Donnerstag, 18. April 2024

Der kleine Luther: Eine Landauer Reformationsgeschichte in mehreren Stationen

6. Dezember 2016 | Kategorie: Kultur, Landau
Oberbürgermeister Thomas Hirsch (2.vl.) und Dekan Volker Janke (3.v.l.) unterzeichnen den Kooperationsvertrag für das Stationentheater „Der kleine Luther“. Das Chawwerusch Theater ist durch die Projektleiter Felix S. Felix und Thomas Kölsch vertreten. Foto: ld

Oberbürgermeister Thomas Hirsch (2.vl.) und Dekan Volker Janke (3.v.l.) unterzeichnen den Kooperationsvertrag für das Stationentheater „Der kleine Luther“. Das Chawwerusch Theater ist durch die Projektleiter Felix S. Felix und Thomas Kölsch vertreten.
Foto: ld

Landau. Der Protestantische Kirchenbezirk Landau und die Stadt Landau in der Pfalz werden anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 in besonderer Weise an die Reformation erinnern. Mit einem Stationentheater des Chawwerusch Theaters rund um die Stiftskirche soll ein regionaler Beitrag zum Reformationsjahr entstehen.

Mit den Projekten „Ziegelstein und Musenkuss – 100 Jahre Jugendstil-Festhalle Landau“ und „Landauer Leben – ein Theaterweg durch die Jüdisch-Landauer Geschichte“ ist es dem Chawwerusch Theater in Kooperation mit der Stadt Landau in den vergangen Jahren gelungen, einen zentralen kulturellen Begegnungsort und regionale Geschichte aus neuen Blickwinkeln zu betrachten.

An diese erfolgreiche Zusammenarbeit anknüpfend wird im kommenden Jahr die regionale Reformationsgeschichte in Szene gesetzt.

Ziel des Projektes sind neue Blickwinkel auf und Erkenntnisse über eine Zeit sich überschlagender Ereignisse des Wandels: einer Stadt, einer Region und einer Religion.

Eine Gesellschaft sieht sich mit radikalen Änderungen konfrontiert, die an den Grundfesten der „alten Ordnung“ rütteln. Verunsicherung greift um sich, Ängste werden geschürt, aber es entsteht auch völlig Neues. Neue Wege, Perspektiven, Glaubens- und Denkweisen tun sich auf, eine gesellschaftliche Situation der Herausforderung und Umbruchs, ähnlich unserer heutigen.

Erzählt wird die „große“ Geschichte, die nicht mehr und nicht weniger als die Welt veränderte, am Beispiel des ehemaligen Landauer Stadtpfarrers Johannes Bader.

Baders Lebenslauf mit offenem Widerstand gegen die Missbräuche der römisch-katholische Kirche, Heirat und Bann weist starke Parallelen zu dem des großen Reformators auf. Deshalb wird dieses Projekt den Namen „Der kleine Luther“ erhalten.

Johannes Bader war ein mutiger, belesener, kluger und streitsüchtiger Mann, der im Jahre 1518 die Stelle des Pfarrers in der Landauer Stiftskirche antrat. 1517 hatte Luther in Wittenberg seine Thesen veröffentlicht. Kurz nach seiner Berufung fängt Bader an in Luthers Sinne zu predigen.

Daraufhin wurde er beim Bischof in Speyer angezeigt. 1523 und 1524 muss sich Bader in Speyer verteidigen. Er tut dies vehement, dennoch wird der Kirchenbann über ihn verhängt, sein freies Geleit aufgekündigt. Wohlgesinnte Landauer lassen ihn in einem Korb von der schwerbewachten Stadtmauer in Speyer herab und verhelfen ihm so zur Flucht.

Bader ist ein engagierter Kirchenmann und ein politischer Mensch, der viel publiziert (so schreibt er unter anderem den ersten evangelischen Katechismus überhaupt) und der bis zu seinem Tod 1545 immer wieder Missstände anprangert.

Es ist eine außergewöhnliche und unruhige Zeit, auch in Landau. Gegenüber der Stiftskirche treffen sich die deutschen Ritter 1522 im „Haus zum Maulbeerbaum“ und gründen, unter Vorsitz von Franz von Sickingen, den „Deutschen Bund“. 1525, am Sontag Quasimodogeniti (23. April), rebellieren die Bauern von Nußdorf und reihen sich ein in das Ereignis, welches als „Bauernkrieg“ in ganz Süddeutschland für Unruhe sorgt.

Und so könnte es aussehen….

In den Nischen der Stiftskirche gehen die Ablasshändler ihren windigen Geschäften nach. Jeder hat sich auf eine bestimmt Sünde spezialisiert, jeder hat seine entsprechende Preisliste. In die mittelalterlich anmutenden Sünden haben sich aber auch ganz moderne Sünden und Verfehlungen eingeschlichen.

