Berlin: Durchsuchungen bei Kontaktpersonen von Anis Amri – Polizei befasste sich über ein Jahr mit Berliner Attentäter

3. Januar 2017 | Kategorie: Nachrichten
Breitscheidplatz nach Anschlag auf Weihnachtsmarkt. Foto: dts Nachrichtenagentur

Breitscheidplatz nach Anschlag auf Weihnachtsmarkt.
Foto: dts Nachrichtenagentur

Berlin  – Die Bundesanwaltschaft hat am Dienstag aufgrund eines Beschlusses des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs in einem Flüchtlingsheim in Berlin die Unterkunft einer Kontaktperson des mutmaßlichen Berliner Attentäters Anis Amri von Beamten der Bundespolizei und des Bundeskriminalamts durchsuchen lassen.

Bei dem Beschuldigten handele es sich um einen 26 Jahre alten tunesischen Staatsangehörigen, teilte die Behörde am Abend mit.

Nach den bisherigen Erkenntnissen habe er Amri spätestens seit Ende 2015 gekannt und noch in zeitlicher Nähe zum Anschlag mit ihm in Kontakt gestanden. Es bestehe daher der Verdacht, dass der Beschuldigte von den Anschlagsplänen wusste und Amri möglicherweise geholfen habe.

Darüber hinaus sei eine Wohnung in Berlin durchsucht worden. Dort soll sich ein früherer Mitbewohner Amris aufgehalten haben. Nach den bisherigen Erkenntnissen hatte der Zeuge möglicherweise ebenfalls in zeitlicher Nähe zum Anschlag Kontakt zu Amri, teilte die Behörde weiter mit.

Die Durchsuchung diene dazu, weitere Erkenntnisse über das Verhalten Amris vor und nach der Tat zu gewinnen.

Polizei befasste sich über ein Jahr mit Berliner Attentäter

Terror-Fahnder haben sich offenbar mindestens dreizehn Monate lang in zahlreichen Gremien mit der Frage beschäftigt, wie gefährlich der Berliner Attentäter Anis Amri war: Am Ende hätten sie das von dem Tunesier ausgehende Risiko unterschätzt, berichten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR unter Berufung auf Unterlagen des Staatsschutzes.

Amri war bei den Behörden seit dem 17. Februar 2016 als „Gefährder“ eingestuft: Die zahlreichen Hinweise stammten von einer wichtigen Quelle, die von der Polizei in NRW in die Islamistenszene an Rhein und Ruhr eingeschleust worden war, berichten die drei Medien.

Sie kamen demnach vom marokkanischen Inlandsgeheimdienst DST und waren das Ergebnis von Auswertungen seines im Februar vergangenen Jahres sichergestellten Handys. Die Auswertung habe ergeben, dass Amri auf einer islamistischen Webseite gesurft und nach Anleitungen zum Bau von Rohrbomben gesucht hatte.

Er hatte am 2. Februar 2016 in Kontakt mit mutmaßlichen Mitgliedern des „Islamischen Staates“ (IS) gestanden und sich offenbar als Selbstmordattentäter angeboten. Die Prognosen über seine Gefährlichkeit seien zwar all die Monate unterschiedlich ausgefallen, aber die Behörden seien davon ausgegangen, dass er keinen Anschlag begehen werde.

Dabei hatte das Landeskriminalamt Düsseldorf den Sicherheitsbehörden am 17. Februar mitgeteilt: „Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass Amri seine Anschlagsplanungen ausdauernd und langfristig verfolgen wird.“

Die vielleicht größte Chance, Amri rechtzeitig zu stoppen, sei im Juli 2016 auf einer zweitägigen Sitzung im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) vertan worden. Eine Arbeitsgruppe habe sich damals mit der Möglichkeit der sofortigen Abschiebung des Tunesiers beschäftigt.

Gegen Amri sollte nach Überlegungen des Landeskriminalamts Berlin eine Abschiebungsanordnung nach Paragraf 58 a des Aufenthaltsgesetz es erlassen werden, heißt es in dem Bericht weiter. Voraussetzung sei, dass eine „auf Tatsachen gestützte Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr“ für die Sicherheit der Bundesrepublik vorliegt.

Die Runde sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine „akute Gefährdungslage derzeit nicht in gerichtsverwertbarer Form“ vorliege. Der Weg über den Paragraf 58 a wurde sei fallengelassen worden.

(dts Nachrichtenagentur/red)

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