Deutliche Worte von Landrat Fritz Brechtel zur zweiten Rheinbrücke: „Gravierende Fehleinschätzung des Bundesrechnungshofs“

27. April 2015 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional, Regional

Landrat Dr. Fritz Brechtel (li., mit Martin Brandl, Mdl) bei der Rheinbrücke: Der Blick spricht Bände.
Foto: pfalz-express.de/Licht

Kreis Germersheim – Im Fall der Brückensperrung wäre wegen fehlender Ausweichbrücken der volkswirtschaftliche Schaden enorm, meint Landrat Dr. Fritz Brechtel.

„Wir brauchen dringend die 2. Rheinbrücke, daran ändert auch die als gravierende Fehleinschätzung einzustufende Stellungnahme des Bundesrechnungshofes nichts. Anders als bei allen anderen Wirtschaftsräumen zwischen Basel und Mainz gibt es in Karlsruhe keine in der Nähe liegende Ausweichbrücke. Bei einer Brückensperrung wäre das Verkehrs-Chaos komplett, der volkswirtschaftliche Schaden wäre enorm“, so Brechtel in einer Stellungnahme zum Bericht des Bundesrechnungshofs.

Der Landrat mahnt Bund und Land an, das Projekt 2. Rheinbrücke einschließlich der Anbindung an die B36 weiter voranzutreiben. Außerdem benötige man dringend einen Plan B, was im Fall einer Brückensperrung zu tun sei. Zudem fehle bislang eine Berechnung des volkswirtschaftlichen Schadens, der im Fall einer Brückensperrung entstehen würde. Landrat Brechtel ist überzeugt davon, dass der Schaden um ein Vielfaches höher sei als im Fall der Schiersteiner Brücke.

An die Verantwortlichen in Baden-Württemberg, an Landesregierung und Brückengegner im Stadtrat Karlsruhe appelliert er, den Bau der 2. Rheinbrücke als Chance zur Verbesserung des Straßenverkehrs in Karlsruhe zu nutzen.

Karlsruhe laufe Gefahr, im Jahr des 300. Stadtjubiläums Verkehrsprobleme wie noch nie zu haben und im Unglücksfall auf einen unbestimmten Zeitraum komplett von der linken Rheinseite abgeschnitten zu werden: „Wem nützt ein Oberzentrum, wenn man es nicht erreichen kann?“

 „Veralteter Sachverhalt“

Die Prüfung des Bundesrechnungshofs beruhe offenbar auf unvollständigen, veralteten Sachverhalten und formaler Gesichtspunkte. Demzufolge komme es zu einer gravierenden Fehleinschätzung.

Die Prognose zur Verkehrsbelastung der bestehenden Rheinbrücke im Jahr 2025 könne unmöglich 23.500 Kraftfahrzeuge täglich betragen, (wie in der Stellungnahme des Bundesrechnungshofs angegeben), denn die derzeitige Belastung liege heute bereits bei über 85.000 Fahrzeugen.

Geplant und gebaut wurde die Brücke in den 60er Jahren für eine Maximalbelastung von ca. 33.000 Fahrzeuge.

„Dass die Beseitigung der Engstelle am Pförtner allein das künftige Verkehrsproblem nicht löst, ist angesichts der vielen folgenden Knotenpunkte im Karlsruher Straßennetz unbestritten und wird auch vom Bundesministerium anerkannt“, so Brechtel.

Was passiert bei einer Vollsperrung

Am gravierendsten sei jedoch die Fehleinschätzung des Bundesrechnungshofs bezüglich des Risikos einer Vollsperrung der derzeitigen Rheinbrücke.

Selbst der Rechnungshof erkenne an, dass ein solches Ausfallrisiko bestehe: „Der vor einigen Jahren durchgeführte Faktencheckhat nochmals öffentlich gemacht, dass es beispielsweise durchschnittlich einmal jährlich im Bereich der Brücke zu einer Schiffshavarie kommt, bislang glücklicherweise ohne Folgen.“ Auch zur längeren Vollsperrung führende Verkehrsunfälle seien nicht ausgeschlossen.

