und wenn es im Ackerbau so weitergeht, gibt es künftig auch keinen Sonntagskuchen.

Bestimmt können wir alle auch von Importware leben, aber entspricht dies wirklich einer Ökobilanz, die Sie als Bundesumweltministerin anstreben?

Nahrungsmittel waren nie so günstig und hochwertig wie heute, das wissen auch die meisten Leute. Vor hundert Jahren gab jeder Bundesbürger mehr als die Hälfte seines Einkommens für Lebensmittel aus, heute sind es gerade noch 14 Prozent für den täglichen Schmaus. Auch die Lebenserwartung stieg seither deutlich an, lesen Sie doch einfach mal eine Statistik, dann und wann.

Hierfür arbeiten die Landwirte mehr als jedes Arbeitszeitgesetz es zulässt, als selbständiger Unternehmer ist das offiziell kein Stress. Wer sich zum Dank hierfür auch noch beschimpften lassen soll, für den ist das Maß nun endgültig voll.

Sie möchten, dass wir alle zurückkehren zur reinen Natur – das können wir tun, aber von unserer heutigen Nahrungsmittelsicherheit fehlt dann jede Spur. Außerdem geht das richtig ins Geld, denn das Unkraut jätet sich nicht von selbst auf unserem Feld. Bei der Bevölkerung führt es zum Verdruss, wenn sie für den Einkauf von Nahrungsmitteln auf den Urlaub und das schöne Auto verzichten muss.

Heimische Produktionsauflagen und Weltmarktpreise belasten unsere Bilanzen auf gefährliche Weise. Ohne Direktzahlungen als Ausgleich ist sowas unmöglich, sonst endet dies für uns Bauern tödlich. Sie quälen uns mit immer neuen Ideen – gebracht haben sie wenig, außer dass wir weiter in die Knie gehen.

Der Grünlandanteil blieb in Rheinland-Pfalz in den letzten Jahrzehnten nahezu konstant, das ist Ihnen wohl gänzlich unbekannt. Erst mit Einführung des Grünlandumbruchverbotes ging er zurück – als Ergebnis einer völlig verfehlten Politik. Irgendwer muss das Grünland fressen, wenn es keine Tiere mehr gibt, können Sie dies getrost vergessen.

Sie möchten für Ihr Haus mehr Kompetenz im Agrarbereich – mit den neuen Bauernregeln haben Sie bewiesen, dass Ihr Sachverstand hierfür nicht reicht.

Mit der Erfindung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln blieben Hungersnöte in Europa endlich aus, doch diese Produktionsmittel sind Ihnen ein Graus. Dabei nutzt der Bauer nur so viel wie nötig auf seinem Feld, denn alles andere geht zu sehr ins Geld. Im Jahr 2016 gab es von der feucht – warmen Witterung zu viel, Peronospora und Drosophila suzuki trieben ein böses Spiel. Ohne Pflanzenschutz hätte es eine Katastrophe gegeben – nicht nur bei Kartoffeln, Kirschen und Beeren, sondern auch in unseren edlen Reben.

Wir haben die schärfsten Gesetze zur Pflanzenschutzmittelzulassung weltweit, kümmern uns dabei um das Wohl der Hamster und Bienen, jederzeit. Es gibt sogar vier verschiedene Gefährdungsklassen für Bienen, so dass diese stets glücklich fliegen.

Unsere Landwirte erzeugen eine nie dagewesene Produktvielfalt, doch so etwas lässt Sie offenbar kalt. Wir erhalten die Kulturlandschaft, nehmen an freiwilligen Agrarumwelt- und Wasserschutzprogrammen teil – Sie hingegen begegnen uns nur mit Ihrem Vorurteil.

Eine solch schmutzige Diffamierung eines Berufsstandes aus der Feder einer Bundesministerin ist neu, mit diesem Niveau bleiben Sie Ihrer bisherigen Politik jedoch treu. Mit Steuergeldern haben Sie eine Kampagne gegen uns Landwirte gestartet, hierauf hat wirklich niemand gewartet. Als Ministerin sind Sie damit untragbar für unser Land, das ist hoffentlich nun auch der Kanzlerin bekannt. Sollten Sie auch nur über einen Funken Anstand verfügen, stoppen Sie sofort die weitere Verbreitung dieser Lügen. Ansonsten machen Sie weiter so, denn ist der Ruf mal ruiniert, lebt es sich bekanntlich ja ganz ungeniert…

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Eberhard Hartelt
Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V.

Das Gemüse fällt nicht vom Himmel und muss unter schwierigen Bedingungen geerntet werden. Foto: Pfalz-Express/Ahme

Das Gemüse fällt nicht vom Himmel und muss unter schwierigen Bedingungen geerntet werden.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

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Ein Kommentar auf "Die neuen Bauernregeln: Sollen Landwirte für dumm verkauft werden?"

  1. Philipp sagt:

    An die Redaktion:
    Können Sie das nicht so formatieren, dass die Reime besser rauskommen?