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Demos in Kandel: „Frauenbündnis“ und „Bündnis gegen Rassismus“ – „Volksverräter“ gegen „Nazis raus“

Das Anti-Rassismus-Bündnis zu Beginn der Demo. Fotos: Pfalz-Express/Licht Fotostrecke und Videos am Textende [1]

Das Anti-Rassismus-Bündnis zu Beginn der Demo.
Fotos: Pfalz-Express/Licht
Fotostrecke und Videos am Textende

Kandel – Ohne größerer Zwischenfälle, aber in aufgeheizter Stimmung verliefen am Sonntagnachmittag die beiden Demonstrationen auf dem Marktplatz.

Angemeldet hatte sich ein inoffizielles „Frauenbündnis“, das gegen die Asylpolitik und „für mehr Sicherheit“ demonstrierte. Als Antwort darauf hatte das „Bündnis Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz“ eine Gegenkundgebung organisiert.

Die Polizei sicherte mit starker Präsenz die beiden Veranstaltungen und trennte die Lager unter anderem mit einer Reihe aus Polizeifahrzeugen. Nach Pfalz-Express-Informationen waren zwei Hundertschaften im Einsatz.

Das Anti-Rassismus-Bündnis mit etwa 150 Teilnehmern, dem sich auch einige SPD-Kommunalpolitiker angeschlossen hatten, begann um 14.3o Uhr. Das „Frauenbündnis“ mit an die 1.000 Teilnehmern marschierte eine Stunde später vom „dm“-Markt in Richtung Marktplatz. Die Teilnehmer skandierten unter anderem „Sicherheit für Frau und Land – dafür gehen wir Hand in Hand“ oder „Merkel muss weg“.

Sprecher der Anti-Rassismus-Demo erklärten, man wolle ein deutliches Zeichen setzen für Demokratie und Menschlichkeit und die Bürger warnen, „rechten Rattenfängern“ nicht auf den Leim zu gehen. Schüren von Ängsten, missliebige Meinungen ersticken, virtuelle Hetzjagden beispielsweise auf städtische Vertreter und „eine mutige Lehrerin“, die den Rassismus angeprangert habe – das seien die Methoden der Rechten.

Unterstützung von Landesebene bekamen die Anti-Rassisten vom rheinland-pfälzischen Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun. Braun wollte seine Soldarität zeigen, auch mit den Menschen, die von Rechten bedroht würden, sagte er dem Pfalz-Express. „Das ist eine große Gefahr für unsere Gesellschaft.“

Für Bürgermeister Volker Poß, der die Kundgebungen außerhalb des Platzes verfolgte, gab es lautstarken Beifall. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Heinz Schmitt war „als Demokrat“ gekommen, um sich ein Bild zu machen und um „Flagge zu zeigen“.

Der Europaabgeordnete Stefan Bernhard Eck (GUE/NGL-Fraktion) rief dazu auf, aufzustehen und rechtem Gedankengut Paroli zu bieten. Noch lehne die breite Mehrheit der Bevölkerung neonazistische Kräfte ab. Ausschwitz sei möglich geworden, weil sich eine Lethargie breitgemacht habe und Viele weggesehen hätten. Das dürfe nicht wieder passieren, denn Parallelen zu jener Zeit gebe es durchaus. „Wir müssen wachsam bleiben.“

Rund eine Stunde später strömte in Polizeibegleitung das „Frauenbündnis“ mit Versammlungsleiter Marco Kurz (Mannheim) über die Marktstraße vor die Stadthalle. Mit dabei waren jedoch auch bekannte NPD-Vertreter.  Ab diesem Zeitpunkt wurde es laut. Hatte zuvor schon seit Tagen im Netz eine Auseinandersetzung getobt, übertrumpften sich nun beide Gruppen an Lautstärke.

Teilnehmer des „Frauenbündnisses“ (trotz des Namens dürften die Männer zahlenmäßig überlegen gewesen sein) riefen oben genannte Parolen und „Widerstand“, Lügenpresse“ oder „Volksverräter“.

