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AfD lehnt „Germersheimer Erklärung“ ab – Alternativentwurf vorgelegt

6. März 2015 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional

Matthias Joa, stellvertretender Vorsitzender der AfD im Kreis Germersheim.

Kreis Germersheim – Die AfD im Kreis Germersheim lehnt die unlängst verabschiedete „Germersheimer Erklärung“ zum Thema Güterverkehr in der Südpfalz ab. Die Kommunalpolitik versuche, sich „gesichtswahrend  aus der Affäre zu ziehen“, heißt es vom Vorstand des Kreisverbands.

Nach der erheblichen Beteiligung der Kommunen an der Finanzierung der Strecke in der Vergangenheit habe schon immer die Gefahr bestanden, dass die DB bzw. die DB Netz AG die Strecke nicht nur für den ÖPNV nutze, sofern entspechende Kapazitäten vorhanden seien. Insofern erscheine die vorliegende Erklärung wie ein „reines Rückzugsgefecht.“

Bei der Afd favorisiere man „gemeinsam und parteiübergreifend im Interesse unserer Region für eine leise und  beeinträchtigungsfreie Rheinschiene“, so der stellvertretende Vorsitzende Matthias Joa.

Alternativentwurf der AfD-Fraktion im Kreistag Germersheim im Wortlaut:

„Was ist geplant?

Das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMV) stellt derzeit einen neuen Bundesverkehrswegeplan auf. Unter anderem ist vorgesehen, bis 2030 den Güterbahnverkehr auf der Strecke Rotterdam – Genua deutlich zu erhöhen. Von drei im BVWP eingestellten Projektideen verläuft eine Variante rechtsrheinisch (viergleisiger Ausbau Graben-Neudorf – Karlsruhe), zwei Varianten (Kleine Pfalzlösung, Große Pfalzlösung) durchqueren in ihrem Verlauf den Kreis Germersheim. Die Kleine Pfalzlösung hätte zur Folge, dass die derzeit täglichen 2-4 Güterzüge auf etwa 42 Güterzüge ansteigen würden. Ein Großteil dieser Züge soll nachts fahren. Die Realisierung der linksrheinischen Varianten hätte gravierende negative Auswirkungen auf unsere Region.

Die erwartete massive Steigerung des Güterverkehrs würde die Wohn- und Lebenssituation von zehntausenden Menschen im Umfeld der Bahnstrecke auf Dauer negativ beeinträchtigen.

So nicht!

Der Landkreis Germersheim spricht sich entschieden gegen die geplante massive Zusatzbelastung der Strecke  Ludwigshafen – Speyer – Germersheim-Wörth („Kleine Pfalzlösung“) bzw. Neustadt – Landau – Kandel – Wörth („Große Pfalzlösung“) durch den Güterbahnverkehr aus.

Zu erwartende Probleme

Wir stellen fest, dass die Bahnstrecken in der Südpfalz für die beabsichtigten Steigerungen des Güterverkehrs völlig ungeeignet sind.

Sie verlaufen ohne jeglichen Lärmschutz durch zahlreiche Ortschaften unserer mit 270 E/km2 sehr dicht besiedelten Region. Allein im Kreis Germersheim lebt ein Großteil der Bevölkerung  im Nahbereich der Bahnstrecke und wäre künftig schutzlos dem zu erwartenden Bahnlärm preisgegeben.

Entlang der Strecke existieren zahlreiche beschrankte Bahnübergänge, die künftig häufig und lange geschlossen wären. Ein geordneter Individualverkehr wäre kaum noch möglich. Ordnungs-gemäße Schülerbeförderung wäre unmöglich. Krankentransporte, Rettungsdienste und die Polizei hätten erhebliche Wartezeiten: ein erhöhtes Sicherheitsrisiko! Unsere wirtschaftlich prosperierende Region ist auf eine gut funktionierende Straßeninfrastruktur angewiesen.

Die Bahnstrecken werden intensiv durch den ÖPNV genutzt, der in den kommenden Jahren noch verstärkt werden soll. Vor wenigen Jahren wurde die Strecke Germersheim – Wörth unter erheblicher finanzieller Beteiligung der Gemeinden und des Landkreises elektrifiziert und zur Stadtbahn ausgebaut, teilweise mit Halbstundentakt. Dieses allseits gewünschte umweltpolitische Ziel wäre durch die Zunahme des Güterverkehrs gefährdet.

Bei einer Umsetzung der „Kleinen-Pfalzlösung“ ist mit einer ablehnenden Haltung in der Bevölkerung (auch überregional) für den weiteren Ausbau des Schienen-ÖPNVs zu rechnen, da auch mit einer Zunahme des Schienengüterverkehrs gerechnet werden muss, wenn eine Ausbaumaßnahme zugunsten des ÖPNV erfolgt ist.

Die Deutsche Bahn AG hat die „Kleine Pfalzlösung“ angemeldet, ohne die anliegenden Kommunen zu beteiligen oder auch nur vorab zu informieren.

Der Kreistag Germersheim fordert daher die Verantwortlichen im Interesse der in unserer Region lebenden Menschen auf, die vorgesehenen Pläne abzulehnen.

1. Der Kreistag Germersheim lehnt die Nutzung der Bahnstrecke Wörth-Germersheim als Güterfernverkehrsstrecke ab. Diese Strecke aus dem Jahre 1876 passt schon allein wegen ihrer Streckenführung nicht in ein modernes und leistungsfähiges gesamteuropäisches Güterverkehrs-konzept.

2. Sollte zukünftig eine linksrheinische Schienen-Ferngüterverkehrsstrecke in unserer Region notwendig werden, fordert der Kreistag Germersheim eine zukunftsorientierte Lösung. Diese kann für den Landkreis Germersheim durch eine Neubaustrecke im Zuge einer Fernstraße, z.B. entlang der B9 (Wörth-Speyer) erfolgen. Als Beispiel hierfür sei die sog. BETUWE-Route in den Niederlanden genannt.

3. Eine Neubaustrecke muss im Gegensatz zur vorhandenen Strecke einen funktionierenden Individualverkehr beim Kreuzen der Bahntrasse gewährleisten und muss sich durch wirksame Lärmschutzmaßnahmen auszeichnen. Damit wäre ein menschenverträgliches und zugleich leistungsfähiges Güterverkehrskonzept, welches negative Folgen für die Menschen minimiert, ermöglicht. Das gesundheitliche Wohl und die Lebensqualität der Menschen müssen im Mittelpunkt stehen.

4. Seit mehr als 20 Jahren besteht die vertragliche Verpflichtung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und europäischen Partnern, ein modernes und leistungsfähiges Güterverkehrsnetz zu realisieren. Der Kreistag Germersheim stellt sich mit dem Vorschlag einer Neubaustrecke dieser europäischen Verantwortung.

5. Ein demokratischer und transparenter Planungsprozess mit frühzeitiger Beteiligung aller betroffenen Kommunen und der Bevölkerung ist unverzichtbar.

6. Der Kreistag erwartet bundesweit den raschen Einsatz von Güterzügen mit sog. Flüsterbremsen. Dabei unterstützt er das Ziel, dass ab 2020 keine lauten Güterzüge gleich welcher Herkunft das deutsche Schienennetz befahren dürfen.

Der Kreistag Germersheim beauftragt den Landrat,  sich gemeinsam mit den Landräten, Oberbürgermeistern und Bürger-meistern der betroffenen Städte und Landkreise abzustimmen und sich auf allen Ebenen beim Thema Güterbahnverkehr für die berechtigten Belange der Bürger unserer Region im Sinne der vorher genannten Punkte einzusetzen.“

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