Posaunen sind vom Turm der Stiftskirche zu hören.
Es gehen Gerüchte um, eine hochgestellte Persönlichkeit werde in Landau erwartet. Die einen meinen gehört zu haben, dass Martin Luther auf dem Weg nach Straßburg in Landau Halt machen wolle, die anderen meinen zu wissen, dass der Bischoff von Speyer sich den Johannes Bader holen komme, wieder andere befürchten, dass der Franz von Sickingen die Stadt plündern wolle.

Die Geschichte, Bader habe einer Bäuerin, die eine Gans unter dem Arm trug, das Sakrament reichen wollen, wobei die Gans die Hostie erhascht habe und so ungerechtfertigter Weise ein Tier das heilige Abendmahl erhalten habe, macht ebenfalls die Runde.

Hinter der Stiftskirche wird eine Beerdigungsgesellschaft aufgehalten, weil ein Protestant unmöglich in der gleichen Erde neben einem Papisten liegen könne.

Reaktionen

„Im Mittelpunkt des Stationentheaters steht die Person des Landauer Reformators Johannes Bader. Da sich in seiner Person und in Landau auf lokaler Ebene die Wittenberger Geschehnisse um Martin Luther wie in einem Brennglas spiegeln, haben wir ihn den „kleinen Luther“ getauft.

An seiner Person, der Vereinigung der Ritter zum Landauer Bund und den Ereignissen rund um den Bauernkrieg in Nußdorf wollen wir die Bedeutung der damaligen Umwälzungen in Kirche und Gesellschaft für unsere heutige Zeit verdeutlichen, insbesondere die Errungenschaften der Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit für eine freiheitliche, offene und solidarische Gesellschaft“, so Dekan Volker Janke.

„Ich freue mich, dass wir 2017 zum dritten Mal ein Stationentheater mit dem Chawwerusch Theater in Landau erleben dürfen. Zum dritten Mal wird Landauer Geschichte lebendig und ich bin mir sicher, dass „Der kleine Luther“ ein Highlight im Reformationsjahr sein wird.

Die Reformation hat nicht nur die Geschichte der Kirche nachhaltig verändert, sondern auch die Stadtgeschichte Landaus in besonderer Weise geprägt. Insbesondere durch Johannes Bader war die Stadt von Beginn an in die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche dieser Zeit involviert.

2017 ehren wir den „kleinen Luther aus Landau“ nicht nur mit dem Stationentheater, sondern auch durch die Benennung des Johannes-Bader-Platzes neben der Stiftskirche. Beides soll die Bedeutung Baders für unsere Stadt noch einmal verdeutlichen und auf besondere Weise würdigen“, so Oberbürgermeister Thomas Hirsch.
Spiel-und experimentierfreudige Mitwirkende gesucht

Für dieses außergewöhnliche Projekt können sich theaterbegeisterte Akteure (ab 16 Jahren) melden. Voraussetzung ist die Spielerfahrung aus einem früheren Projekt oder einer Theaterproduktion mit dem Chawwerusch Theater.
Da sicherlich mehr Anmeldungen eingehen, werden die ca. 100 Spieler aus allen Anmeldungen ausgewählt.

Alle Mitwirkenden teilen sich auf verschiedene Gruppen und Referenten auf, die zum Thema „Zeit der Reformation“ mit unterschiedlichen Theaterformen arbeiten.
Die Gruppen entwickeln eine Präsentation für die jeweilige Station. Die Aufführungen werden mehrfach hintereinander wiederholt.

Ebenso werden Interessierte gesucht, die in einer Nähgruppe die Kostümbildnerinnen oder im organisatorischen Bereich die Projektleitung unterstützen wollen.

Anmeldungen bis zum 16. Januar 2017 unter kleiner-luther@chawwerusch.de oder unter Chawwerusch Theater, Obere Hauptstr. 14, 76863 Herxheim
Das künstlerische Team

Das Team: Felix S. Felix, Ben Hergl, Monika Kleebauer, Walter Menzlaw, Stephan Wriecz
Projektleitung: Felix S. Felix und Thomas Kölsch
Assistenz: Dagmar Brade
Ausstattung: Kristina Baumert, Hannah Bachmann
Technische Leitung: Thomas Kölsch
Technik: Kim Acker und Patrick Frautschi u.a.

Die Premiere wird am 22. September 2017 sein. Bis zum 3. Oktober werden dann an acht Aufführungstagen bis zu 3300 Zuschauer die Möglichkeit haben, das neue Chawwerusch Stationentheater zu erleben.

Veranstalter: Protestantischer Kirchenbezirk Landau und die Stadt Landau in der Pfalz

Das Projekt wird finanziell unterstützt vom Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, der Evangelischen Kirche der Pfalz, Sparkassen-Stiftung SÜW, VR Bank SÜW, Dr. Feldbausch-Stiftung, Energie Südwest, Dieter Kissel Stiftung, Versicherer im Raum der Kirchen.

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