„Was aber, wenn es tatsächlich zu einer Vollsperrung der Brücke kommt? Dann wäre das verkehrliche und wirtschaftliche Chaos in der Technologieregion Karlsruhe perfekt.

Die nächsten Rheinübergänge liegen fast 30 Kilometer südlich bei Iffezheim oder nördlich bei Germersheim“, fragt der Landrat.

Die rund 85 000 Nutzer müssten weite Umwege fahren, um ihre Ziele zu erreichen. Für jeden der rund 20. 000 Pendler bedeute dies grob geschätzt einen täglichen Umweg von 120 Kilometer zum Arbeitsplatz und zurück. „Dies kann niemand zugemutet werden. Die im Umfeld der Rheinbrücke liegenden und rund um die Uhr auf just-in-time Belieferung angewiesenen Weltfirmen Daimler, Miro, Stora Enso, Siemens u.a. hätten enorme Kosten- und Ausfallrisiken.

Der tägliche volkswirtschaftliche Schaden, der dabei produziert würde, wäre enorm. Er wäre um ein Vielfaches höher als bei der Schiersteiner Brücke. Dort hat man einen täglichen volkswirtschaftlichen Schaden von 1,4 Mio. Euro geschätzt, obwohl in Mainz zwei Ausweichbrücken in kurzer Entfernung existieren.“

Die Tatsache, dass den Wirtschaftsraum Karlsruhe/Südpfalz nur eine Rheinbrücke verbinde, sei ein negatives Alleinstellungsmerkmal der Technologieregion Karlsruhe.

Alle übrigen vergleichbaren Wirtschaftsräume zwischen Basel und Mainz seien durch mindestens zwei oder drei Brücken miteinander verbunden, betont Brechtel: „Sie haben also längst nutzbare Alternativen. Karlsruhe ist der einzige Wirtschaftsraum, bei dem eine solche Redundanz fehlt. Auch dies ist eine gravierende Fehleinschätzung des Bundesrechnungshofs.“

Weder in Rheinland-Pfalz noch in Baden-Württemberg existiere seitens der Landesregierungen ein „Plan B“ für den Fall einer Brückensperrung. Deshalb müsse länderübergreifend dringend ein solcher Plan erstellt werden.

„Mit dem Wirtschaftsraum wird fahrlässig umgegangen“

Brechtel weiter: „Seit Jahren steht außerdem fest, dass die Brückenverbindung nicht am Ölkreuz endet, sondern so rasch wie möglich an die B36 angeschlossen werden soll. Dies würde zu einer deutlichen verkehrlichen Verbesserung in Karlsruhe führen, beispielsweise zur innerörtlichen Entlastung von Knielingen und zur Entlastung auf der Südtangente. Auch dies wurde im Karlsruher Faktencheck öffentlich.

Die Landesregierung Baden-Württemberg müsse dringend die Planung zum Anschluss an die B36 einleiten. Seit Jahren ist dies angemahnt, beispielsweise in einem gemeinsamen Schreiben der beiden Landräte der gegenüberliegenden Landkreise Karlsruhe und Germersheim. Bislang habe die zuständige Staatssekretärin Splett versäumt, tätig zu werden.

Den Verantwortlichen scheint nicht bewusst zu sein, dass sie fahrlässig mit der wirtschaftlichen Zukunft der Technologieregion umgehen. Die zahlreichen großen und kleineren Firmen links und rechts des Rheins mit ihren zigtausenden Arbeitnehmern bedürfen dringend der verbesserten Anbindung.

Deshalb ein dringender Apell an den Bundesrechnungshof, seine Stellungnahme zu aktualisieren und zu berichtigen. An die Bundesregierung und die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ergeht der Aufruf, am Bau der 2. Rheinbrücke festzuhalten und diese endlich voranzutreiben.

An die Verantwortlichen in Karlsruhe und an die Nein-Sager im Stadtrat ergeht die dringende Bitte, Ihrer Verantwortung für eine positive Stadtentwicklung gerecht zu werden und den Bau der 2. Rheinbrücke als Chance zu sehen, den Straßenverkehr in Karlsruhe zu verbessern.“  (red)

 

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