Von der anderen Seite des Marktplatzes erschallte „Nazis raus“, „es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“ oder „haut ab“ –  verstärkt mit Tröten und Trillerpfeifen.

Beim „Frauenbündnis“, das sich direkt vor der Stadthalle platziert hatte, wurde eine Rede der ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Publizisten Vera Lengsfeld vorgelesen. Die Verfasserin selbst war nicht vor Ort. Es ging um die „Leichtigkeit des Seins“, das verloren gegangen wäre, um die berühmt gewordene „Armlänge Abstand“ (Zitat von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker), um Morde (bezogen auf Asylbwerber), von denen nur wenige bundesweit bekannt geworden seien, um „Rechtsbrüche von Merkel und der Bundesregierung“, um tendenziöse Berichterstattung in den Medien und fehlende „Sicherheit, Rechte und Freiheit.“

Schon beim Trauern werde man in die rechte Ecke gestellt und als Rassist beschimpft, klagte eine Rednerin, eine andere berichtete von brutalen Übergriffen auf ihre Person im Beisein ihrer Kinder durch Zugewanderte. Eine Rednerin forderte die Installation eines Mia-Valentin-Platzes.

Beim Anti-Rassismus-Bündnis wiederum wurde das „Trauern“ als Heuchelei bewertet. Rednerin Sandra G. sagte, Verbrechen, die von Deutschen begangen würden, oder Frauenrechte im allgemeinen interessierten die Rechtsgerichteten nicht: „Nur wenn die Täter einen Migrationshintergrund haben.“

Stefan Bernhard Eck bestärkte die Anti-Rassismus-Demonstranten, sich weiter zu engagieren. „Die Rechten bekommen mit ihren Aufmärschen sowieso Aufmerksamkeit. Wie sähe es denn aus, wenn sich kein Protest regte? Begrüßen wir so Geflüchtete? Nicht mit uns!“ Eck forderte einen „Aufstand der Anständigen“ und nannte rechte Umtriebe eine Schande.

Das „Frauenbündnis“ war derweil aus dem Häuschen ob der „überwältigenden Teilnehmerzahl“. Man hoffe, dass der „Funke“ von Kandel aus in andere Städte überspringe. Ein Redner kündigte Demonstrationen in Berlin und Bottrop für die nächste Zeit an. Zum Abschluss wurde die Nationalhymne gesungen.

Bürgermeister Günther Tielebörger schaute ebenfalls vorbei. Ihm steht ein neues Ärgernis ins Haus. Wie berichtet, hat für den 3. März eine Gruppe aus Sachen Einlass in Kandel begehrt – wieder für eine Demo.

An diesem Tag findet allerdings auf dem Marktplatz die Autoausstellung „Kandel mobil“ statt. Deshalb sei eine Anmeldung zu diesem Termin nicht möglich, sagte Tielebörger, der ziemlich ungehalten war. Es sei nicht zu glauben, dass der Tod der 15-jährigen Mia noch immer von rechten Gruppen instrumentalisiert werde, sagte der Stadtchef.

Zwischen 17 Uhr und 18 Uhr lösten sich beide Demonstrationen auf. Das „Frauenbündnis“ wurde von der Polizei zurück in die Lauterburger Straße begleitet.

Laut Polizei konnten etwa 100 Personen dem rechten Spektrum zugewiesen werden. Auch polizeibekannte Aktivisten befanden sich unter den Demonstranten.

Anmerkung der Redaktion: 

Im Netz kursiert die Behauptung, Bürgermeister Volker Poß habe an der Demonstration an der Seite der Antifa teilgenommen. Nach unseren eigenen Beobachtungen ist dem nicht so. Poß war zu keiner Zeit an der Seite der Demonstranten zu sehen, sondern hielt sich in seiner Eigenschaft als Verbandsbürgermeister außerhalb des Marktplatzes auf, teilweise mit Mitarbeitern des Ordnungsamts.

(cli) (aktualisiert)

 

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